Hausbesitzer lassen (fast) Hunderte Löbauer frieren

Thomas Liebold läuft es vor Wut eiskalt den Rücken runter, wenn er an diese Sätze denkt, die tagelang unten an seiner Haustür standen: "Ihr Vermieter befindet sich in Zahlungsverzug. Wir werden deshalb am 25.04.2022 ab 8 Uhr die Fernwärmeversorgung einstellen." Absender der Information, die an den Haustüren in der Daimlerstraße 11, 13, 15, 17 und 19 hängt, sind die Stadtwerke Löbau. Am Dienstag nach Ostern sah sich der Wärme-Versorger zu diesem Schritt "aufgrund nicht unwesentlicher Außenstände des Eigentümers" gezwungen, sagt Stadtwerke-Geschäftsführerin Jana Otto der SZ. Sie bestätigt auch: Es ist nicht das erste Mal, dass es mit diesem Vermieter solche Probleme gebe.
Liebold, der in der Hausnummer 13 wohnt, schüttelt beim Blick auf den Zettel grimmig den Kopf. Einiges hat er erlebt in den vergangenen Wochen, aber dass es so weit kommen musste, macht ihn wütend. Er ist nun - gemeinsam mit mehreren Bewohnern der betroffenen Hauseingänge - auf der Suche nach einer Lösung. Wie schwierig das jedoch ist, zeigt ein genauer Blick auf diese unglaubliche Geschichte um Immobiliengeschäfte und Hausverkäufe in Löbau, deren Spuren ins Ausland führen.
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Der mittelste Neubaublock im Karree Daimler- und Siemensstraße fiel schon immer aus dem Rahmen. Nach der Wende blieb er längere Zeit im Besitz des Bundes und wurde erst spät an eine Familie aus Bayern verkauft, während die Häuser ringsherum die Wohnungsgenossenschaft in der Oberlausitz (WGO) besitzt. Die Bayern hielten den Neubaublock mit den fünf Eingängen eine Weile, verkauften dann an die IF-Gruppe im sächsischen Freiberg, die später die Wohnungen sanierte. Vor knapp zwei Jahren trat dann der jetzige Besitzer auf den Plan: die Elron Löbau GmbH & Co. KG mit Sitz in Berlin. Sie kaufte den Block von den Freibergern und brachte als Dienstleister für die Mieter die Prime-Gruppe mit, die ebenfalls in Berlin ansässig ist.
Jobcentergerechte Mieten und Einbauküche
Die Prime-Gruppe war es wohl auch, die nach SZ-Informationen wieder Menschen in den nach der Sanierung eher spärlich besetzten Block brachte: mit Angeboten wie "jobcentergerechte Mieten" und "mit neuer Einbauküche". Der Plan gelang, die Häuser füllten sich. Alles lief - mit Abstrichen - bis Januar dieses Jahres.
Da kündigte die Elron GmbH den Vertrag mit der Prime mit sofortiger Wirkung. Diesen Fakt bestätigte die Prime-Gruppe auf Anfrage. Man habe für Löbau keine Handlungsbefugnisse mehr und könne nichts tun, hieß es am Telefon. Seitdem herrscht in Löbau Chaos. "Seit drei, vier Wochen ziehen verstärkt Mieter aus", bestätigt Mieterin Jenny Meißner, die zu denen gehört, die jetzt das Ruder in die Hand genommen haben. Mindestens acht Mietparteien seien schon in der ersten Woche weg - bei fünf Etagen mit je zwei Wohnungen fast ein ganzer Hauseingang. Der Vermieter kümmert sich darum nicht: "Eine Bekannte ist Mitte März ausgezogen und hat noch immer den Schlüssel, weil es niemanden gibt, der ihn abnimmt", erzählt eine Mieterin.
Ohne Ansprechpartner sind auch die Stadtwerke. "Erreichbar ist der Eigentümer für uns lediglich auf dem Postweg", bestätigt die Stadtwerke-Chefin. Mehrfach habe man gemahnt, am 11. April eine Sperrung der Fernwärme angekündigt. "Diese wurde von der Elron Löbau GmbH & Co. KG ebenso ignoriert wie unsere vorhergehende Aufforderung zur Umstellung auf Vorauskasse", sagt Otto. Dies sei ein Mittel, um bei "regelmäßig auftretendem Zahlungsverzug" das Schlimmste zu verhindern. Aber, warum reagiert das Unternehmen nicht? Warum findet man weder eine funktionierende Telefonnummer noch eine Mailadresse für eine Kontaktaufnahme - wie die SZ bei Recherchen feststellte? Wer steckt eigentlich dahinter?
