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Seehofer empfängt „Lifeline“-Kapitän

Der am Dienstag mit dem „Löwenherz“-Ehrenpreis ausgezeichnete Seenotretter Claus-Peter Reisch trifft zwei Tage später Bundesinnenminister Horst Seehofer in Berlin. 

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„Löwenherz“-Preisträger und „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch bei einem Besuch im Newsroom von sächsische.de.
„Löwenherz“-Preisträger und „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch bei einem Besuch im Newsroom von sächsische.de. © Stefan Becker

Weimar/Dresden. Der Kapitän des zivilen Seenotrettungsschiffs "Lifeline", Claus-Peter Reisch, ist mit dem "Löwenherz"-Ehrenpreis der Hilfsorganisation Human Projects ausgezeichnet worden. "Sein alternativloser friedensstiftender Weg bei der Rettung schiffbrüchiger Menschen im Mittelmeer ist beispielhaft in einer Zeit, in der an den Grenzen Europas Menschen sterben, weil ihnen absichtsvoll die Rettung verweigert wird", hieß es in der Jury-Begründung. Das teilte die Hilfsorganisation am Dienstagabend bei der Preisverleihung in Weimar mit. 

Als die Situation im Sommer 2018 im Mittelmeer eskalierte, behaupteten die beiden Bayern stoisch ihre Positionen: Bundesinnenminister Horst Seehofer lehnte die Aufnahme der 234 Schiffbrüchigen in Deutschland kategorisch ab; „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch gab das Ruder seines Schiffes nicht aus der Hand und kreuzte unverdrossen in der maltesischen Rettungszone. Formal endete das Kräftemessen damals unentschieden. Andere EU-Länder sprangen für Seehofer in die Bresche und kündigten die Aufnahme kleiner Kontingente von Geretteten an und Reisch konnte seine Passagiere nach 7-tägiger Odyssee in einem sicheren Hafen an Land bringen.

Doch seitdem duellieren sich die beiden temporär immer wieder auf Twitter. Der Minister punktete in seinem politischen Lager im Schlepper-und-Schleuser-Duktus, der Kapitän heimste in der Zeit Preis nach Preis ein und vergaß bei den vielen Danksagungen nie, auch mahnende Worte nach Berlin zu senden. 

Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung der Organisation Humanprojects will Reisch den Dresdner Seenotrettern von Mission Lifeline spenden. "Der Auftrag, den wir heute haben, lautet, dass wir keine Menschen ertrinken lassen dürfen", sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in seiner Laudatio am Dienstagabend. Es müsse dafür gekämpft werden, dass Humanität die Grundlage des Handelns sei. Zu oft sei aber das Gegenteil zu erleben. Ramelow pflegt laut Staatskanzlei seit vielen Jahren eine freundschaftliche Beziehung zu Reisch.

Claus-Peter Reisch bekommt den Ehrenpreis "Löwenherz" im Deutschen Nationaltheater von Antje Binder-Stohrer und Karsten Enz von Human Projects überreicht. 
Claus-Peter Reisch bekommt den Ehrenpreis "Löwenherz" im Deutschen Nationaltheater von Antje Binder-Stohrer und Karsten Enz von Human Projects überreicht.  © dpa

Im Anschluss an die Feierlichkeiten ging es für Claus-Peter Reisch gleich weiter nach Berlin, wo dann am Donnerstagabend gegen 18.30 Uhr das Treffen mit dem Bundesinnenminister stattfinden soll – unter Bayern. Auch unter vier Augen? Dazu könne er noch nichts sagen, weil er es schlicht nicht wisse, sagte der umtriebige Kapitän, der für die Sache der Seenotrettung im Mittelmeer nun schon seit Monaten quer durch Europa reist. Während der gelernte Handwerker und langjährige Unternehmer in Deutschland und Österreich in seiner Freizeit einen Medien-Marathon absolviert, aktuell wirbt er für das Projekt #Yachtfleet, eine auf Basis privater Segeljachten organisierte Seenotrettungs-Flotte, so reist er auch regelmäßig zu seinem Prozess nach Malta.

Sein nächster Auftritt vor Gericht steht am 02. April an, nachdem die Justiz den März-Termin ohne Angabe von Gründen kurzfristig abgesagt hatte. Seit Sommer verhandelt das Gericht darüber, ob die „Lifeline“ bei ihrer letzten Rettungsfahrt im Juni 2018 regulär unter niederländischer Flagge fuhr oder aber das Hoheitszeichen illegal in den internationalen Gewässern vor der libyschen Küste nutzte.

Im Anschluss an den Prozesstag, an dem es wahrscheinlich abermals zu keinem Urteil kommen wird, steigt Reisch wieder in den Flieger und reist zurück nach Deutschland, wo er am 05. April in Köln den Lew-Kopelew-Preis des gleichnamigen Forums entgegen nehmen wird. Ende des Monats steht dann ein Besuch in der Münchner Staatskanzlei an, in die ihn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder eingeladen hatte. Noch vor seinem CSU-Parteifreund Seehofer, aber jetzt eben einen Monat später. 

Claus-Peter Reisch bei seiner Dankesrede.
Claus-Peter Reisch bei seiner Dankesrede. © dpa

Quasi zeitgleich zur Preisverleihung wurde bekannt, dass die EU einen umstrittenen gegen Schleuserkriminalität gerichteten Marineeinsatz vor der libyschen Küste vorübergehend aussetzen möchte - bei der Operation wurden auch Migranten aus Seenot gerettet. Hintergrund ist Uneinigkeit unter den EU-Ländern über Aufnahme der Geretteten.

Mission Lifeline ist derweil weiterhin auf der Suche nach einem neuen Schiff, wie Sprecher Axel Steier am Dienstag sagte. Bemühungen um ein Charter-Schiff aus den Niederlanden seien geplatzt. Zudem plane die Hilfsorganisation eine Aktionswoche: Vom 16. bis 21. Juni rufe sie private Jacht-Besitzer im Mittelmeer zu einer Demo auf See auf.

Human Projects ist eine Hilfsorganisation aus Baden-Württemberg. Mit dem "Löwenherz" will sie Menschen auszeichnen, die sich besonders für eine friedliche Welt einsetzen. Bisherige Preisträger sind der Liedermacher Konstantin Wecker, der ehemalige sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und das Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama.

Dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen zufolge kamen 2018 mindestens 2275 Menschen auf dem Weg über das Mittelmeer ums Leben. Kritiker von Rettungsaktionen sind etwa der Ansicht, dass durch solche Hilfen für Schlepper und Migranten die Schwelle sinke, etwa auf seeuntaugliche Boote zu setzen. (SZ/stb mit dpa)