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„Man beklaut seinen Gastgeber nicht“

Der Diebstahl des Fahrrads eines Linken-Stadtrates sorgt für Aufregung. In Riesa freut sich aber jemand darüber.

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© Claudia Hübschmann (Symbolfoto)

Von Jörg Richter

Großenhain/Riesa. Der eine hat den Ärger, der andere großes Glück. Großenhains Stadtrat Thomas Proschwitz bereut es schon, mit dem Diebstahl seines Fahrrades im Internet an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Dass er es ausgerechnet vor dem Asylheim wiederfand, hat dem Linken-Stadtrat Häme, aber auch Unverständnis eingebracht.

Proschwitz, der sich beruflich und auch privat für die Integration von Flüchtlingen einsetzt, fand deutliche Worte. „Ich habe vielfach geglaubt, es ist nicht wahr, was so über die Kriminalität der Asylbewerber geschrieben wird“, schrieb er wutentbrannt auf Facebook. „Wenn ich Gast bin, beklaue ich doch nicht meinen Gastgeber.“ Seine Enttäuschung ist groß. Auch deshalb, weil er erst in diesem Jahr 1 500 Euro für das Haus der Begegnung, wo Flüchtlinge und Deutsche zusammenkommen sollen, gespendet hat. Und nun das!

Ein Indiz, aber kein Beweis

In Riesa gibt es aber jemanden, der sich darüber freut, dass dem Großenhainer Unternehmer sein 14 Jahre altes Fahrrad gestohlen wurde. Nicht, weil er Proschwitz kennt oder ihm etwas Schlimmes wünscht. Nein, der Riesaer hat durch diesen bekannt gewordenen Fall sein eigenes Fahrrad zurück erhalten. Es ist ein nagelneues Fahrrad, das die Großenhainer Polizei ebenfalls vorm Asylheim sicherstellte. „Dieses Fahrrad hat bei der Überprüfung herausgestochen“, sagt die Dresdner Polizeisprecherin Jana Ulbricht.

Ihre Kollegen vor Ort hätten es als „fabrikneu“ beschrieben. „Zum Glück war daran ein Aufkleber eines Riesaer Fahrradhändlers angebracht“, so Jana Ulbricht. Dadurch konnte der Besitzer leicht ermittelt werden. Das neue Rad war ihm am Riesaer Bahnhof von Unbekannten gestohlen worden. Er hatte daraufhin bei der Polizei Anzeige erstattet und auch den Fahrradhändler über die Vorfall informiert. Deshalb konnte dieser sofort den Namen des Besitzers nennen.

Die Polizeisprecherin weist ausdrücklich daraufhin, dass keine Täter ermittelt werden konnten. „Da hat man bei Fahrraddiebstählen ohnehin immer einen schlechten Ermittlungsansatz“, sagt Jana Ulbricht. Denn meistens blieben nur die durchgeschnittenen Fahrradschlösser zurück. Dass zwei gestohlene Räder, wie in diesem Fall, vor einem Asylheim wiedergefunden werden, ist ein Indiz, aber kein Beweis, dass es Flüchtlinge waren.

Hat seit Beginn der Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr die Anzahl der Fahrdiebstähle im Bereich der Polizeidirektion Dresden zugenommen? Jana Ulbricht kann das nicht bestätigen. „Das ist nicht recherchierbar“, sagt die Polizeisprecherin. „Fahrraddiebstähle kommen recht häufig vor.“ Das belegen Angaben des Bundeskriminalamts. Demnach wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit 335 000 Fahrraddiebstähle verzeichnet – mehr als 900 am Tag. Und das sind nur die registrierten Zahlen. Nur neun Prozent der angezeigten Fahrraddiebstähle konnten aufgeklärt werden. Auch deshalb lasse sich kein Rückschluss auf Tätergruppen oder Nationalitäten ableiten.

Auch Thomas Proschwitz möchte sich an dieser Diskussion nicht wirklich beteiligen, auch wenn seine erste wütende Reaktion im Internet eindeutig war. „Ich bin froh, wenn die Leute im Asylheim in Ruhe gelassen werden“, sagt er.

Proschwitz ist überrascht über die großen Wellen, die sein Facebook-Eintrag ausgelöst hat. Vor allem nach Bekanntwerden in der SZ. „Ich hatte über 40 Reaktionen“, erzählt er. Manche seien unverschämt gewesen, andere enthielten Klischees und Schubladendenken.