SZ + Zittau
Merken

Warum ist H-Milch beim Discounter viel teurer geworden?

Seit Juli kostet ein Liter halbfette H-Milch nahezu in allen Märkten mindestens 99 Cent. Werner Seifert aus Olbersdorf fragt sich, wer davon profitiert. Eine Spurensuche.

Von Anja Beutler
 4 Min.
Teilen
Folgen
Werner Seifert aus Olbersdorf
ärgert sich über die flächendeckende Preiserhöhung bei der H-Milch - und vermutet Preisabsprachen.
Werner Seifert aus Olbersdorf ärgert sich über die flächendeckende Preiserhöhung bei der H-Milch - und vermutet Preisabsprachen. © Matthias Weber/photoweber.de

Werner Seifert aus Olbersdorf ist der Appetit auf Milch beim ersten Einkauf im Juli beinahe vergangen. Der Blick auf den Preis schockierte den Rentner, der pro Tag im Zwei-Personen-Haushalt "etwa anderthalb Liter Milch" verbraucht: "Früh für die Haferflockensuppe, dann etwas für Kaffee, für Pudding und meine Abendmilch", zählt er auf. Allerdings ist das inzwischen ein teureres Vergnügen als bislang: 99 Cent kostet der Liter halbfette H-Milch mittlerweile: "Im Juni waren es noch 82 Cent - das ist eine Preiserhöhung von fast 20 Prozent", erregt sich der Olbersdorfer.

Eine Runde durch alle nahe gelegenen Supermärkte zeigte Seifert, dass alle zeitgleich den Preis auf 99 Cent angehoben haben - egal, ob Netto, Aldi, Lidl oder Kaufland. "Ist das eine Absprache, ein Kartell?", fragt er sich - und vor allem: "Wer profitiert oder verursacht das Ganze?" Seifert vermutet gar "eine angeordnete Untergrenze bei Produkten von wem auch immer", damit der Staat mehr Steuern einnehmen könne.

Bei näherer Betrachtung wird schnell klar, dass sich diese Frage so eindimensional nicht beantworten lässt. Ganz klar zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes Destatis einen deutlichen Anstieg sowohl der Erzeuger- als auch der Verbraucherpreise bei Milch und Milchprodukten. Und das schon seit Monaten und nicht erst seit dem Ukrainekrieg. Eine willkürliche Entscheidung der Discounter war die Preiserhöhung also offensichtlich nicht.

Immer mehr Bauern steigen aus Milchwirtschaft aus

Laut Destatis steigt der Erzeugerpreis bei den Bauern schon seit Mitte 2021 sichtbar an. Die Verbraucherpreisindizes ziehen im März und dann nochmals im Mai deutlicher nach - der Trend ging aber generell aufwärts. Die Statistiker konstatieren dazu: "Der Milchpreis lag im Mai 2022 um 41,8 Prozent über dem Vorjahresmonat; im April 2022 waren es +37,0 Prozent im Vorjahresvergleich." Das ist nochmals ein deutliches Plus im Vergleich zu den Preisen von Februar und März, wo die Preise auch schon um 30 bis 33 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen waren. Grund ist ein knappes Rohmilchangebot.

Dass es weniger Milch aber eine hohe Nachfrage gibt, liegt laut Vorsitzendem des Oberlausitzer Bauernverbands, Joachim Häntsch, vor allem an sinkenden Tierbeständen. "Aktuell hören auch hier noch Landwirte ganz mit der Milchviehhaltung auf oder reduzieren die Anzahl ihrer Tiere", sagt er. Oft sind die Entscheidungen lange gereift: Unsicherheiten beim Milchpreis und den künftigen Haltungsvorschriften für Tiere in den vergangenen Jahren, Futtermittelprobleme vor allem durch die Trockenheit, Investitionsstaus bei Ställen und dazu noch ein Arbeitskräftemangel lässt viele Landwirte grundsätzlich über die Milchviehhaltung nachdenken.

Zu solchen deutschen Problemen kommen noch internationale Verwerfungen: "Da beispielsweise die Preise für Raps gestiegen sind, steigen auch die für Rapsschrot, der als Futtermittel eingesetzt wird", skizziert Häntsch eine konkrete Auswirkung des Ukrainekrieges. Hinzu komme die Dürre in einigen Ländern: Weil in Italien die landwirtschaftlichen Erträge sinken, nehmen die Italiener derzeit mehr Milch ab, fügt Häntsch an.

Milchpreis für Bauern enorm gestiegen - Kosten auch

Somit ist der aktuelle Milchpreis, den die Bauern erhalten, mit 50 bis 53 Cent pro Liter "ein richtig guter Preis", meint auch Häntsch. Zum Vergleich: Es gab Zeiten, wo die Bauern mit etwa der Hälfte auskommen mussten und "Mindestlohn für die Kuh" forderten. Vor einem Jahr noch lag der Preis bei etwas über 30 Cent. Allerdings werden die nun fließenden, zusätzlichen Einnahmen von der Inflation wieder aufgefressen, fügt Häntsch gleich an. Futterkosten seien ein Drittel bis 50 Prozent teurer geworden, bei den Mineralstoffen, die für die Tiere nötig sind, haben sich die Preise gar verdoppelt.

Die Lebensmitteldiscounter betonen demnach, dass sie die gestiegenen Erzeugerpreise nur weitergeben, halten sich mit Erklärungen zur konkreten Preisgestaltung aber zurück. Ausgangspunkt war offenbar einmal mehr der Discounter Aldi, der zum 1. Juli angekündigt hatte, die Preise für Milch zu erhöhen. Aldi betont auf Nachfrage, dass man zuvor alle Möglichkeiten prüfe, "Mehrkosten anderweitig - auch durch Reduktion unserer Marge - aufzufangen. Nur wenn es nicht mehr möglich ist, die gestiegenen Kosten abzufedern, müssen wir Preisanpassungen vornehmen." Auch eine Edeka-Sprecherin für Nordbayern, Sachsen und Thüringen betont: "Der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel ist hart wie in fast keinem anderen EU-Land. Insofern kann sich kein Anbieter leichtfertig Preiserhöhungen erlauben." Bei den Milcherzeugnissen gebe es "im Vergleich zur Mitte des Vorjahres leichte Preissteigerungen in dieser Warengruppe", die allerdings auf längere Sicht gesehen "nicht ungewöhnlich extrem seien", fügte sie hinzu.

Für Werner Seifert fühlt sich das allerdings anders an - zumal der von manchen Supermärkten beworbene "Inflations-Stopp" für Kundenkarteninhaber bei diesen Produkten nichts bringe. Auf Frischmilch, deren Preis beispielsweise bei Kaufland im Gegensatz zur H-Milch stabil geblieben ist, will der Olbersdorfer auch nicht umschwenken. Bleibt ihm nur, auf ein Angebot zu warten - wie jüngst im Netto, wo die gesuchte H-Milch doch noch einmal unter 90 Cent zu haben war.