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9-Euro-Ticket: Gut - aber weit entfernt vom Idealzustand

Der Fahrgastverband "Pro Bahn" sieht auch zwischen Löbau, Zittau und Görlitz große Akzeptanz für das Ticket - aber auch noch große Lücken in der Bahn-Versorgung.

Von Markus van Appeldorn
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Das 9-Euro-Ticket hat auch beim Trilex zu einem spürbaren Fahrgastplus geführt.
Das 9-Euro-Ticket hat auch beim Trilex zu einem spürbaren Fahrgastplus geführt. © Rafael Sampedro

Das 9-Euro-Ticket hat sich seit seinem ersten Gültigkeitstag am 1. Juni bundesweit als voller Erfolg erwiesen - jedenfalls sofern es die Nachfrage betrifft. In der Realität traf diese Nachfrage auf überfüllte Züge und Fahrgäste blieben an Bahnhöfen zurück. Wie sieht der Fahrgastverband "Pro Bahn" die aktuelle Situation zwischen Löbau, Zittau und Görlitz nach dem ersten Monat des Tickets?

"Zunächst einmal ist es positiv, dass das Angebot sowohl im Pendler- als auch im Freizeitverkehr rege genutzt wird", sagt Moritz Filter vom "Pro Bahn"-Landesverband Mitteldeutschland auf SZ-Anfrage. Man sehe, dass durch das Ticketangebot neue Nutzer für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) gewonnen werden, die diesen aus unterschiedlichen Gründen vorher nicht genutzt haben. "Im Busverkehr sehen wir dagegen keine so deutlichen Nachfragesteigerungen", sagt Filter.

"Wenig belastbares System"

Konkrete Zahlen über Fahrgastzuwachs und auf welchen Strecken liegen dem Verein bisher nicht vor. "Unser Eindruck ist jedoch, dass insbesondere die Züge auf den Hauptstrecken Cottbus-Görlitz-Zittau, Zittau-Dresden sowie Görlitz-Dresden deutlich stärker nachgefragt werden", so Filter. Und ja: "Überfüllte Züge gab und gibt es insbesondere an den Wochenenden. Leider stehen einer derartigen Nachfragesteigerung durch ein solches Aktionsangebot keine nennenswerten zusätzlichen Fahrzeug- und Personalkapazitäten gegenüber, wie diese begleitend eigentlich erforderlich gewesen wären." Die Länderbahn (Trilex) setze immerhin zwei zusätzliche Triebwagen ein.

Aber manche Engpässe sieht "Pro Bahn" auch als systemimmanent an. "Wenn dann noch unvorhergesehene Störungen eintreten, wie der immer noch andauernde Zugausfall auf der Neißetalbahn, bei dem es über drei Tage bis zur Einrichtung eines (schlecht funktionierenden) SEV gedauert hat, sieht man, wie wenig belastbar das System ist und dass es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt", sagt Filter. Nach einem Kabeldiebstahl an der Neißebrücke in Hirschfelde ist der Betrieb der RB 65 bis heute eingestellt - die Störung dauert voraussichtlich bis Ende September.

Pendlerticket laut "Pro Bahn" noch viel zu teuer

Insgesamt aber schaut der Fahrgastverband mit einem guten Gefühl auf den Erfolg des 9-Euro-Tickets. "Die verstärkte Nutzung des bestehenden ÖPNV-Angebotes zeigt, dass die Menschen offenbar bereit sind umzusteigen, sofern es ein attraktives Angebot zu einem attraktiven Preis gibt", sagt Filter. Überfüllte Züge und fehlende Kapazitäten zeigten auf, an welchen Stellen es nötig sei, die Angebote auszubauen - sei es durch eine höhere Taktung - "Pro Bahn" fordert einen durchgehenden Stundentakt für alle RE- und RB-Linien -, Kapazitätsausweitungen (etwa durch den Einsatz von Doppelstockzügen) oder auch die Reaktivierung von Linien (Löbau-Zittau, Löbau-Ebersbach), um Entlastung und Ausweichmöglichkeiten zu schaffen.

"Der zweite Schlüssel für eine dauerhaft größere Akzeptanz - auch das zeigt die Aktion - ist ein leistbares Angebot", sagt Filter. Ein einfaches Beispiel zeige, dass Ostsachsen hier noch sehr weit entfernt ist: So zahle der Pendler zwischen Zittau und Dresden im Abo jährlich mehr als 3.000 Euro für sein Ticket. Eine VBB-Gesamtnetzkarte in der Nachbarregion Berlin-Brandenburg dagegen gibt's bereits für etwas mehr als 2.000 Euro. Und für etwas mehr als 1.000 Euro pro Jahr kann man seit einiger Zeit mit dem Klimaticket durch ganz Österreich pendeln.

"Damit das 9-Euro-Ticket keine Eintagsfliege bleibt, sind insbesondere Bundes- und Landespolitik gefragt, die Weichen zu stellen und die infrastrukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen für ein deutlich besseres ÖPNV-Angebot zu schaffen", so Moritz Filter. Auf regionaler Ebene sollte das in Teilen eingeführte oder noch einzuführende Plus-/Taktbusnetz, das durch die Vertaktung und Verknüpfung mit dem SPNV-Angebot einen echten Mehrwert für die Fahrgäste bringt, noch deutlich stärker beworben werden.