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Im Dialog mit dem Wirtschaftsminister

Der sächsische SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig diskutierte mit gut einhundert Radebergern. Die bekamen mitunter klare Antworten.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Radeberg. Ein wenig mutete die Szenerie wie bei den Fernsehsendungen „Der heiße Stuhl“ oder „Wer wird Millionär?“ an: In der Mitte des Saales unter hellem Scheinwerferlicht ein Tisch und ringsherum das Publikum. Wobei „Der heiße Stuhl“ als Motto des Abends besser passte.

Der SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig hatte in den Kaisersaal eingeladen und seinen Küchentisch mitgebracht. Zehn Jahre lang stand der wirklich in seiner Küche. Hier lassen sich bekanntlich die besten Gespräche führen, sagte der Minister. Neben ihm saßen Petra Köpping, Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, sowie der Radeberger Oberbürgermeister Gerhard Lemm, beide SPD. Laut Martin Dulig geht es Sachsen den Zahlen nach sehr gut, die Steuereinnahmen sprudeln. Gleichzeitig ist die Stimmung schlecht. „Ich will wissen, wo der Schuh drückt“, sagte er. Vier weitere Stühle waren an seinem Küchentisch noch frei. Wer seine Frage oder sein Problem loswerden wollte, musste nach vorn ins Scheinwerferlicht. Diese Plätze waren ganz schnell belegt. Die SZ nennt die wichtigsten Themen an dem Abend.

Wird der Osten Sachsens wirtschaftlich abgehängt?
Der Homann-Umzug wackelt, bei Bombardier gibt es Schwierigkeiten und ein chinesischer Investor, der bei Rothenburg Autos bauen wollte, machte einen Rückzieher. Ist Sachsen und besonders der östliche Teil unattraktiv für die Wirtschaft geworden?, wollte Sven Scheidemantel aus Arnsdorf wissen. „Nein, Sachsen ist weiterhin attraktiv. Richtig, es hat in den zurückliegenden Monaten Rückschläge gegeben. Gleichzeitig gab es aber auch Erfolge. So wurde das Werk des Felgenherstellers Borbet eingeweiht und der Luftfahrtzulieferer Acosa beginnt ebenfalls mit der Produktion“, sagt Dulig. Trotz der wahrscheinlichen Absage der Homann-Ansiedelung sei auch der Müllermilch-Standort in Leppersdorf ein positives Beispiel. „Die Investitionen gehen hier weiter, da bin ich mir sicher“, sagt er. Für Gerhard Lemm müsse vor allem in der Lausitz mehr getan werden. „Hier wird es einen echten Strukturwandel geben und der ist nur mit viel Geld zu schaffen. Hier sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht.“

Auf die Probleme beim Handwerker-Nachwuchs angesprochen, mahnte er eine bessere Anerkennung des dualen Ausbildungssystems an. „Auch als Auszubildender kann man Karriere machen und dann gutes Geld verdienen, als Meister beispielsweise. Von diesen Erfolgsgeschichten müssen wir den jungen Leuten berichten, dann wird es sicher mehr geben, die Handwerksberufe ergreifen.

Wie können Verkehr und Lärm auf der Autobahn reduziert werden?
Die ehemalige Lehrerin Barbara Hörnig war extra aus Ohorn nach Radeberg gekommen, um dem Minister ihr persönliches Problem zu schildern, wie sie sagte. Das stellte sich aber schnell als eins heraus, das viele beschäftigen dürfte. „Ich wohne neben der Autobahn, der Lärm hat immer weiter zugenommen. Wir leiden sehr darunter.“ Zwar gebe es eine Lärmschutzwand, doch die sei unzureichend. Das beeinträchtigt die Gesundheit, außerdem mache sie sich Sorgen um ihren Lebensabend. Sie haben sich das Grundstück als Altersvorsorge aufgebaut. Inzwischen ist es aber wegen des Lärms kaum etwas wert. Ein Nachbar habe seins nur zu einem geringen Preis verkaufen können. „Ich habe den Eindruck, der ganze Verkehr wird auf die Straße verlegt, an die Anwohner denkt keiner“, sagte Barbara Hörnig sichtlich bewegt.

