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Wenn im Blackout-Chaos nur noch ein Kochbuch hilft

Der AfD-Abgeordnete Kumpf will wissen, wie der Landkreis Görlitz auf einen Stromausfall vorbereitet ist. Das Ministerium empfiehlt ein Kochbuch.

Von Markus van Appeldorn
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Bei einem flächendeckenden Blackout wird der Mann auf der Leiter nicht mehr so rasch helfen können.
Bei einem flächendeckenden Blackout wird der Mann auf der Leiter nicht mehr so rasch helfen können. © Roland Halkasch

Strom weg, Licht aus, alle elektrischen Geräte quittieren den Dienst, die Heizung bleibt kalt und die Wasserversorgung bricht auch ganz schnell zusammen - Horrorszenario "Blackout". Gerade wegen der Energiewende stellt sich vielen Experten nicht mehr die Frage, ob es zu einem großflächigen Stromausfall kommen wird, sondern wann. Der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Kumpf wollte von der Staatsregierung wissen, wie der Landkreis Görlitz auf ein solches Szenario vorbereitet ist. Die Antwort wird ihm teils verwehrt - und wirkt teils ein bisschen hilflos.

"Die Transformation der Stromversorgung hin zu einer dezentralen volatilen Erzeugung bei gleichzeitiger Abschaltung steuerbarer fossiler und nuklearer Großkraftwerke stellt für die Versorgungssicherheit eine enorme Herausforderung dar", stellt Kumpf seiner Kleinen Anfrage in gedrechselter Techniksprache voran. "Volatil" bedeutet "schwankend" - dass man also bei Wind- und Solar-Energie schlecht planen kann, wieviel davon gerade erzeugt wird, weil man davon abhängig ist, wie gerade der Wind weht oder die Sonne scheint.

Der Energie-Ausstoß herkömmlicher Kraftwerke lässt sich dagegen je nach Bedarf leicht hoch- oder herunterregeln. Einfach gesagt: Je mehr Strom man braucht, desto mehr Feuer macht man. Derzeit lägen zu solch einem Systemwechsel keine Erfahrungen vor, so Kumpf. Zudem ließen externe Bedrohungen wie Extremwetterereignisse oder Cyber-Angriffe das Szenario eines flächendeckenden und langanhaltenden Stromausfalls verstärkt in den Bereich des Möglichen rücken. Im Falle eines Blackouts käme auch die öffentliche Wasserversorgung weitgehend zum Erliegen. "Von allen überlebenswichtigen Gütern ist Wasser das Unentbehrlichste", schreibt Kumpf.

Der geheime Teil des Plans

Unter anderem will der Abgeordnete wissen: "Wie stellt der Landkreis im Falle eines flächendeckenden und langandauernden Stromausfalls die Kommunikation zur Wohnbevölkerung her und welche Krisenstrategie greift in einem solchen Fall?" Dabei bittet er um die Aushändigung etwaiger Dokumente. "Der Landkreis hat einen besonderen Alarm- und Einsatzplan Energiesicherstellung "Blackout-Planung" erstellt, in dem die Stufen und Maßnahmen definiert werden", lässt ihn das Staatsministerium für Energie und Umwelt wissen. Viel mehr darf Kumpf aber schon nicht wissen. "Da sich in diesem Plan alle Daten von Einrichtungen, Unternehmen oder sonstigen Dritten befinden und deren Kontaktdaten, kann dieser besondere Alarm- und Einsatzplan aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht ausgehändigt werden", heißt es.

Einer Beantwortung stünden "Rechte Dritter" nach dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen. Eine Nachfrage bei diesen betroffenen Dritten bezüglich eines Verzichts auf zustehende Rechte scheide aufgrund der hohen hinterlegten Datenmengen aus, teilt das Ministerium mit. Die Staatsregierung sei sich der herausgehobenen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts bewusst. Allerdings sei dieses Fragerecht nicht schrankenlos. "Die erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse des Abgeordneten an der Beantwortung seiner Frage und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des vorgenannten Personenkreises fällt zugunsten des Grundrechts aus", heißt es.

