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Männer oft Opfer von häuslicher Gewalt

Ein Plauener Verein hilft, wenn Männer von ihren Frauen geschlagen werden. Sachsen hat bei dem Thema bundesweit sogar eine Vorreiterrolle.

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Tami Weissenberg (Deckname), Gründer des Vereins Weissenberg, steht im Treppenhaus eines Wohnhauses, in dem sich eine Schutzwohnung für männliche Opfer häuslicher Gewalt befindet.
Tami Weissenberg (Deckname), Gründer des Vereins Weissenberg, steht im Treppenhaus eines Wohnhauses, in dem sich eine Schutzwohnung für männliche Opfer häuslicher Gewalt befindet. © ZB

Von Katrin Mädler

Plauen. Wenn Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden, sollen sie sich schnell Hilfe suchen können - das fordert der Männerschutz-Verein Weissenberg im vogtländischen Plauen. Nach gut zweijähriger Arbeit plädiert er für mehr Aufklärung von medizinischem Personal und Öffentlichkeit. Der Bedarf sei hoch, Betroffene reagierten gegenüber Hilfsangeboten zunehmend aufgeschlossener, sagte der Vorsitzende Marcel Schäder.

"Häusliche Gewalt gegen Männer ist bei vielen mit Scham verbunden. Wir haben ein Angebot geschaffen und Opfer finden inzwischen eher den Mut, diese wahrzunehmen", sagte Schäder. Zukünftig soll die Arbeit in Schulen, Horteinrichtungen und Kindergärten vorgestellt werden.

Nach Angaben des Landeskriminalamts wurden 2018 insgesamt 1.626 Fälle bekannt, in denen erwachsene Männer in Sachsen Opfer von häuslicher Gewalt wurden. Das sei ein Anteil von 29 Prozent an der Gesamtzahl. Laut einem Sprecher des Ministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung kann bei häuslicher Gewalt bei beiden Geschlechtern von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.

Drei Modellprojekte zum Männerschutz fördert Sachsen seit 2016. Zuerst mit Schutzwohnungen beim Leipziger Verein Lemann und dem Dresdner Männernetzwerk, ab 2018 in Plauen bei dem Verein Weissenberg. Alles kommt dieses Jahr auf den Prüfstand, erklärte Ministeriumssprecher Raymond Becker. Der Bedarf und die Passgenauigkeit des Angebots sollen untersucht werden. Dann werde über die Zukunft der Projekte entschieden.

Bayern orientiert sich an Sachsen

Der Plauener Verein Weissenberg konnte bisher rund 20 Männern weiterhelfen. Neben zwei Schutzwohnungen wurde in den letzten Monaten eine Beratungsstelle geschaffen. Zwei Sozialarbeiterinnen unterstützen die Opfer. Dazu kommt die Hilfe von rund 15 ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern, zu denen auch Vorsitzender Schäder selbst gehört. Förderung erhält der Plauener Männerschutzverein neben dem Gleichstellungsministerium vom Landkreis und der Stadt.

Eine bessere Schulung von Rettungskräften und Krankenhauspersonal findet Schäder wünschenswert. "Diese müssten mehr sensibilisiert werden, um auch bei Männern Indizien für häusliche Gewalt zu erkennen." Eine Info-Veranstaltung für alle Interessierte ist im März in Zwickau geplant.

Deutschlandweit gibt es derzeit neun Hilfseinrichtungen für Männer und Schutzwohnungen mit insgesamt 24 Plätzen, sagte Frank Scheinert von der neu geschaffenen Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewalt des Familienministeriums, die in Dresden angesiedelt ist. Sachsen habe mit der Förderung der drei Hilfsprojekte in Dresden, Leipzig und Plauen bundesweit eine Vorreiter-Rolle eingenommen, sagte Scheinert. Daran orientiere sich aktuell Bayern, wo zwei neue Schutzwohnungen in Augsburg und Nürnberg entstanden.

Soziale Zwänge

Die unterschiedlichen Männerschutz-Einrichtungen koordinieren, beraten und Qualitätsstandards aufstellen: Das sind laut Scheinert die Hauptaufgaben der neuen Anlaufstelle in Dresden mit vier Mitarbeitern. Auch die sächsische Kampagne "Mann gib dich nicht geschlagen" soll deutschlandweit ausgeweitet werden. "Männer und ihr Umfeld werden dadurch auf Schutzangebote aufmerksam gemacht und ermuntert, sich Hilfe zu suchen. Das ist kein Zeichen von Schwäche", sagte Scheinert.

Ein weiteres großes Ziel der Dresdner Bundesfach- und Koordinierungsstelle ist eine Notfall-Hotline, die rund um die Uhr besetzt ist, sagte Mitarbeiterin Jana Peters. "Für Frauen gibt es die bereits." Das sei besonders in den Abend- und Nachtstunden wichtig, wenn niemand sonst erreichbar ist. Vor zwei Jahren schrieb sie ihre Bachelorarbeit an der Hochschule Zittau/Görlitz über das Thema.

Oft sind laut Peters soziale Zwänge der Grund, warum sich Männer nicht gegen häusliche Gewalt wehren. "Gewalttätige Frauen benutzen die Kinder als Druckmittel, drohen mit der Polizei oder beeinflussen Freunde." Oft sei eine räumliche Trennung für mehrere Wochen das Beste für beide Partner, um sich über die Zukunft der Beziehung klar zu werden. (dpa)