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Lisbeth Salander macht Schluss

Nach den drei Werken von Stieg Larsson und Lagercrantz' drittem Nachfolge-Krimi ist Schluss für die Millennium-Serie. Sie endet mit einem Knall. Achtung Spoiler.

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Nachdem Noomi Rapace in den ersten drei Teilen die Lisbeth Salander spielte, übernahm Claire Foy die Rolle im Nachfolge-Teil "Verschwörung".
Nachdem Noomi Rapace in den ersten drei Teilen die Lisbeth Salander spielte, übernahm Claire Foy die Rolle im Nachfolge-Teil "Verschwörung". © dpa

Von Steffen Trumpf

Als Stieg Larsson vor seinem Tod 2004 die Millennium-Trilogie verfasste, war die Welt noch eine andere: Kaum jemand hatte Smartphones, es gab keine sozialen Netzwerke und auch sonst war die Technik mit der heutigen nicht zu vergleichen. Trotzdem hackte sich Larssons Romanheldin Lisbeth Salander fleißig in die Schaltzentralen der Macht. 15 Jahre später bringt David Lagercrantz Larssons Serie nun zu einem würdigen Abschluss - und Salander ist längst in der Ära von Fake News und Darknet angekommen.

"Verblendung" (2005), "Verdammnis" (2006), "Vergebung" (2007): Alle drei Larsson-Romane um Salander, den Journalisten Mikael Blomkvist und das Böse in der schwedischen Welt wurden internationale Erfolge. Der schwedische Autor selbst erlebte davon nichts: Er starb 2004 im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Der Stockholmer Lagercrantz wurde schließlich 2013 vom schwedischen Originalverlag Norsteds und unter Zustimmung von Larssons Vater und Bruder auserkoren, die Geschichte weiterzuerzählen. Nicht alle fanden das damals gut in Schweden. Dennoch folgten "Verschwörung" (2015) und "Verfolgung" (2017) - und nun eben "Vernichtung", der sechste und wie von Lagercrantz angekündigt letzte Teil der Millennium-Reihe.

Worum geht es diesmal? Nachdem Salander im letzten Roman im Frauenknast einsaß, ist sie nun auf Rachefeldzug gegen ihre Zwillingsschwester Camilla. "Ich werde die Katze sein und nicht die Ratte", sind die Worte, die Blomkvist von seinem letzten Treffen mit ihr im Gedächtnis geblieben sind. Unheil naht und lässt nicht lange auf sich warten, wenn auch zunächst im fernen Moskau und damit - vorerst - weit von Blomkvist entfernt.

Der Journalist selbst wird derweil von einer Rechtsmedizinerin auf einen seltsamen Todesfall aufmerksam gemacht. Ein offenbar verwirrter Mann wird tot auf einem Platz in Stockholm gefunden. Sein Körper scheint Schreckliches durchlebt zu haben - und ein Geheimnis aufzuweisen: ein Super-Gen. Blomkvists Recherche führt ihn zu einer tödlichen und nicht nur deshalb folgenschweren Expedition auf den Mount Everest.

Mehr Lagercrantz als Larsson

Super-Gen, Expedition auf den Everest? Ersteres klingt mehr nach Dan Brown als nach Larsson oder Lagercrantz, Letzteres lässt einen für einen Moment zur Grönland-Expedition aus Peter Høegs legendärem Werk "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" abschweifen. Trotzdem bleibt "Vernichtung" dank der Verstrickung des Staates in den Fall sowie der Gewalt böser Männer ein echter Millennium-Krimi - das sind schließlich die Dinge, die Blomkvist und Salander so gar nicht mögen.

Was gleich bleibt in der gesamten Reihe, ist diese Wut, dieser Hass, der innerhalb von zwei, drei Worten in Lust und Begierde umschlagen kann. Lagercrantz hat es geschafft, die auf menschlichen Abgründen fußende Millennium-Welt des Stieg Larsson in die Ära von Fake News und Online-Verleumdungskampagnen zu heben. Zwar steckt im dritten Nachfolge-Krimi der Original-Reihe entschieden mehr Lagercrantz als Larsson, aber weiter 100 Prozent Blomkvist und Salander - und das ist es, worauf es dem Leser der Serie schließlich ankommt. Man wird es Lagercrantz deshalb auch nachsehen, dass manches in "Vernichtung" doch stark auf Zufällen aufbaut. Dennoch bleibt die Geschichte glaubhaft - und nicht zuletzt topaktuell.

Für Lagercrantz ist die Geschichte rund um den verheerenden Fall am Mount Everest gleichzeitig eine Art Nach-Hause-Kommen: Nicht nur, weil er Blomkvist und Salander ein gebührendes Ende verpasst, sondern weil er einst mit einem Werk namens "Allein auf dem Everest" über einen schwedischen Bergsteiger debütiert hatte. Für Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist schließt sich ebenfalls ein Kreis. Es ist ein Kreis der Gewalt, der letztlich bei einem ganz bestimmten Namen landet: Zalatschenko.

Wie es mit Serien so ist, verspürt man einen gewissen Abschiedsschmerz, wenn sich die Seiten dem Ende zuneigen, wenn die Geschichte endgültig erzählt ist. Aber es ist gleichzeitig schön, das Schicksal von Charakteren zu erfahren, die einen über Jahre begleitet haben - so furchtbar die Welt um sie herum auch ist. (dpa)