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Die Wirtin der Fichtelschänke probt den Aufstand

Auf 2G reagiert eine Wirtin in Friedersdorf mit einer 4G-Regel. Sie will keine gesunden Menschen diskriminieren. Das sorgt für reichlich Gesprächsstoff.

Von Holger Gutte
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Gastwirtin Grit Adler vor ihrer Fichtelschänke in Friedersdorf bei Neusalza-Spremberg.
Gastwirtin Grit Adler vor ihrer Fichtelschänke in Friedersdorf bei Neusalza-Spremberg. © Matthias Weber/photoweber.de

Grit Adler weiß, dass sie anecken wird. Und trotzdem will die Gastwirtin der Fichtelschänke in Friedersdorf die 2G-Regel nicht mitmachen. Sie findet sie absurd und macht das klar mit einem Aushang an der Eingangstür deutlich. Bei ihr gilt 4G. "Jeder ist bei uns herzlich willkommen! Ob geimpft, getestet, genesen oder gesund. Wir diskriminieren keine gesunden Menschen", steht auf dem Informationsblatt an der Tür. Das vierte G steht für "gesund".

"Ich habe einen ungeimpften Mitarbeiter, der sich regelmäßig testet. An seinem Arbeitsplatz gilt die 3G-Regel. Will er aber jetzt nach Feierabend auch mal Gast sein und hier ein Bier trinken oder etwas essen, darf er das nicht mehr", sagt sie. Wie soll man das erklären? "Das ist wie: Arbeiten geht, Spaß ist gestrichen", fügt Grit Adler hinzu.

Das Informationsblatt für 4G an der Tür der Fichtelschänke in Friedersdorf.
Das Informationsblatt für 4G an der Tür der Fichtelschänke in Friedersdorf. © Matthias Weber/photoweber.de

Die Wirtin ist keine Corona-Leugnerin. Sie kennt Leute, die Corona hatten, auch welche, die es schwer erwischte. Aber sie kennt ebenso Leute, denen eine Influenza-Grippe schwer zusetzte, als Corona noch kein Thema war.

In der Fichtelschänke werden die Gäste darauf hingewiesen, die Abstandsregeln einzuhalten. Aber sie sollen auch Eigenverantwortung übernehmen und sich weitgehend selber vor dem Coronavirus schützen. "Die Gäste zu kontrollieren, bin ich gesetzlich nach Datenschutz nicht befugt. Mir Impfausweise oder andere Dokumente zeigen zu lassen, die den Gesundheitsstatus widerspiegeln, steht mir nicht zu", sagt sie. "Für mich kann ein aktuell getesteter Gast gesünder sein, als einer, der sich hat vor einem halben Jahr impfen lassen", erklärt die Wirtin. Ihrer Meinung nach sollten auch Leute, die genügend Antikörper haben, nicht unter die 2G-Regel fallen.

Bestellungen brechen reihenweise weg

Angesichts der vielen Impfdurchbrüche fühlt sie sich in ihrer Meinung bestätigt. Wie die 2G-Regel die Gesellschaft spaltet, erlebt sie eigenen Aussagen zufolge immer mehr. Weil jetzt Familien bei Feiern ungeimpfte Angehörige ausgrenzen sollen, werden in der Fichtelschänke Feiern reihenweise abgesagt.

Seit 2G gilt, sind Grit Adler 80 Prozent der Familienfeiern weggebrochen, bei den Betriebsfeiern fast alle. Und das gerade zum Weihnachtsgeschäft. Grit Adler wirft der Regierung ein völlig strukturloses Handeln vor. Ständig rufen Leute bei ihr an, weil sie sich nicht mehr in die Corona-Maßnahmen reinfinden, weil es ständig Änderungen gibt.

"Für mich ist die 2G-Regel ein ohnmächtiger Versuch der Regierung, einen Impfzwang zu erreichen und um die Corona-Überbrückungsgelder, wie es sie 2020 und bis Mai 2021 gab, nicht mehr zahlen zu müssen. Mit 2G können ja die Gaststätten aufmachen", so Grit Adler.

