Von Wolfgang Mulke
Unter dem Weihnachtsbaum in einem großen Berliner Hotel warteten zwei Pakete in rotem Geschenkpapier auf ihre neuen Besitzer. Ob das größere von beiden dem Chef der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), Manfred Schell, oder Bahnchef Hartmut Mehdorn zugedacht war, ließ sich nicht klären. Beide rührten es nicht an. Sie verkündeten stattdessen den Durchbruch im Tarifstreit der Lokführer. Gut 15Stunden brauchten die Verhandlungspartner dazu.
Für die Fahrgäste ist das erst einmal eine gute Nachricht. „Solange wir verhandeln, streiken wir nicht“, sagte Schell. Wenigstens bis Ende Januar werden die Züge also regulär fahren. Mehdorn zeigte sich erfreut über die Entwicklung. „Der Einstieg in eine Lösung ist endlich geschafft“, stellte er fest.
Die gute Nachricht für die Lokführer ist ein unverhoffter Geldsegen zum Jahresende. Als Abschlagszahlung für den nun erwarteten Tarifvertrag sollen die 12000 Zugführer 800 Euro erhalten. Zudem bekommen sie ihren eigenen Tarifvertrag. „Wir verhandeln eigenständig über Arbeitszeiten und Entgelte“, betonte GDL-Vize Günther Kinscher. Absprachen mit den anderen Bahngewerkschaften müsse man nicht treffen. Diesen Punkt hatte die Gewerkschaft stets als Voraussetzung genannt, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Beide Seiten haben sich auf einen Zeitplan verständigt, an dessen Ende für alle 134000 Konzernbeschäftigten ein neues Tarifwerk stehen soll. Die neue Struktur hat zwei Teile. Als Basis dient ein Manteltarifvertrag, der für alle Bahner gilt und rund 80 Prozent aller Regelungen beinhaltet. Dazu gehören etwa Abmachungen über den Urlaub, die Erfolgsbeteiligung oder die Altersvorsorge. Die restlichen 20 Prozent werden in sechs Zusatztarifverträgen für einzelne Gruppen von Beschäftigten geregelt. Darin enthalten sind Arbeitzeit und Entgelte.
Nach derzeitigem Stand der Dinge werden die Bahngewerkschaften Transnet und GBDA fünf der Zusatzverträge aushandeln, die GDL den sechsten für die Lokführer. Mit dieser Konstruktion bleibt die Tarifeinheit bei der Bahn erhalten. „Wir haben mit dem Manteltarifvertrag eine Klammer“, betonte Mehdorn.
Nun geht es Schritt für Schritt weiter zu einer endgültigen Einigung. Bis Ende nächster Woche wollen Bahn und GDL sich über die Punkte verständigen, die allein von der GDL ausgehandelt werden dürfen. Zugleich beginnen die Lohngespräche. Bis Ende Januar soll diese Runde abgeschlossen sein. Zuletzt bot die Bahn bis zu 13 Prozent mehr Lohn bei gleichzeitiger Anhebung der Wochenarbeitszeit.
Mit dem neuen Manteltarifvertrag lassen sich die Beteiligten mehr Zeit. Dafür müssen sich letztlich alle Bahngewerkschaften wieder an einen Tisch setzen. Ende nächsten Jahres soll das Gesamtwerk dann stehen. Für die neue Entgeltstruktur werden alle Beschäftigten neu eingruppiert. Dabei soll niemand weniger verdienen, einige Berufsgruppen jedoch mehr.
Seite 4