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Linda W. aus Pulsnitz im Irak verurteilt

Die 17-jährige IS-Anhängerin muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Mit dem Irak besteht kein Auslieferungsabkommen.

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© ndr/ARD

Bagdad/Dresden. Die 17-jährige deutsche IS-Anhängerin Linda W. aus Pulsnitz (Landkreis Bautzen) ist nach Medienberichten von einem irakischen Gericht zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Wie NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung aus Justizkreisen in Bagdad erfuhren, wurde die Jugendliche wegen der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu fünf Jahren und darüber hinaus wegen der illegalen Einreise in den Irak zu einem Jahr Haft verurteilt.

Das Verfahren hatte wegen der Minderjährigkeit der Angeklagten ohne Öffentlichkeit vor einem Jugendgericht in der irakischen Hauptstadt Bagdad stattgefunden. Eine offizielle Bestätigung des Urteils durch das Auswärtige Amt oder irakische Behörden gab es zunächst nicht. Unklar ist zudem, ob sie ihre Strafe im Irak verbüßt oder nach Deutschland ausgeliefert wird. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums besteht mit dem Irak kein Auslieferungsabkommen.

Die Bilder der Schülerin aus Sachsen waren um die Welt gegangen, als sie von irakischen Sicherheitskräften bei der Einnahme der IS-Hochburg Mossul aufgegriffen wurde. An den ausgestreckten Armen war das weinende und schluchzende Mädchen staubbedeckt durch die Trümmer Mossuls gezerrt worden. Irakische Soldaten filmten die Szenen. Sie hatten das Mädchen zusammen mit anderen ausländischen IS-Frauen in einer Tunnelanlage in der Altstadt von Mossul entdeckt, wo sich die Frauen versteckt gehalten hatten.

Die Schülerin aus Pulsnitz war im Sommer 2016 verschwunden, kurz nachdem sie zum Islam konvertiert war. Sie soll über Internetchats mit IS-Anhängern in Kontakt gestanden und sich radikalisiert haben. Im Sommer 2017 wurde sie im Irak festgenommen und inhaftiert.

In einem Interview nach ihrer Festnahme hatte Linda W. zugegeben, sich der IS-Terrormiliz angeschlossen zu haben, und diesen Schritt bedauert. „Ich will nach Hause zu meiner Familie“, sagte sie einem vom Recherchenetzwerk aus „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR beauftragten Reporter in Bagdad. „Ich will nur noch weg. Ich will weg aus dem Krieg, weg von den vielen Waffen, dem Lärm.“Dem Bericht zufolge erlitt das Mädchen am linken Oberschenkel eine Schusswunde; das rechte Knie musste ebenfalls versorgt werden.

Im Januar dieses Jahres war zuletzt eine Deutsche aus Mannheim mit marokkanischen Wurzeln, Lamia K., wegen IS-Mitgliedschaft zum Tode verurteilt worden. Sie soll auch an einem Angriff auf irakische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein. Terroristen droht im Irak die Todesstrafe – allein der Verdacht kann ausreichen. Zwar werden Minderjährige nicht hingerichtet, aber zum Tode verurteilt werden können sie trotzdem.

Im Gegensatz zu K., die möglicherweise eine höhere Stellung im IS innehatte, gab Linda W. mehrfach an, nie eine Waffe berührt zu haben. Sie habe sich lediglich um den Haushalt sowie die Kinder anderer Frauen gekümmert. Verheiratet war sie mit einem Österreicher, ein IS-Kämpfer mit tschetschenischen Wurzeln. Er starb fünf Monate nach der Hochzeit. Den Reportern sagte Linda W. damals: „Ich weiß nicht, wie ich auf so eine dumme Idee kommen konnte, weil ich hab mir mein Leben damit ruiniert.“

Insgesamt sind deutschen Sicherheitsbehörden zufolge knapp 1000 Menschen aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereist. Zwischen 100 und 150 von ihnen seien dort ums Leben gekommen. Rund 300 seien nach Deutschland zurückgekehrt. Mehr als 15 Prozent von ihnen sind nach Regierungsangaben weiblich.

Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte zuletzt eindringlich vor einer Gefahr durch islamistische Frauen und Kinder gewarnt - insbesondere durch jene, die aus früheren IS-Kampfgebieten zurückkehren. Die Bundesanwaltschaft hatte angekündigt, hart gegen nach Deutschland zurückkehrende Frauen aus IS-Gebieten vorgehen zu wollen, selbst wenn sie nicht für die Terrormiliz gekämpft haben. Allein vier Frauen mit deutschem Bezug sitzen in Bagdad in Haft und wurden dort inzwischen von Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) vernommen. (dpa/SZ)