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„Löbau ist meine zweite Heimat“

Musikveranstalter Joseph Thomann über Erfolge mit Schlagerstars, eine Pleite mit Peter Maffay und Konzerte in Bautzen, Görlitz und Hoyerswerda.

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Von Andreas Herrmann

Rock im Park? In der Oberlausitz? Das wagt Joseph Thomann mit dem 1. Park Open Air in Löbau. Dort kommen am nächsten Freitag Milow, danach am Sonnabend Sweet und T. Rex und am Sonntag noch Angelo Kelly samt Family, um den Messepark zu rocken. Warum, mit welchem Risiko und wie er das tut, verrät Joseph Thomann im exklusiven Gespräch mit der „Sächsischen Zeitung“.

Angelo Kelly & Family sind am Sonntag auf der Bühne.
Angelo Kelly & Family sind am Sonntag auf der Bühne. © Chris Bucanac
Am Samstag rocken T. Rex und...
Am Samstag rocken T. Rex und...
... Sweet, danach ist After-Show-Night.
... Sweet, danach ist After-Show-Night.
Joseph Thomann ist Oberfranke durch und durch, aber beschert dem Messepark Löbau jährlich rund ein Dutzend Konzerte.
Joseph Thomann ist Oberfranke durch und durch, aber beschert dem Messepark Löbau jährlich rund ein Dutzend Konzerte. © PR

Herr Thomann, wie wird man eigentlich von Beruf Musikveranstalter?

Sie müssen eines vorab wissen: Ich bin ein geborener Bauernsohn und stamme aus Burgebrach – bin also kein Bayer, sondern Oberfranke. Das heißt: Ich bin da geboren, wohne und bleibe da – bis zum letzten Atemzug. Mit 15 Jahren lernte ich Industriekaufmann, was mir aber nicht gefallen hat – und wurde nach der Ausbildung auch gleich gefeuert. Mit 18 wurde ich dann Personalassistent bei Karstadt in Bamberg, dass hat viel Spaß gemacht, man konnte kreativ sein.

In Ihrer Biografie steht aber noch ein Diplom in Sozialpädagogik?

Ja, studiert habe ich erst mit dreißig, weil ich mein Fachabitur spät gemacht habe, und zwar Lehramt Grundschule. Zuvor hatte ich mit zwanzig plötzlich die Prüfung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst in Bayern bestanden, was nicht viele schaffen, und daher eine Ausbildung beim Finanzamt gemacht – und auch ein Jahr gearbeitet. Das dauerte fünf Jahre – parallel habe ich schon seit der Jugend das Geschäft aufgebaut.

Als Musikveranstalter?

Genau, ich habe schon mit 15 Jahren eigene Veranstaltungen organisiert – bei uns in der Turnhalle. Mit Coverbands, das war damals ein riesiger Markt bei uns, denn es gab ja kaum Rockmusik in guter Qualität im Radio oder im Fernsehen. Aus unserer Gegend stammt zum Beispiel der Schlagzeuger der Spider Murphy Gang – und das komplette J.B.O. Und es gab in jedem Dorf am Wochenende Tanzmusik live.

In dem Alter spielt man doch eher in Bands, oder?

Habe ich auch, ich war ja kein Discogänger, als Rhythmusgitarrist – und habe auch gesungen. Wir haben die Charts hoch und runter gespielt – auch Sweet und Smokie. Unsere Band hieß erst „Polyphem“, danach „Apollo-Group“. Aber auch da habe ich schon Organisation und Marketing gemacht – und ich merkte rasch: Das liegt mir mehr. Ich war dann auch schnell mit federführend in Nordbayern und habe bald vier Leute anstellen müssen: drei Azubis und einen Betriebswirt.

Zum Glück für die Musikerkollegen …

Naja, es war schon oft ein mühsamer Weg, bis das Geschäft aufgebaut war. Man muss da schon auch Fehler machen, um zu lernen und ein paar finanzielle Pleiten wegstecken können – und geht auch manchmal durch die Hölle. Man muss also die Familie hinter sich wissen, auch mal richtig Geld von einem Kumpel leihen – und immer kämpfen!

Haben Sie da eine Episode als Beispiel?

