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Wie mir ein Kindheitstraum erfüllt wurde

Redakteure zeigen zum 75. SZ-Geburtstag Erinnerungsstücke von besonderen Recherchen. Warum Markus van Appeldorn eine orangefarbene Latzhose hat.

Von Markus van Appeldorn
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Chic in Orange - SZ-Redakteur Markus van Appeldorn und seine Müllmann-Latzhose.
Chic in Orange - SZ-Redakteur Markus van Appeldorn und seine Müllmann-Latzhose. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Als Redakteure erleben wir jeden Tag spannende Geschichten und haben interessante Begegnungen. Manche bleiben besonders in Erinnerung. Hier zeigen die Mitarbeiter der Redaktion Löbau-Zittau Erinnerungsstücke aus ihren Schreibtischschubladen, die sie von einer Recherche mitgebracht haben und erzählen, was sie damit verbinden.

Sie liegt nicht in meiner Schreibtisch-Schublade, sondern immer auf der Rücksitzbank meines Autos - eine leuchtend orangefarbene Latzhose mit Reflektorstreifen. Man weiß ja nie, wofür sie mal gut sein kann. Bei einer Autopanne zum Beispiel kann so eine signalfarbene Hose sicher hilfreich sein - besonders wenn's dunkel ist. Ich werde von Mitfahrern auch oft gefragt, warum ich denn diese Hose auf der Rückbank habe. Und dann erzähle ich diese Geschichte.

Romantik für die Tonne

Anfang 2020 haben wir von der SZ-Lokalredaktion Löbau/Zittau eine Serie veröffentlicht. "Einer muss es ja machen" war der Titel. Wir Redakteure sind dabei für ein paar Stunden oder einen ganzen Tag lang in Berufe geschlüpft, die manche Menschen als unangenehme Tätigkeiten empfinden mögen. Ich habe mir damals einen Klassiker ausgesucht: Müllmann.

Die Müllabfuhr hat mich schon als Kind fasziniert. Die Gewandtheit, mit der die Müllmänner schwere Tonnen in die Hebeapparatur am Heck des Müllfahrzeugs zirkeln. Dieses Zischen, wenn die Tonnen in die Höhe schnellen und sich auf den Kopf drehen. Manchmal hat der Müllmann die Tonne mittels eines kleinen Hebels noch ein paar mal geschüttelt, damit auch wirklich nichts drin bleibt. Mit einem Sprung auf das Trittbrett ging die Fahrt dann weiter, direkt am Bauch des Fahrzeugs, in dem es mahlt und poltert. Ja, die Müllabfuhr hat ihre ganz eigene Romantik, und ich glaube, wenn mein Vater bei der Müllabfuhr gewesen wäre, hätte ich als Kind stets damit angegeben: "Mein Papa fährt den dicksten Mercedes der Stadt!"

Ein Kindheitstraum wird wahr

An einem kalten aber trockenen Januarmorgen war es dann so weit. Um 5.30 Uhr wurde ich am Wertstoffhof der Entsorgungsgesellschaft Görlitz-Löbau-Zittau (EGLZ) in Lawalde vorstellig. Und da bekam ich von Disponent Jörg Mittasch erst mal des Reporters neue Kleider - die orangefarbene Latzhose, eine ebensolche Jacke und ein Paar robuste Handschuhe. "Ui, darf ich das behalten?", frage ich. Mit Eberhard und André, zwei erfahrenen Müllwerkern, gehe ich dann auf Sperrmülltour rund um Löbau - nicht im dicken Mercedes, sondern mit einem MAN. Auch in Ordnung.

Die kindliche Freude in mir ist schon in der ersten Minute geweckt. Das orangefarbene Rundumlicht auf dem Dach des Lkw blitzt so schön in der Dunkelheit. Achtung, heißt das. Hier kommt die Müllabfuhr! Sperrmülltag, das war für mich als Kind und meine Freunde auch immer ein bisschen Abenteuertag. Was die Leute so alles wegschmeißen, da kann man doch bestimmt noch was von gebrauchen, haben wir uns gesagt. Die Nachbarn fanden das regelmäßig nicht so witzig, wenn wir ihre Sperrmüllhaufen durchstöberten - weil nicht selten brachte unsere kindliche Abenteuerlust Unordnung in den Müllhaufen.

Sperrmüllhaufen werden heute immer noch durchstöbert - allerdings professionell. "Schau, die Frühschicht war schon da", sagt Eberhard einmal auf der Tour und zeigt auf einen Haufen Elektroschrott am Straßenrand. Die Kabel sind alle abgetrennt. "Das waren Metallsammler aus Polen oder Tschechien. Die sind immer vor uns da", erklärt Eberhard. Kupfer ist ein wertvoller Rohstoff. Kein Problem, solange sich diese Metallsammler nur vom Schrott am Straßenrand bedienen.

Möge die Macht mit mir sein

Und irgendwann an dem Morgen kommt der Akt, mit dem ich Aufnahme finde in die Gilde der Müllwerker. "Drück mal den roten Knopf da und halte ihn gedrückt", sagt Eberhard. Ja! Ich habe die Macht! Die Macht über die hydraulische Presse, die mit der Kraft etlicher Tonnen den Sperrmüll in der Schütte des Lkw zum Bersten bringt und ihn in den Schlund des Müllwagens schiebt. So geht Müllmann!

Gegen 14 Uhr an diesem Tag ist Feierabend. Ich bin auch schon wieder umgezogen im Wertstoffhof in Lawalde und will mich noch von meinen Kollegen verabschieden. Da kommt mir noch mal Disponent Jörg Mittasch hinterher - in der Hand die orangefarbene Latzhose. "Hier, bitte", sagt er, "die wollten Sie doch so gerne haben. Viel Spaß damit." Ganz lieben Dank, Herr Mittasch, sie ist mir eine liebevolle Erinnerung an einen spannenden Tag, an dem sich ein Kindheitstraum erfüllte.

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