"Lifeline"-Kapitän muss Geldstrafe zahlen

Geldstrafe für Claus-Peter Reisch: Am Ende des zehnmonatigen Prozesses auf Malta verlässt der verurteilte Kapitän des Seenotretters „Lifeline" den Gerichtssaal mit einem Schuldspruch - aber erhobenen Hauptes, wie er es bereits vor der Bekanntgabe des Urteils angekündigt hatte. Und für viele Beobachter des Rechtsstreits auch als moralischer Sieger.
Das Gericht verurteilte den Seemann zu einer Strafe in Höhe von 10.000 Euro und verzichtete damit auf eine ebenfalls mögliche Freiheitsstrafe. Und es erkannte an, dass die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot keine Geschäftstätigkeit sei, erklärte die Organisation Mission Lifeline per Twitter. Die Rettung sei ein humanitärer Akt des Kapitäns gewesen. Das Geld solle kirchlichen wie karitativen Einrichtungen auf Malta zu Gute kommen, die sich auch um Flüchtlinge kümmern.
Der kleine Verein aus Dresden werde gegen das Urteil Berufung einlegen, sagte Axel Steier. Er gehört zu den Gründern der Hilfsorganisation, deren Rettungs-Schiff „Lifeline" seit dessen erster Mission vor der libyschen Küste unter niederländischer Fahne fuhr. Nach Ansicht des Vereins korrekt registriert und dokumentiert als Sportboot.
So sieht es auch der Kapitän: „Die 10.000 Euro jucken mich nicht wirklich, aber wir werden trotzdem in Berufung gehen, weil ich mich nicht kriminalisieren lasse", sagte Claus-Peter Reisch. So sei es auch weiterhin falsch zu behaupten, dass das Flaggenzertifikat und damit die Registrierung keine Gültigkeit besäße. „In dem Dokument steht eindeutig: Flagge - holländisch und Heimathafen – Amsterdam."
Mit der blau-weiß-roten Flagge am Heck und den passenden Papieren auf der Brücke konnten die Helfer während der ersten Rettungseinsätze problemlos in den Hafen von Valletta einlaufen und diesen wieder verlassen – bis zum Sommer 2018.
Im Juli klagte die maltesische Staatsanwaltschaft den „Lifeline"-Kapitän an, nachdem Reisch und seine Crew im Mittelmeer 234 Schiffbrüchige aus Seenot gerettet hatten, die Menschen aber erst nach einer einwöchigen Odyssee in Malta an Land bringen durften. In den dramatischen Tagen verweigerten die Behörden dem Schiff die Einfahrt in den Hafen von Valletta, nachdem Italiens rechtspopulistischer Ministerpräsident Matteo Salvini massiven Druck gegen alle privaten Seenotretter aufgebaut hatte.
Die maltesischen Behörden setzten die„Lifeline" gleich nach der Ankunft fest und verwehren ihr seitdem das Auslaufen. Doch trotz der Restriktionen betreibt der Verein Mission Lifeline das Schiff unbeirrt weiter, lässt den Diesel laufen und die Decks schrubben - so bleibt das Schiff täglich einsatzbereit. „Das kostet uns pro Tag rund 500 Euro", sagte Reisch am Telefon.
Hätte er seinen Schuldspruch akzeptiert, wäre im Gegenzug die „Lifeline"freigekommen. Denn das Gericht hatte einen Antrag der Staasanwaltschaft abgelehnt, das Schiff regelrecht zu konfiszieren. Mit der Berufung bleibt der Status Quo jedoch bis auf weiteres erhalten, und das bedeutet für den Seenotretter Dümpeln am Kai. Wirkt die Entscheidung auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich, weil sie doch das spontane Retten verhindert, so liefert Lifeliner Axel Steier die Begründung dazu:
„Zum einen haben wir ein zweites Schiff gekauft, prüfen dessen Zustand in den nächsten Tagen auf der Werft und zum anderen stechen wir im kommenden Monat mit der Yacht-Fleet in See." Das Konzept sehe vor, dass Freizeit-Segler vor der Küste Libyens kreuzen und mögliche Seenotfälle an die Leitstellen der Seenotrettung in Rom oder Malta melden.
Bevor Claus-Peter Reisch am Mittwoch wieder die Insel verlässt, wird er gemeinsam mit dem Erzbischof von Malta auf dem größten Friedhof des Landes eine Gedenktafel aufstellen. Sie erinnert an die Flüchtlingstragödie von 2015, als nach dem Kentern eines Bootes rund 800 Schiffbrüchige ertranken. 24 Leichen wurden an Maltas Küste angespült und wurden auf dem Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.