Ich habe Peter Maffay veranstaltet, die Werbung nur auf Sparflamme gefahren und falsch platziert – und richtig Geld verloren. Und dann sollte ich mit Schecks bezahlen – immer bis zur Deckungsgarantie, also elf oder zwölf Stück zu je 300 D-Mark. Danach war ich natürlich blank. Aber man lernt daraus – und der Markt ändert sich ständig. Es ging lokal los, dann überregional, dann deutschlandweit – erst Volksmusik mit Marianne und Michael, dann Schlager mit Wolfgang Petry. Damit war ich sogar irgendwann deutscher Marktführer, denn wir hatten damals über Hundert Veranstaltungen pro Monat – und zwar nur bei Schlagerinterpreten.

Goldene Zeiten?

Nein, ein anderer Markt. Es gab damals viele Diskotheken, die wollten einen kurzen Starauftritt. Die habe ich dann nicht veranstaltet, sondern einfach per Kontakt vermittelt. Für zehn Prozent Provision zum Beispiel. Wenn beispielsweise Nino de Angelo dafür 1800 Mark nahm, blieben 180 bei mir.

Wann war Ihnen klar, dass daraus so eine Art Lebenswerk wird?

Ach, dass mich das immer begeistern wird, war schnell klar – ich lebe doch Musik. Und ich gehe wirklich jeden Tag gern auf Arbeit. Aber als ich dann ganze Tourneen unter eigenem Namen veranstaltet habe, also vor rund 25 Jahren, hat sich das verstetigt: „Musik für Millionen“ oder „Schlager des Jahres“ waren TV-Sendungen, mit denen wir durchs ganze Land tourten.

Und bereuen Sie heute nichts?

Vor rund drei Jahrzehnten veranstalteten wir Tourneen mit den Kastelruther Spatzen, den Zillertaler Schürzenjägern oder Smokie. Das war schon eine große Nummer, die kamen mit mehreren Trucks – da wurde es schon recht unruhig im Ort. Aber damals war ich doch zu brav, mir fehlte der Mut zum ganz großen Risiko und ich habe nur spärliche Deals abgeschlossen und so zwei- bis dreitausend Mark pro Show verdient. Ich hatte es zwar organisiert, aber die große Kohle haben andere abgeschöpft.

Und wie ging es dann weiter?

Dann kamen die Fernsehshows – zum Beispiel „Gaudimax“ mit Gerd Rubenbauer beim Bayrischen Rundfunk. Die gingen danach auf Tournee und brauchten mich. Damals begann auch die Zusammenarbeit mit dem MDR – mit etlichen Kooperationen. So mit Uta Bresan und „Musik für Sie“ oder Bernhard Brink und „Schlager des Jahres“. Da habe mir sogar die Rechte beim MDR gekauft – das wurden erfolgreiche Produktionen.

Und jetzt?

Derzeit pflegen wir eine exklusive Kooperation mit dem Deutschen Musikfernsehen für Tourneen der „Schlager Hitparade“ und „Wiedersehen mit Freunden“ – unter anderen mit Wolfgang Lippert oder Frank Schöbel. Ab 2019 sind wir auch der deutsche Tourveranstalter für „Immer wieder sonntags“ mit Stefan Mross.

Wann und wie kam Ihr Faible für den Osten zustande?

Ich war sicher der Erste hier. Da stand die Mauer noch, da habe ich für bunte Sportsendungen Künstler verpflichtet. Wir sind dann zum Beispiel mit The Winners, die ich unter Vertrag hatte, mit Bus und Polizei nach Ostberlin gefahren – das hatte das DDR-Fernsehen bei mir gebucht. Und mein erstes Konzert danach, dann schon in den „neuen Bundesländern“, war mit den Paldauern in der heutigen Lausitzhalle in Hoyerswerda. Dann gab es aber auch gleich die ersten Probleme – man hatte zwar gebucht, aber kein Geld da. Ich wurde nur bezahlt, wenn das Ergebnis stimmte – dass man Verträge einhalten sollte, musste sich erst einbürgern.

Dann wurde Sachsen zum Freistaat …

Ja – und es ist inzwischen mein bestes Bundesland – das beste im Osten sowieso. Sachsen läuft super! Vor allem Volksmusik und Schlager. Ich kann das gut vergleichen, wenn ich die gleichen Tourneen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt mache – da sind die Zahlen in Sachsen bei Weitem am besten.

