Christiane Jacke und Isabell Scheuplein
Kassel. Die Stimmung sei gut, die Gelegenheit günstig, hieß es in der Einladung des Vereins „Weckruf 2015“ nach Kassel. Rund 70 Anhänger des früheren Chefs der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, kamen am Sonntag aus ganz Deutschland im Untergeschoss eines Hotels zusammen, um ihre nächsten Schritte zu beraten. Nach dem offenen Bruch mit dem rechten Flügel der AfD hieß das Ziel des Treffens: Gründung einer neuen Partei. Am Abend war sie ins Leben gerufen. ALFA heißt sie, „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“, sie soll die Alternative zur Alternative für Deutschland werden.
Lucke war am 10. Juli als Ergebnis eines heftigen Machtkampfs aus der AfD ausgetreten. Über Wochen hatten er und seine Widersacherin Frauke Petry sich einen erbitterten Streit um den künftigen Kurs geliefert. Lucke wollte sich von rechtspopulistischen Kräften und plumpen Parolen abgrenzen. Petry und ihre Unterstützer aus dem rechter Lager steuerten in die entgegengesetzte Richtung - und entschieden die Auseinandersetzung für sich. Bei einem Parteitag Anfang Juli in Essen gewann Petry die Wahl zur Ersten Vorsitzenden klar gegen ihren Rivalen Lucke.
Der zog die Konsequenzen. Mit dem Europaabgeordneten verließen etwa 2000 weitere Angehörige des liberal-konservativen Flügels die Partei, darunter weitere Mandatsträger. Sie bilden nun die Basis für die neue Gegen-AfD. Schon im Mai hatte Lucke den Verein „Weckruf 2015“ gegründet - als Sammelbecken für AfD’ler, die mit den rechtspopulistischen Thesen einiger Parteifunktionäre nichts zu tun haben wollten. Insgesamt zählt der Verein heute rund 4 000 Mitglieder. Lucke sprach in Kassel von insgesamt 5 000 Interessenten für die neue Partei.
„Lassen Sie uns die phantastische Atmosphäre aufnehmen“
Aus allen Bundesländern hatte die Vereinsspitze Vertreter nach Kassel geladen. Der Zeitpunkt sei gerade so günstig und die Stimmung so gut, dass man zur Tat schreiten wolle: „Lassen Sie uns die phantastische Atmosphäre der Weckruf-Treffen der vergangen Wochen, den Zauber der ausgesprochen harmonischen Vor- und Nachtreffen in Essen aufnehmen und gehen wir unser Ziel noch einmal gemeinsam an“, hieß es in der Einladung.
So wurden in Kassel bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen nahe des ICE-Bahnhofs Wilhelmshöhe gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Lucke wurde zum Chef der neuen Partei gewählt, ihm zur Seite steht eine Mannschaft aus Europa-Abgeordneten und früheren Landespolitikern der AfD. Thematisch will Lucke zurück zu den Wurzeln seiner alten Partei, die Kritik am Euro und der derzeitigen Rettungspolitik nennt er als zentrales Thema. Und den Kampf gegen ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland. Die AfD sieht er dennoch deutlich rechts der Neugründung.
Ein Störfaktor dürfte die neue Partei durchaus sein für die AfD - gerade mit Blick auf die nächsten Landtagswahlen. Denn das Potenzial an Wählerstimmen ist begrenzt. Nach dem brachialen Richtungsstreit stürzte die AfD in der Wählergunst ohnehin ab und landete zuletzt bei einem Wert von drei Prozent der Stimmen. Im vergangenen Jahr hatte sie bei Landtagswahlen noch teils zweistellige Ergebnisse errungen.
Mehr als zwei Drittel der Deutschen glauben laut einer aktuellen Umfrage auch nicht, dass es der neuen Petry-AfD gelingen wird, bei der nächsten Bundestagswahl ins Parlament einzuziehen. Der neuen Partei um das Lucke-Lager trauen es ebenso wenig Menschen zu, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Auch Politikwissenschaftler meinen, dass es für die beiden Klein-Parteien sehr schwer werden dürfte, sich zu behaupten.
Die Konkurrenz reagierte am Sonntag jedenfalls mit spontaner Häme auf die Neugründung: „Wer lügt den Leuten voll die Hucke, Das ist und bleibt Professor Lucke. Ob Alfa, Weckruf, AFD, Rechts bleibt rechts“, reimte SPD-Vize Ralf Stegner beim Kurznachrichtendienst Twitter. (dpa)