Martin Dulig pflichtet ihr bei, dass mehr Lkw auf die Schiene gehören. „Daran arbeiten wir. Mit der Fertigstellung Bahnverbindung Leipzig – Horka und weiter Richtung Polen Ende des Jahres werden sicher etliche Lkw auf die Bahn umsteigen. Außerdem prüfen wir, wie wir als Land Sachsen den Umstieg weiter fördern können.“ Zugleich spricht er sich für einen sechsspurigen Ausbau auf Teilen der A4 aus. „Die Autobahn um Dresden herum ist ein Nadelöhr. Das Unfallgeschehen ist enorm. Hier müssen wir handeln.“ In Sachen Lärmschutz will er gerade bei den Häusern in Ohorn mit den zuständigen Ämtern sprechen. Das sei aber nicht allein eine Entscheidung Sachsens, da müsse auch der Bund mitziehen, Autobahnen werden auch durch Berlin finanziert.

Wie lässt sich Vertrauen gewinnen, nach Pöbel-Zitat von Sigmar Gabriel?
Der Radeberger Ingo Engemann sprach ein Thema an, mit dem der Minister für sein Gespräch am Küchentisch geworben hatte: Vertrauen zurückzugewinnen. „Wie soll Vertrauen geschaffen werden, wenn der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel in Heidenau die Ostdeutschen als Pöbel bezeichnet hat“, fragte Ingo Engemann. Da fiel die Antwort von Martin Dulig ganz klar aus. „Ich habe damals unmittelbar neben Sigmar Gabriel gestanden und kann mich genau an die Szene erinnern. Damals wurden bei dem Geschehen die Asylunterkunft-Helfer und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes beschimpft und angegriffen. Diese Randalierer hat Sigmar Gabriel als Pack bezeichnet. Alle Asylkritiker oder gar alle Ostdeutschen hat er nicht gemeint. Hier müssen wir bei der Wahrheit bleiben“, sagte Dulig. Auch Petra Köpping sprach das Thema an. „Wir müssen sachlich und fair diskutieren und bei der Wahrheit bleiben. Der Umgang mit dem Satz von Gabriel ist ein gutes Beispiel, auch dafür, dass wir ins Gespräch kommen und Fronten abbauen.“

Wann kommt endlich der Radweg Liegau – Langebrück?
Gabor Kühnapfel aus Liegau fand es überaus angenehm, mit Minister und Ministerin auf Augenhöhe sprechen zu können. „Das ist ja nicht mehr so oft möglich.“ Kritik übte er als Bauunternehmer an der unüberblickbaren Anzahl von Fördertöpfen. „Damit sind die meisten Kommunen überfordert. Es gibt um die 300 Förderprogramme, da sieht schon niemand mehr durch. Dann sind die Anträge 40, 50 Seiten lang. Da ist jeder überfordert. Das muss einfacher werden.“

Martin Dulig versprach künftig weniger Fachförderung, dafür mehr Pauschalförderung. Das haben wir in der Landesregierung so vereinbart“. Zum Schluss hatte der Liegauer noch eine konkrete Frage. „Seit Langem fordern wir einen Radweg von Langebrück über Liegau nach Radeberg. Das Projekt kommt nicht voran. Wir sind im Landkreis Bautzen der letzte Zipfel und in Dresden gilt das für Langebrück.“ Dulig: „Wenn es hier bürokratische Hürden gibt, dann sehen wir uns das an und schauen, wo es Lösungen gibt. Allerdings dauert die Planung von Radwegen inzwischen so lange wie die von Straßen. Sicher ist, wir werden deutlich mehr in den Bau von Radwegen investieren.“