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Darum hört die beste Ski-Langläuferin Ostsachsens auf

Julia Preußger hatte auf einen Start bei Olympia in Peking gehofft. Warum es anders kam und warum ihr Rücktritt ein bittersüßer ohne Groll ist.

Von Frank Thümmler
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Julia Preußger war eines der wenigen aktuellen sportlichen Aushängeschilder der Region. Mit 28 Jahren beendet sie jetzt ihre Karriere.
Julia Preußger war eines der wenigen aktuellen sportlichen Aushängeschilder der Region. Mit 28 Jahren beendet sie jetzt ihre Karriere. © privat

Bischofswerda. Eigentlich sind 28 Jahre kein Alter für einen Rücktritt, erst recht nicht im Skilanglauf. In dieser Sportart erreichen viele Athletinnen ihre höchste Leistungsfähigkeit erst mit über 30. Für Julia Preußger, die ihre größten Erfolge unter ihrem Mädchennamen Belger feierte, war aber jetzt der Zeitpunkt: Am Mittwoch gab sie in den Sozialen Medien ihren Rücktritt vom Leistungssport bekannt. Es gibt zwei Gründe: einen bitteren und einen süßen.

Der bittere: Der absolute Höhepunkt ihrer Karriere, eine Olympiateilnahme, blieb Julia Preußger versagt. Schon vor dieser Saison hatte die gebürtige Niedercunnersdorferin gesagt, dass sie ihre Karriere beenden würde, wenn sie sich nicht für die Winterspiele in Peking qualifizieren könne. Die Aussichten waren von vornherein schlecht, obwohl Julia Preußger eigentlich das Potenzial für den Sprung in die Nationalmannschaft hätte – bei voller Gesundheit. Die hatte ihr aber in den vergangenen Jahren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Erst kugelte sie sich infolge einer Sturzverletzung beim Sommertraining auf Rollen immer wieder die linke Schulter aus, wurde dreimal daran operiert.

Unfall nimmt die Olympiachance

Im vergangenen Sommer dann die Katastrophe: Im Sommer gab es wieder einen Unfall auf Skirollern, diesmal hätte es noch schlimmer ausgehen können. Mit rund 35 km/h konnte sie nach einer Abfahrt zwei plötzlich vor ihr stehenden Fahrzeugen nur noch durch einen „Abflug“ in den Schotter ausweichen. Diesmal war die rechte Schulter ausgekugelt, die Bizepssehne fast gerissen.

Der Einsatz der Arme und damit die Belastbarkeit der Schultern sind im Skilanglauf extrem wichtig. Für Preußger folgten Operation, Heilungsprozess, Reha – die Chance auf Olympia schmälerte sich. Und dann kam pünktlich vor den ersten Wettkämpfen auch noch Corona. „Ich war zwar vollständig geimpft, musste aber trotzdem in Quarantäne. Und ab da war klar, dass es keine Chance, keine Qualifikationsmöglichkeit mehr für Olympia geben würde“, sagt sie. Für Preußger stand damit fest, dass sie ihre Karriere nach dieser Saison beenden würde. Sie wollte ihre letzten Wettkämpfe einfach nur genießen.

Aber es kam wieder anders. Und das ist der süße Grund dafür, dass ihr Entschluss nicht mehr ins Wanken geriet: „Wir hatten die Familienplanung ja wegen der Sportkarriere aufs Eis gelegt. Aber jetzt? Mein Mann und ich erwarten ein Sommerbaby“, sagt Julia Preußger glücklich.

Auch deshalb fällt ihr der Rückblick auf ihre Sportkarriere leichter. „Dass ich einmal Profiskilangläuferin werden würde, hätte ich nie gedacht, als ich beim SC Kottmar als Wintersportlerin und beim OSC Löbau als Leichtathletin angefangen haben – danke für das Nachwuchstraining“, sagt sie. Erst mit 16 Jahren war sie aufs Sportinternat nach Oberwiesenthal gewechselt, begann dort professionell zu trainieren. „In den 12 Jahren des Leistungssports durfte ich einige Erfolge feiern und musste schmerzhafte Tiefpunkte durchleben. Es ist nicht zu verleugnen, dass ich weiß, was Schmerzen sind. Die vier Operationen hätte ich gern vermieden, aber den Schmerz beim Quälen im Wettkampf habe ich geliebt“, sagt sie.

Ihre größten Erfolge waren die Staffel-Bronzemedaille bei der Junioren-WM 2013 in Liberec, mehrere Top-Ten-Platzierungen auch bei Einzelstarts bei Junioren-Weltmeisterschaften, insgesamt vier Siege und der Gesamtsieg 2015/16 beim Alpencup und Top-20-Platzierungen im Weltcup. Letztgenanntes schätzt die Kottmarläuferin selbst am wertvollsten ein. 2016 wurde sie über 15 Kilometer im freien Stil in Davos 16., 2019 am Holmenkollen in Oslo über 30 Kilometer klassisch 19.

„Vor allem dieses Rennen werde ich nie vergessen. Diese Megastimmung war atemberaubend, einmalig für den Skilanglauf. Man fühlt sich als Läufer wie ein Star, es bereitet mir heute noch Gänsehaut“, sagt sie im Rückblick auf den Wettkampf in Norwegen. Auch insgesamt überwiegt die Erinnerung an die vielen schönen Dinge: „Ich durfte durch den Sport so viele großartige Erinnerungen an tollen Orten dieser Welt sammeln und wunderbare Menschen kennenlernen. Ich durfte Freunde fürs Leben finden“, erklärt Julia Preußger, die mit sich im Reinen ist. „Ich habe nie etwas bereut, auch nicht, erst so spät mit dem professionellen Sport angefangen zu haben. Dadurch konnte ich zu Hause Beziehungen aufbauen und habe sie bis heute. Trotz der Schmerzen habe ich alles versucht. Ich weiß, dass am Ende meine Verletzungen nach den Stürzen größere Erfolge verhindert haben.“

Jetzt im Februar saß sie deshalb zwar mit etwas Wehmut, aber auch völlig gebannt und mitfiebernd vor dem Fernseher, als ihre langjährige Trainingskameradin Katharina Hennig gemeinsam mit Victoria Carl zu Olympiagold lief: „Ich bin megastolz auf sie, dass sie das so gewuppt hat.“ Die Glückwünsche gingen schnell raus. Katharina Hennig ist schließlich auch eine gute Freundin, war sogar Trauzeugin bei der Hochzeit im Sommer 2020.

Zurück in die alte Heimat

Wie es nach der Geburt des Kindes mit Julia Preußger weitergeht, steht noch nicht ganz fest. Schließlich ist – auch angesichts voraussichtlich zwei Jahren Elternzeit – viel Raum, um neue Pläne zu schmieden. Rein sportlich kann sich die Oberlausitz wohl auf eine leistungsstarke Laufsportlerin freuen – so kündigt sie es an.

Was sie da drauf hat, hat Julia Preußger schon bei den Lauftests der Ski-Nationalmannschaft und so manchem Rennen – zum Beispiel beim Zittauer Gebirgslauf – bewiesen. Und: „Wir ziehen wieder zurück in die Oberlausitz, werden hier unseren Lebensmittelpunkt haben.“