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Hier wohnte Kottmarsdorfs Müller

In der Oberlausitz gibt es Häuser, die viele Menschen kennen – aber nicht deren Geschichte. Die SZ stellt einige vor. Diesmal: Das Müllerhaus.

Von Bernd Dreßler
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So präsentiert sich aktuell die bereits teilsanierte Südwest-Fassade des Kottmarsdorfer Müllerhauses. Das Obergeschoss wurde mit einem sogenannten Oberlausitzer Verschlag aus Lärchenholz versehen.
So präsentiert sich aktuell die bereits teilsanierte Südwest-Fassade des Kottmarsdorfer Müllerhauses. Das Obergeschoss wurde mit einem sogenannten Oberlausitzer Verschlag aus Lärchenholz versehen. © Bernd Dreßler

Wer mit dem Auto auf der S 148 Richtung Löbau fährt, dem fällt kurz vor Kottmarsdorf nicht nur die Bockwindmühle, sondern unmittelbar daneben auch das Müllerhaus auf, das frühere Wohnhaus der Müllerfamilie. In diesem Gebäude sind in den vergangenen rund 25 Jahren Hunderte Besucher ein und aus gegangen. Hier hat der Verein Natur- und Heimatfreunde Kottmarsdorf nicht nur eine Museums-, sondern auch eine Schaubackstube eingerichtet, die an ausgewählten Sonntagen Gäste aus nah und fern magisch mit frischen, knusprigen Backwaren anlockt. Eine Mühle und eine Bäckerei waren schon immer enge Verwandte.

Das Müllerhaus stammt aus dem Jahre 1850, diese Jahreszahl ist am granitenen Türstock gut zu lesen, wenn man das Gebäude durch den Museumseingang betritt. Zu dieser Zeit dürfte es allerdings noch ein kleineres Umgebindehaus gewesen sein. Dafür spricht eine heute von außen nicht mehr sichtbare Blockstube mit Fensterschiebeläden (Ritschel) im Inneren. Dafür spricht aber auch ein kleines zugemauertes Hühnerstallfenster an einer Innenwand, also ein ehemaliges Außenfenster eines kleinen Stallanbaues, das Vereinsmitglieder bei Restaurierungsarbeiten entdeckten.

Anders gesagt: Das Haus hat seine ursprüngliche Form verändert, es ist erheblich vergrößert und aufgestockt worden. Das dürften auch, so glaubten die Heimatfreunde, die zwei Treppenaufgänge belegen, die in die oberen Stockwerke führen. Der langjährige verdienstvolle Löbauer Kreisdenkmalpfleger und Umgebindehausforscher Karl Bernert (1927 bis 2009) hielt bei einer Begehung Ende der 1990er Jahre diese Vermutungen nicht für abwegig.

In der Liste der Kulturdenkmale

Die Umbauten könnten nach 1876 erfolgt sein, denn in jenem Jahr übereignete der bisherige Mühlenbesitzer August Benjamin Zimmermann seine Mühle nebst dazugehörigem Wohnhaus, Scheune (1968 abgebrannt), Fuhrweg vom Dorf zur Mühle, Garten-, Feld-, Busch- und Wiesenparzellen an seinen Schwiegersohn Friedrich Burk, der bereits 1864 Zimmermanns Tochter Friederike Wilhelmine geheiratet hatte. Entstanden ist ein stattliches Bauernhaus mit Stallgewölbe (heute Schaubackstube), geräumigen zimmerreichen Obergeschoss (heute überwiegend Museumsbereich) und einem großflächigen Bodengelass im Dachgeschoss. Das Haus steht in der Größenklassifizierung der Umgebindebauten weit oben. Die Liste der Kulturdenkmale des Landkreises Görlitz bezeichnet es als „breitgelagertes, zweigeschossigen Wohnstallhaus mit Krüppelwalmdach“.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb das Gebäude Wohnhaus der Müllerfamilie. Allerdings lebte da nur noch Lina Burk, die Witwe des letzten Müllers Richard Burk, der die Windmühle in dritter Generation betrieben hatte. Richard Burk war 1943 erst 46-Jährig an einem Herzleiden verstorben, die beiden Söhne fielen im selben Jahr bei Stalingrad. Allein in dem großen Haus nahm die Müllerwitwe nach 1945 Flüchtlingsfamilien auf, darunter einen Kleinbauern, der etwas Feld und Wiese bewirtschaftete. Nach dem Tod von Lina Burk Ende der 1960er Jahre ging das Gebäude in den Besitz der damals noch eigenständigen Gemeinde Kottmarsdorf über. Mitte der 1990er Jahre begann die Nutzung durch die Natur- und Heimatfreunde.

Als im Vorjahr im Auftrag der Gemeinde Kottmar eine komplette Außensanierung des Gebäudes in Angriff genommen wurde, offenbarten sich beim Abriss der alten Holzverschalung des Obergeschosses allerdings Baufehler, die bei einer dringend nötigen Instandsetzung des Hauses vor rund 30 Jahren begangen wurden. Sie verzögern und verteuern nun das gegenwärtige Bauvorhaben, das eigentlich 2020 abgeschlossen sein sollte. Beendet sind dagegen notwendige Innenarbeiten im Erdgeschoss, so dass der dortige Gästebereich mit dem Stallgewölbe der Schaubackstube wieder nutzbar ist und Besucher begrüßt werden können. Allerdings nur, wenn es die Corona-Einschränkungen zulassen. Der Verein Natur- und Heimatfreunde hofft darauf, dass das möglichst bald der Fall ist, denn die magische Anziehungskraft des Kottmarsdorfer Müllerhauses darf nicht verloren gehen. Nicht von ungefähr sprechen Denkmalpfleger von einem „Zeugnis für die historische Lebens- und Arbeitsweise des Dorfmüllers“.

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