Wohl dem, der ein batteriebetriebenes Radio hat

Ein paar Details nennt das Ministerium dann doch. "Die Kommunikation zur Bevölkerung (ausschließlich Hörfunk: hier Warn- und Verhaltenshinweise) als Teil der Krisenstrategie kann flächendeckend über das satellitengestützte System von Bund und Ländern erfolgen, was auch dem Landkreis Görlitz zur Nutzung zur Verfügung steht", heißt es. Dazu speisen zur frühzeitigen Warnung vor drohenden Gefahren die unteren Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörden wichtige Informationen über die integrierten Regionalleitstellen ein, die eine Schnittstellenfunktion innehaben. Via Satellit erfolge dann eine Information an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - hier den MDR.

"Neben vorhandenen technischen Möglichkeiten zur räumlich begrenzten Warnung (Sirenen und Lautsprecherwagen) besteht kein anderweitiges flächendeckendes und netzstromunabhängiges Informationssystem im Landkreis", teilt das Ministerium mit. Die Bevölkerung könne insoweit vorhanden und betriebsbereit, mittels Radio (Betrieb mittels Notstrom/Batterien oder Autoradio) diese Informationen empfangen. Das sähen auch die Planungsgrundlagen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zur Krisenkommunikation mit der Bevölkerung im Blackout-Fall vor. Das einzige weitere stromunabhängige Endgerät mit erheblichem Potenzial zur Information und Warnung der Bevölkerung sei eine batteriegepufferte Sirene mit Durchsagefunktion. "Darüber hinaus ist im Landkreis in den ersten Stunden die Information über Lautsprecherwagen geplant", so das Ministerium.

Nach 24 Stunden beginnt das Chaos

Kumpf will auch wissen, von welcher Eintrittswahrscheinlichkeit eines "Blackout" die Landkreisverwaltung in den nächsten zehn Jahren ausgehe und welche konkreten Vorsorgemaßnahmen in den letzten zehn Jahren ergriffen worden seien. Das Ministerium antwortet darauf, dass der Eintritt eines Blackouts nicht vorhersehbar sei und die Eintrittswahrscheinlichkeit sich somit nicht berechnen lasse. Das Ministerium skizziert aber die Folgen eines Stromausfalls je nach Dauer.

So fielen bei einem Stromausfall von bis zu zwei Stunden Telefone und eventuell auch der Mobilfunk aus, ebenso, Straßenbahnen. Nach spätestens acht Stunden ginge die Trinkwasserverteilung in die Knie und es käme zu Problemen in Dialysezentren. Nach bis zu 24 Stunden fielen die Wasserwerke und die Basisstationen des Behördenfunks (etwa Feuerwehr) aus, Zustände in Pflegeeinrichtungen verschlechterten sich. Für diesen Fall sei eine Aufrüstung von Gerätehäusern der Feuerwehren als "Leuchttürme" für die Wohnbevölkerung geplant. Diese Anlaufstationen seien mit Betriebsmitteln (unter anderem Treibstoff) zu versorgen, wozu das Logistikkonzept "Berechtigungskarten" beziehungsweise "Lebensmittelbezugsscheine" für die Aus- und Abgabe von Ressourcen vorsehe. Für Stromausfälle von mehr als 24 Stunden schreibt das Ministerium: "Lebensmittelversorgung wird kritisch, Notstromaggregate in Krankenhäusern fallen aufgrund fehlenden Kraftstoffs aus, Alarmierungsnetz fällt aus" - der Beginn eines Chaos.

Dem freilich sei die Bevölkerung nicht schutzlos ausgeliefert. "Bundesweit wuchs in den vergangenen Jahren die Anzahl der Bestrebungen und Maßnahmen zur Ausbildung eines Risikobewusstseins der Bevölkerung", so das Ministerium. Dies konzentrierte sich auf den Ansatz der Information und Aufklärung der Bevölkerung zur Eigenvorsorge/Selbsthilfe eines jeden Einzelnen, zum Beispiel durch Bevorratung. Ergänzend legt das Ministerium die Verwendung des Notfallkochbuches "Kochen ohne Strom" des BBK ans Herz. Das Werk enthält die "50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall" und ist seit September 2021 für 9,99 Euro im Buchhandel erhältlich.