Und Bayern?

Bayern ist deutlich schlechter. Bei namhaften Schlagerinterpreten kommen in Sachsen 2 000 Besucher, in Bayern zwischen 1 000 und 1 500.

Und wann entdeckten Sie die Oberlausitz?

Na auch recht zügig. Wir waren in Bautzen in der „Krone“ – das lief nicht so gut. In Bischofswerda waren wir im Kulturhaus, aber das ist nach vielen Pächterwechseln nicht mehr so attraktiv. Auch in der schönen Stadthalle in Görlitz waren wir mehrmals, zuletzt mit den Paldauern. Und mit den legendären Roten Gitarren!

Wie kommen Sie nun aber ausgerechnet nach Löbau?

Es war eine Empfehlung eines guten Bekannten, ich sollte mir doch diese Halle mal anschauen. Ich bin schon während der Landesgartenschau nach Löbau gefahren, habe mich danach mit dem Geschäftsführer, Herrn Birnbaum, getroffen – und wir haben uns sofort blind verstanden. Dann habe ich hier 2013 „Schlager des Jahres“ gebucht – und es hat, auch mit Unterstützung vom MDR-Radio, eingeschlagen wie eine Bombe: zweieinhalbtausend begeisterte Leute. Dann folgten etliche bundesweite Rekorde: Die Kastelruther Spatzen oder Nik P. hatten – denke ich – nirgends mehr Zuschauer als hier! Seither machen wir so 12 bis 14 Konzerte pro Jahr in Löbau.

Und nun das erste Messepark Open Air – ganz ohne Schlager und Volksmusik...

Ja, bei der Jugend wird es schwer. Es ist eine wahnsinnige Herausforderung und ein wahnsinniger Stress. Ich glaube, hier fehlt echt die Dichte an jüngeren Leuten – und so läuft der Verkauf auch recht schleppend an. Und nun gibt doch auch wieder Ältere, die uns anrufen: „Was ist denn, wenn es regnet?“ Oder „Gibt es Sitzplätze?“ Diese Frage ist bei Freiluftfestivals doch recht selten …

Und was ist, wenn es regnet?

Na normalerweise nichts. Es seit denn, es gibt ein echtes Unwetter, dann wird abgebrochen. Aber wir werden wohl – auf Wunsch der Zuschauer – die Bühne in die Halle stellen und Tore weit öffnen. So könnten wir durchaus auch Sitzplätze anbieten. Auch an Rollstuhlfahrer denken wir – es wird also bei Regen keiner nass.

Kommen wir zu Ihrer Künstlerauswahl – was haben Sie sich dabei gedacht?

Wir haben die Bands schon im Oktober und nur für Löbau gebucht. Der Anker war dabei Angelo Kelly, der ist ja mittlerweile in den Charts und in jeder Fernsehsendung. Aber er konnte nur am 12. August – und so war der Termin gesetzt. Dann kam Sweet dazu – mein persönlicher Favorit und in Dresden schon seit Monaten ausverkauft. Die spielen ihr Programm aus 30 Welthits und wir hatten sie schon vor drei Jahren gemeinsam mit Smokie hier – das kam sehr gut an. T. Rex kennt im Osten auch jeder und Milow ist inzwischen ein Weltstar. Für die Jugend haben wir dann Sonnabendnacht noch zwei DJs gebucht, die man ab halb elf auch extra besuchen kann.

Wie viele Leute brauchen Sie denn, damit es sich rechnet?

Na, so rund viereinhalb bis fünftausend Besucher an den drei Tagen. Ich würde es schon gern hier im Messepark etablieren, in Zukunft sicher an einem anderen Wochenende. Vielleicht auch mit anderer Musik – mit Max Giesinger sind wir im Gespräch. Aber es wird kein Selbstläufer, denn gute Künstler im Sommer nach Löbau holen, ist so einfach nicht. Viele wollen schon eher auf die etablierten Festivals oder in die Metropolen.

Was ist, wenn es nicht klappt wie gedacht – bleiben Sie Löbau treu?

Ich habe bei allen Konzerten für jüngeres Publikum hier bislang Geld verloren, aber ich würde es dennoch gern etablieren. Aber auch, wenn es nicht klappt, komme ich gerne wieder – Löbau ist so was wie meine zweite Heimat!