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Bedeutet ein Urteil das Ende der gewohnten Höflichkeit?

Ein Urteil verbietet der Deutschen Bahn die alleinige Ansprache ihrer Kunden als "Frau" oder "Herr". Das könnte auch für Behörden und Firmen zwischen Zittau und Löbau wichtig werden.

Von Markus van Appeldorn
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Gendergerechte Sprache ist in Deutschland auf dem Vormarsch.
Gendergerechte Sprache ist in Deutschland auf dem Vormarsch. © dpa/Sebastian Gollnow

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt hat Präzedenz-Charakter. Es verpflichtet die Deutsche Bahn, ab dem 1. Januar 2023 eine geschlechtsneutrale Ansprache von Personen bei Fahrkartenbuchungen im Internet zu gewährleisten. Damit gab das Gericht der Unterlassungsklage einer Person statt, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt. Bei der Fahrkartenbuchung der Bahn im Internet muss man bisher zwingend "Frau" oder "Herr" angeben. Diese Zwangsangabe muss entweder ganz wegfallen oder um eine geschlechtsneutrale Option ergänzt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Urteil auch Auswirkungen auf die Kundenansprache von anderen Unternehmen oder auch Behörden hat. SZ hat sich in den Rathäusern und beim Landratsamt umgehört.

Die Höchstrichter urteilten, dass die zwingende Angabe des Geschlechts als "Frau" oder "Herr" diskriminierend ist, wenn man sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlt. Das OLG sprach der klagenden Person darüber hinaus eine Entschädigung von 1.000 Euro zu - gefordert hatte sie 5.000 Euro. Der Bahn indes droht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro, sollte sie ab Januar gegen das Urteil verstoßen.

Verwaltungen sehen Urteil gelassen

Beim Landratsamt sieht man sich nicht von dem Urteil betroffen. "Der Landkreis Görlitz hat das Urteil des OLG Frankfurt zur Kenntnis genommen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein zivilrechtliches Urteil mit Einzelfallwirkung, sodass es keine unmittelbaren Auswirkungen außerhalb des Einzugsbereiches des Oberlandesgerichts hat", teilt die Behörde auf SZ-Anfrage mit. Zudem beziehe sich die Entscheidung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das nicht direkt für den Behördenverkehr zur Anwendung komme. "Bisher gibt es keine gesetzlichen Regelungen zur gendergerechten Sprache für Behörden", heißt es weiter, aber: "Die Landkreisverwaltung versucht jedoch stets im allgemeinen Schriftverkehr diskriminierungsfrei und gendersensibel unter dem Grundsatz der Verständlichkeit zu kommunizieren."

In Zittau lässt man es auf den Kanal ankommen, auf dem man kommuniziert. "In der amtlichen Kommunikation der Stadtverwaltung Zittau kommt aktuell das generische Maskulinum zum Einsatz", teilt Pressesprecher Kai Grebasch mit. Bei der nicht-amtlichen Kommunikation, etwa in den sozialen Netzwerken, versuche man dagegen möglichst breit geschlechtergerecht anzusprechen. "Dass es zukünftig einheitliche gesetzliche Regelungen zum Thema geben wird, ist folgerichtig. Die Stadtverwaltung Zittau wird sich hierzu mit den zu erwartenden Empfehlungen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages auseinandersetzen und erst dann gegebenenfalls aktiv werden", so Grebasch weiter.

Sparkasse geht auf Wünsche ein

Auch die Stadtverwaltung Löbau sieht das Urteil gelassen. "Das angeführte Urteil bezüglich der Deutschen Bahn ist für diese relevant und nicht direkt auf uns übertragbar", heißt es auf SZ-Anfrage. Welche Auswirkungen das Urteil auf die Bürgeransprache zukünftig haben könne, werde man erst in der kommenden Zeit feststellen können. "Aktuell erfolgt die Bürgeransprache in der Regel mit Frau/Herr, aber es besteht auch die Möglichkeit einer geschlechtsneutralen Ansprache nur mit dem Vor- und Zunamen", so die Verwaltung. Bislang sei kein Fall bekannt, wo geschlechtsneutrale Anrede verlangt wurde. "Sollte dies zukünftig erforderlich sein, wird es eine zufriedenstellende Lösung geben", heißt es weiter.

"Guten Tag Vorname, Nachname, so ist Ihre korrekte geschlechtsneutrale Ansprache", teilt die Stadtverwaltung Ebersbach-Neugersdorf mit, und: "Nein, wir als Stadtverwaltung verwenden diese nicht durchgehend als Ansprache." Neue Formulierungen zu finden, sei noch kein Thema gewesen. Generell sei durch E-Mails ein leichter Ton üblich geworden - wie etwa die Anrede ohne einen Zusatz "Frau" oder "Herr". "Das schöne ist ja, noch gibt es keine etablierten Regeln um Männer, Frauen und Intersexuelle nicht zu diskriminieren", so die Verwaltung. Hier habe man die Freiheit, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren. "Es spricht nichts dagegen, zum Beispiel in der Adresse statt Herr oder Frau Mustermann nur an Max Mustermann zu schreiben. In der Anrede heißt es dann auch Guten Tag Max Mustermann."

Ein Unternehmen mit einem riesigen Kundenstamm im gesamten Kreis ist die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien. "Wir kommunizieren als Sparkasse adressatengerecht", informiert Pressesprecherin Bettina Richter-Kästner. Das bedeute, in der persönlichen Ansprache verwende man die geschlechtsspezifische oder vom Gegenüber gewünschte Sprache. "Aktuell sind dazu keine Anmerkungen oder Beschwerden unserer Kundschaft eingegangen", so Richter-Kästner.