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Luxuswaren von Dippser Töpfern

Was bisher als Freiberger Keramik galt, wurde in Wirklichkeit in Dippoldiswalde hergestellt. Die Beweise sind eindeutig.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Dippoldiswalde läuft schon wieder Freiberg den Rang ab. Die Archäologen haben bereits nachgewiesen, dass der Bergbau in Dippoldiswalde mindestens in derselben Epoche wie in Freiberg begonnen hat. Nun müssen weltweit verschiedene Museen ihre Sammlungen neu beschriften.

Wertvolles Steingut, das bisher oft als Freiberger Keramik, manchmal auch als Marienberger oder Annaberger bezeichnet wurde, ist in Wirklichkeit Töpferkunst aus Dippoldiswalde. Das ist jetzt wissenschaftlich nachgewiesen. Und die Dippser Keramik war keine Allerweltsproduktion. Krüge oder Becher aus Dippoldiswalde waren Luxuswaren, die man auf Burgen, in Schlössern und auf Herrensitzen findet.

Zwei Forscher haben an den neuen Erkenntnissen wesentlichen Anteil. Die Archäologin Anne Barth hat ihre Doktorarbeit zu dem Thema geschrieben und unter dem Titel „Dippoldiswalder Steinzeug – Ein Töpferhandwerk und seine kulturhistorische Bedeutung“ veröffentlicht. Diese Publikation ist jetzt in Dippoldiswalde zum ersten Mal vorgestellt worden. „Diese Arbeit zur Geschichte der Töpfer ist ein neuer Mosaikstein in der Dippoldiswalder Stadtgeschichte“, sagt Oberbürgermeister Jens Peter (parteilos) zu dem neuen Buch. Anne Barth stammt aus Chemnitz und hat in Bamberg mittelalterliche Archäologie studiert. Sie hat beim Landesamt für Archäologie in Dresden gearbeitet, und dort entstand der Kontakt zum Archaeomontan-Projekt. In Rahmen dieses EU-Forschungsvorhabens hat Anne Barth ihre Promotion über die Dippser Töpfer vorangetrieben.

Das wäre ihr aber nicht möglich gewesen ohne die Vorarbeiten von Andreas Becke, der Tausende von Überresten der Dippser Töpferei gesammelt und dokumentiert hat. Seine Forschungen hat er Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre betrieben. 25 000 Bruchstücke sind so zusammengekommen, über hundert Kisten, die lange Jahre auf dem Dachboden des Dippser Museums lagerten.

Anne Barth hat nun in den letzten Jahren 8 500 dieser Überreste in einer Datenbank erfasst, ausgewertet und in den großen historischen Zusammenhang gestellt. Sie hat nachgewiesen, dass es in Dippoldiswalde ab etwa 1600 ein florierendes Töpferhandwerk gab. Unter den Fundstücken sind klare Beweise, dass hier eine Produktion von Keramik stattgefunden hat: Fehlbrände zum Beispiel, die am Ort entsorgt wurden, Model, mit denen die Töpfe verziert wurden, oder Brennhilfen. Das sind eindeutige Hinweise auf Werkstätten.

Auch in Archiven finden sich Hinweise auf die Dippser Töpferfamilien. Im Dippser Museum wird die Innungssatzung der Dippser Töpfer aus dem Jahr 1635 aufbewahrt, wo sich ein Hinweis auf die graue Ware findet. Und „Graue Ware“, das ist eben kein Gebrauchsgeschirr, das sind keine Kochtöpfe, sondern besseres Geschirr, wie Anne Barth erklärt. Bei ihren Forschungen ist sie auf zwölf Töpferfamilien in Dippoldiswalde gestoßen, die großteils miteinander verwandt waren. „Oft hat eine Töpfertochter wieder einen Töpfer geheiratet“, sagt die Wissenschaftlerin. Namen wie Burckhardt, Lohse, Weise, Krause, Löffler und andere stehen für die Dippser Töpferei.

Diese Handwerker haben im weiten Umkreis verkauft. Archäologen haben bis in Estland, an der Unterelbe, in Augsburg, Straßburg und vielen böhmischen Städten Reste von Töpferwaren aus Dippoldiswalde gefunden, die schon in früheren Jahrhunderten dorthin transportiert worden sind. Besonders schöne Stücke sind heute weltweit in Museen zu finden und werden für vierstellige Beträge im Kunsthandel angeboten.

Ein weiterer eindeutiger Beweis für die Produktion von Töpferwaren in Dippoldiswalde ist der Forscherin mithilfe von Professor Jan-Michael Lange von den naturhistorischen Sammlungen Senckenberg in Dresden gelungen. Er hat den Ton aus möglichen Entnahmestellen in der Umgebung von Dippoldiswalde untersucht und mit den gefundenen Überresten verglichen. Demnach haben die Handwerker ihr Rohmaterial in der Höckendorfer, der Paulsdorfer und der Dippoldiswalder Heide gewonnen, also in der unmittelbaren Umgebung der Stadt. Dass Freiberger Töpfer aus diesen Orten Ton geholt hätten für ihre Produktion, kann man ausschließen. Also gilt: Was bisher als Freiberger Keramik galt, kam in Wirklichkeit aus Dippoldiswalde.