Die Fichtelschänke hat viele Familien als Stammkunden. An vier Feiern, wie sonst zwischen Freitag und Sonntag üblich, ist nicht mehr zu denken. "Mit 2G bricht mir jedes Wochenende 3.000 Euro Umsatz weg. Das ist ein Kostenfaktor für einen Mitarbeiter. In der Fichtelschänke sind sieben Mitarbeiter in Voll- oder Teilzeit beschäftigt. Seit November musste sie die Wirtin auf 50 Prozent Kurzarbeit setzen.

So eine Entscheidung für ihr Team fällt ihr schwer. Die Fichtelschänke ist für Grit Adler nicht nur ihre Gaststätte. Sie wird von ihrer Familie seit 1874 in sechster Generation betrieben.

Wirtin fragt sich, wie Kontrollen aussehen sollen

Die Wirtin kann die Corona-Politik immer weniger nachvollziehen. Dabei ist sie selbst politisch seit Jahren aktiv. Als Parteilose sitzt Grit Adler für die CDU im Stadtrat von Neusalza-Spremberg. Sie mag sich nicht vorstellen, wie die Regierung die Kommunen nötigen könnte, mit der Polizei das Einhalten der 2G-Regeln in Gaststätten durchzusetzen.

"Wie soll das funktionieren? Sollen Ungeimpfte aus den Gaststätten herausgeholt werden? Das wäre unterste Schublade", sagt sie. Für Grit Adler wäre das ein Grund, alles hinzuschmeißen.

Die Fichtelschänke in Friedersdorf wird seit 1874 von Grit Adlers Familie in sechster Generation betrieben.
Die Fichtelschänke in Friedersdorf wird seit 1874 von Grit Adlers Familie in sechster Generation betrieben. © Matthias Weber/photoweber.de

"An einem Dienstag wie heute, haben wir sonst 60 Mittagsgäste", berichtet sie. Am 16. November waren es nur 15. Dabei gibt es in der Gaststätte einen Hygiene-Plan wegen Corona. Die Tische stehen weiter als sonst auseinander. Zusätzlich liegen auf den Tischdecken Einweg-Decken. Die Toiletten werden alle zwei Stunden desinfiziert - und dürfen nur einzeln betreten werden. Im Zwei-Stunden-Takt werden Türklinken und Stuhllehnen desinfiziert.

Unter dem Desinfektionsmittel litten die Stühle so, dass Grit Adler sie beim letzten Lockdown neu gestrichen hatte. "Gebt uns statt 2G lieber Geld für Tests", fordert sie. Dann wäre die Wirtin bereit, jeden Gast zu testen, bevor er die Gaststätte betritt.

Dass sie mit ihrem Informationsblatt an der Tür für so eine große Aufmerksamkeit sorgt, überrascht sie. "Ich bin nicht auf Facebook", erzählt sie. Dort und auf anderen Kanälen wird es dennoch vielfach geteilt und mit reichlich Daumen hoch kommentiert.

Dehoga kritisiert das Handeln der Wirtin

Für den Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen (Dehoga) hört bei solchem Handeln, wie von Grit Adler der Spaß auf. "Das ist eindeutig ein Verstoß. Wir haben versucht, 3G zu schützen. Aber angesichts des Infektionsgeschehens gehen uns dafür die Argumente aus", sagt Axel Klein.

Dehoga hat eine Blitzumfrage unter 331 sächsischen Gaststätten und Hotels gemacht. Die ergab, dass durchschnittlich coronabedingt 96,3 Prozent der Weihnachtsfeiern abgesagt wurden. Als Gründe nannten 85,3 Prozent 2G. Zwar beteiligten sich an der Frage zum Umsatzrückgang zwischen dem 1. November 2021 zum 1. November 2019 nur 251 von 331 Hotels und Gaststätten, aber deren Rückgang lag im Schnitt bei minus 38 Prozent.