Zwei Israeli lenken die Elron-Geschäfte
Alle Spuren führen nach Israel in die Region zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Dort sind der Geschäftsmann Elad Kahana und der Anwalt Yaron Rosenbaum beheimatet. Beide sind Anfang 50 und verfügen nach eigenen Angaben "über profundes Erfahrungswissen aus zahlreichen Bauvorhaben in mehreren europäischen Ländern sowie in Kanada und Israel". Seit etwa 2010 hat das Duo vor allem den Berliner Immobilienmarkt im Visier.
Die beiden Israeli steuern eine Vielzahl von Firmen, die jeweils für diverse Immobilienprojekte gegründet worden sind. Alle so gesponnenen Fäden laufen in einem Unternehmen zusammen mit dem unscheinbaren Titel Karo Consulting GmbH. Karo steht für Ka(hana) und Ro(senbaum). Sitz dieser Beratungsfirma ist das ehemalige Osram-Glühlampenwerk in Berlin Charlottenburg, das längst zu einem Büro- und Geschäftshaus umgebaut worden ist.
Dort hat auch die Anfang 2019 gegründete Elron Löbau GmbH & Co. KG einen Briefkasten. Sie ist neben vielen anderen eine dieser Projektfirmen. Als Kommanditgesellschaft sammelt sie das Geld von Anlegern, mit dem dann das potenzielle Bauvorhaben finanziert werden soll. Diese Investoren sind im Fall der Elron Löbau von zwei ebenfalls in Tel Aviv ansässigen Investmentberatern organisiert worden. Sie haben so 27 Kommanditisten aufgetrieben. Alle sind Israeli, einige davon leben in London und in den USA. Sollte das Bauprojekt schiefgehen, haften sie mit der Höhe ihrer Einlage. Allerdings halten sich die bisherigen Investitionen der Anleger in Grenzen, meist sind es nur um die 100 Euro. Das deutet darauf hin, dass Kahana und Rosenbaum offenbar noch gar nicht wissen, was sie aus ihrem Löbauer Objekt genau machen wollen. Das Sagen in einer GmbH & Co. KG hat die GmbH. Im Fall der Löbauer Projektfirma ist das die Elron Holdings GmbH. Und die gehört letztendlich wieder Kahana und Rosenbaum.
Probleme mit Bauprojekten in Berlin
Die beiden stemmen beziehungsweise stemmten nach SZ-Informationen mindestens sieben große Bauprojekte allein in Berlin. Zumindest eines davon ging schief: Kahana musste 2017 für ein Vorhaben am Volkspark Friedrichshain Insolvenz anmelden. Auch beim Bauträgerprojekt "Anton & Charlotte" in Weißensee gab es Ärger mit den späteren Besitzern der Eigentumswohnungen wegen angeblicher Baumängel und nicht eingehaltener Qualitätsversprechen. Ein Insider berichtet zudem, dass Zahlungsverzögerungen - egal, ob bei Handwerkern oder Versorgungsunternehmen - nicht nur in Löbau, sondern bei allen Immobilien der Israeli üblich waren. So weit, dass die Wärmeversorgung abgestellt wurde, sei es aber noch nie gekommen.
Für die Mieter, die in Löbau mit Säuglingen und kleinen Kindern leben und oft nicht mal einfach so eine neue Mietkaution aus dem Ärmel schütteln können, ist die Lage verheerend. Deshalb recherchieren und sammeln sie alles, was ihnen zum Recht verhelfen könnte. Mit einer Liste von Unterschriften will Jenny Meißner demnächst die Stadtwerke um eine direkte Lösung für die Betriebskosten bitten. Ob das klappt, ist unklar: "Eine Differenzierung der Verbräuche innerhalb der Immobilie oder gar eine teilweise Versorgung einzelner Wohnungen ist technisch nicht gegeben", erklärt die Stadtwerke-Chefin auf SZ-Nachfrage.
Update, 23. April, 7 Uhr: Wie Hausbewohner aus der Daimlerstraße und die Stadtwerke Löbau informierten, ist die Sperrung der Fernwärme in letzter Minute abgewendet worden. Am Freitag "konnte ein Zahlungseingang über einen Teil der Außenstände verzeichnet werden", teilte Stadtwerke-Geschäftsführerin Jana Otto mit. Sie geht davon aus, dass "unsere vielfältigen Bemühungen, Verantwortliche beziehungsweise Entscheider in dem recht undurchdringlichen Firmengeflecht, zu dem auch die Elron Löbau GmbH & Co. KG gehört, zu kontaktieren, zu einem – wenn auch vorübergehenden – Erfolg" geführt haben.