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Das war die Wunderwelt des Einkochens

Wie Obst, Gemüse, Pilze und Fleisch konserviert wurden, als es noch keine Kühltruhen gab.

Von Bernd Dreßler
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Als das Einkochen Hochkonjunktur hatte: Im August 1954 zeigte eine Hausfrau, mit welcher Gartenvielfalt sie gleich den Einkochtopf befüllen wird.
Als das Einkochen Hochkonjunktur hatte: Im August 1954 zeigte eine Hausfrau, mit welcher Gartenvielfalt sie gleich den Einkochtopf befüllen wird. © SZ/Stache, Bundesarchiv, privat

In Bellwitz türmten sie sich im Juli 1993 in einem Restpostenmarkt – wie auf einer Müllhalde – ungebrauchte Einkochtöpfe aus der DDR. Niemand mehr wollte sie haben, dabei standen sie lange hoch im Kurs. Denn in diese Töpfe kamen sie hinein, die mit Obst, Gemüse, Pilzen oder Fleisch gefüllten Einweckgläser. Zuvor waren sie mit Gummiring, Deckel und Metallbügel verschlossen worden. Dann wurden die Gläser im Wasserbad des Einkochtopfes bis zu einer bestimmten Temperatur luftdicht sterilisiert. So ging es vor sich, das Haltbarmachen und Bevorraten von Lebensmitteln, bevor die Tiefkühltruhen Einzug hielten. Im Westen war das bereits in den 1960er Jahren der Fall, in der DDR später, weil die Technisierung der Haushalte nicht so weit fortgeschritten war.

Da wundert es nicht, dass der Verlag für die Frau Leipzig noch in den 1980er Jahren ein Heft zum Thema Einkochen herausgab. Es war die perfekte Einweisung für Hausfrauen (und auch Hausmänner) in die althergebrachte Lebensmittelkonservierung. Detailreich wurde hier das Einkochen im Einkochapparat (sprich Einkochtopf mit Thermometer), das Vorbereiten von Gläsern und Ringen, aber auch das Vorbereiten der verschiedensten Gartenfrüchte beschrieben, damit sie bestmöglich haltbar blieben.

Zum Beispiel sollten Birnen nach dem Reifegrad sortiert werden, damit sich später nicht hartes und weiches Obst in einem Glas befinden. Es gab zudem Empfehlungen für die in die Gläser zu gebende Wasser- und Zuckermenge. Wohl unschlagbar war eine Einkochtabelle, die für diverses Obst von A wie Apfelmus bis S wie Stachelbeeren die Einkochzeit und die erforderliche Temperatur auflistete und vermerkte, dass bei verschiedenen Gemüsesorten wie Blumenkohl, Erbsen oder Tomaten nach 48 Stunden ein zweiter Einkochvorgang nötig war.

Mit diesem Vorrat an Obst und Gemüse, in Gläsern konserviert, konnte der Winter kommen.
Mit diesem Vorrat an Obst und Gemüse, in Gläsern konserviert, konnte der Winter kommen. © SZ/Stache, Bundesarchiv, privat
Einkochtöpfe stapelten sich vor nahezu 30 Jahren auf dem Gelände eines Restpostenmarktes in Bellwitz. In den Topfdeckeln sind die Einschuböffnungen für die Thermometer zu erkennen.
Einkochtöpfe stapelten sich vor nahezu 30 Jahren auf dem Gelände eines Restpostenmarktes in Bellwitz. In den Topfdeckeln sind die Einschuböffnungen für die Thermometer zu erkennen. © SZ/Stache, Bundesarchiv, privat
Mit Hermekon-Einkochtropfen kann man schnell, sicher, sparsam und hygienisch einwandfrei konservieren, hieß es 1960. Die Tropfen sind heute noch online beziehbar, so über das Kaufhaus des Ostens.
Mit Hermekon-Einkochtropfen kann man schnell, sicher, sparsam und hygienisch einwandfrei konservieren, hieß es 1960. Die Tropfen sind heute noch online beziehbar, so über das Kaufhaus des Ostens. © Repros: SZ

Es gab auch Einkochmethoden ohne Topf. Viele werden sich noch an die Hermekon- bzw. Blitz-Einkochtropfen erinnern, die besonders bei Obst zum Einsatz kamen. Einige Tropfen wurden auf die Innenseite des Deckels geträufelt und dann angezündet. Danach musste der Deckel sofort auf den auf dem Einweckglas liegenden nassen Gummiring gedrückt werden. Bereits nach Sekunden war das Glas dicht. Diese Art des schnellen Konservierens wurde Zubrennen genannt. Möglich war außerdem das Einwecken von Obst, Gurken und marinierter Paprika mit einem Dampfschließgerät. Dabei wurde über ein Schlauchmundstück ein Pfeifkessel zum Wasserkochen mit dem Einkochglas verbunden.

Einkochen und Einwecken ist dasselbe

Wenn vom Einkochen die Rede ist, taucht oft auch der Begriff „Einwecken“ auf. Falls das jemanden irritieren sollte: Beides ist dasselbe. Einwecken geht auf einen gewissen Johann Carl Weck aus dem badischen Öflingen zurück, der sich Ende des 19. Jahrhunderts das Alleinvertretungsrecht an Gläsern und Einkochgeräten sicherte. Gläser dieser Art und weiteres Einkochzubehör wurden noch in den 1960er und 1970er Jahren oft vom Handel beworben, wenngleich in der DDR der Name Weck vermieden wurde. Die HO-Industriewarenverkaufsstellen des Kreises Zittau empfahlen zum Beispiel im Juli 1961 Rillengläser in sieben verschiedenen Größen, außerdem Ersatzdeckel und Rillenglasbügel. Rillengläser waren die mit der Lasche am Gummiring. Zog man daran, war das Konservenglas geöffnet. Für Inkogläser dagegen, die das Konsum-Landwarenhaus Olbersdorf in seiner Woche „Alles für das Land“ auf Lager hatte, war ein Öffner nötig. Fündig in Sachen Einkochbedarf wurde man auch und gerade auf dem Neugersdorfer Jacobimarkt.

Und heute? Hat der Einzug der Tiefkühltechnik in den Haushalten das Einkochen völlig abgelöst? Nicht ganz. „Nicht alles kann man einfrosten“, sagt eine erfahrene Hausfrau und Köchin aus Ebersbach und nennt als Beispiel Bohnen, die roh in die Einkochgläser, gefüllt mit Wasser und Bohnenkraut und einem Schuss Essig, gegeben werden. Daher führen bis heute einige Haushaltwarengeschäfte nach wie vor einen gewissen Einkochbedarf. Nur die althergebrachten Einkochtöpfe wird man kaum noch finden. Mancher wäre vielleicht froh, wenn er einen von denen, die vor fast 30 Jahren in Bellwitz auf Halde lagen, sein Eigen nennen könnte.

Aus der Einkochtabelle

  • Obst Birnen: 30 Minuten, 90 Grad Erdbeeren: 20 Minuten, 80 Grad Kirschen/Pflaumen: 30 Minuten, 85 Grad
  • Gemüse Blumenkohl: 60 Minuten, 100 Grad Erbsen: 60 Minuten, 100 Grad Tomaten: 40 Minuten, 100 Grad(Bei den genannten Gemüsesorten war nach zwei Tagen ein weiterer Einkochvorgang mit denselben Temperaturen, aber halber Zeit nötig.)

Quelle: „Einkochen-Entsaften-Einfrieren“ Verlag für die Frau Leipzig, um 1980