Von Henry Berndt
Nur wenige Schritte durch das Eingangstor, schon zwitschert es energisch zwischen den Bäumen hervor. „So hört sich Stress zwischen zwei Amselmännchen um ein Weibchen an“, sagt Andreas Knoll. Er ist gern hier, auf dem Johannisfriedhof in Tolkewitz. Gleich nach der Schule oder in einer Freistunde muss der Biologielehrer an der derzeit ausgelagerten Dreikönigschule nur über die Wehlener Straße laufen, und schon taucht er ein in ein wahres Konzert aus Vogelstimmen. Hier ein Piepsen, da ein Tirili. Und von wem es auch kommt – Andreas Knoll erkennt jeden Sänger. Der 53-Jährige leitet die Fachgruppe Ornithologie des Naturschutzvereins Nabu in Dresden.
Schau mal, der da zwitschert!
Ein paar Meter den Weg entlang beobachtet er mit seinem Fernglas ein für diese Jahreszeit typisches Schauspiel in den Baumwipfeln. Zwei Blaumeisen paaren sich. Überhaupt: In jeder Ecke raschelt und pfeift es. Dabei hat der April, der typische Rückkehrmonat für die meisten Zugvögel in unseren Breiten, gerade erst begonnen. Kuckuck und Nachtigall wird man daher gerade noch vergeblich suchen, genauso wie den schwarz-gelben Pirol. Also nichts mit „Alle Vögel sind schon da“.
Im Gegenteil, einige Vögel, die hierzulande den Winter verbracht haben, sind fast schon wieder weg. Seit Mitte März ziehen beispielsweise die Saatkrähen wieder in Richtung Osteuropa zurück, wo sie den Sommer verbringen. Auch der Erlenzeisig wird in Dresdner Wäldern nicht mehr lange zu beobachten sein. Gerade frisch eingetroffen sind dagegen die Singdrosseln. Erste Zilpzalps hat Andreas Knoll schon auf dem Friedhof gesichtet. Welche Vogelarten in Dresden im Vergleich zu anderen Orten besonders häufig oder selten vorkommen, das kann Knoll nicht sagen. Noch nicht.
Seit 2016 läuft in der Stadt eine sogenannte Brutvogelkartierung, die in diesem Jahr abgeschlossen werden soll. Innerhalb festgelegter Raster werden dafür eifrig Vogelsichtungen dokumentiert. Bislang haben sich bereits rund 50 Ornithologen an dem ehrgeizigen Projekt beteiligt. Beim Nabu melden kann seine Beobachtungen aber jeder, egal ob auf der Terrasse eine Stockente brütet oder nachts der Eulennachwuchs fiept. Als Ergebnis der Kartierung erhoffen sich die Experten am Ende nichts weniger als eine flächendeckende Verbreitungs- und Häufigkeitsübersicht aller in Dresden vorkommenden Brutvogelarten. Das wäre ein Novum.