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Lücken und Tücken im neuen Polizeigesetz

Das neue Polizeigesetz gilt als zentrales Vorhaben der schwarz-roten Koalition in Sachsen. Doch in wichtigen Punkten bleiben die Fronten verhärtet. Deshalb gibt es für die CDU bisher nur eine Light-Version.

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© Jan Woitas / dpa

Dresden. Sachsen will mit einem neuen Polizeigesetz auf Gefahren wie Terrorismus und Organisierte Kriminalität reagieren und dabei auch die Befugnisse der Beamten erhöhen. Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach am Mittwoch von einem Qualitätssprung. Allerdings stehen zwei wichtige Forderungen des Ministers bislang nicht im Gesetzentwurf. Weder bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Kontrolle verschlüsselter Nachrichten noch bei der Online- Durchsuchung von Computern Verdächtiger habe man sich gegen den Koalitionspartner SPD durchsetzen können, sagte Wöller. Er sieht in der nun folgenden Anhörung noch „Luft nach oben“. Man sei aber nicht auf einem „Basar“, auch wenn Verhandlungen in der Politik manchmal „orientalische Züge“ trügen.

Der Referentenentwurf ist ein klassischer Kompromiss. Auch die SPD konnte nicht alle Forderungen durchbringen. So bleibt die von ihr gewünschte Kennzeichnungspflicht von Polizisten bisher auf der Strecke. SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas nannte den Entwurf eine „Balance zwischen Sicherheit und Freiheit“: „Ich bin froh, dass es sich beim Entwurf nicht um ein Polizeigesetz bayerischer Prägung handelt. Wir wollen einen sicheren Freistaat, ohne dabei unverhältnismäßig in Grundrechte einzugreifen.“ Nach der Anhörung werde es gewiss noch Änderungen geben. Die Kennzeichnungspflicht sei für die SPD noch nicht vom Tisch.

Wöller zufolge will Sachsen die Gefahrenabwehr verstärken - zu einem Zeitpunkt, an dem das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. „Wir wollen Straftaten oder Anschläge verhindern.“ In Zeiten einer wachsenden terroristischen Bedrohung habe der Staat die Bürger so gut wie möglich zu schützen. „Das kann er nur, wenn er über ausreichend gut ausgebildete und bestens ausgerüstete Polizeibeamte verfügt.“ Genauso wichtig seien ausreichende Befugnisse. Dafür stehen im Entwurf unter anderem die automatische Erfassung von Autokennzeichen mit stationären Geräten und die Möglichkeit, in begrenztem Umfang Datenabgleich via Gesichtserkennung vorzunehmen.

Geregelt wird die Anwendung elektronischer Fußfesseln bei Gefährdern, denen auch Kontaktverbote oder der Verbleib an bestimmten Orten auferlegt werden kann. Zugleich wird die Bewaffnung der sächsischen Polizei erweitert. So sollen Spezialeinheiten bei besonderen Lagen über Waffen mit größerer Reichweite und Durchschlagskraft - zum Beispiel Maschinengewehre - verfügen können.

„Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und der Gewährleistung von Sicherheit sollen tiefe Eingriffe in die Grundrechte deutlich erleichtert und die sächsische Polizei weiter militarisiert werden“, betonte der Abgeordnete Enrico Stange (Linke): „Ob damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung weiter ausgehöhlt wird, muss im parlamentarischen Verfahren sorgfältig geprüft werden.“

Die Grünen sprachen von einem „Frontalangriff auf die Bürgerrechte“. Der Innenminister hat augenscheinlich den Wunsch, den Freistaat in Richtung eines Polizeistaates zu entwickeln, in dem die Grundrechte jedes einzelnen für eine vermeintliche Verbesserung der Sicherheit geopfert wird““, erklärte Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann.

„Die Politik von CDU und SPD hat die Sicherheitslage leider derartig erodieren lassen, dass schärfere Eingriffsrechte des Staates in die Freiheit der Bürger nun nötig werden“, erklärte AfD-Politiker Sebastian Wippel. Die Regierung habe mehrere Forderungen der AfD übernommen, wichtige Instrumente der Gefahrenwehr würden aber wegen Unfähigkeit von CDU und SPD zu einer Einigung fehlen.

Die Regierung will nach der Anhörung den Gesetzentwurf bis August verabschieden. Danach kommt er ins Parlament. Wöller rechnet damit, dass das Gesetz in der zweiten Jahreshälfte 2019 in Kraft tritt. (dpa)