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„Massentourismus ist nicht das Ziel des Geoparks“

Die Region am Tharandter Wald soll Besuchermagnet werden. Ein Tourismus-Experte erklärt, was es dazu braucht.

Von Verena Schulenburg
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Professor Dr. Antonio Roldán-Ponce (46) leitet den Studiengang Tourismus und Event-Management an der Fachhochschule Dresden (FHD). Seine Prognose für die Zukunft des Geoparks Sachsens Mitte ist positiv, wenn, wie er im SZ-Interview sagt, bestimmte Kriteri
Professor Dr. Antonio Roldán-Ponce (46) leitet den Studiengang Tourismus und Event-Management an der Fachhochschule Dresden (FHD). Seine Prognose für die Zukunft des Geoparks Sachsens Mitte ist positiv, wenn, wie er im SZ-Interview sagt, bestimmte Kriteri © Foto: Marion Doering

Der Verein Geopark Erlebnis Tharandter Wald in Dorfhain will die Region rund um den Tharandter Wald unter dem Dach eines nationalen Geoparks Sachsens Mitte bekannter und für Touristen attraktiver machen. Herr Roldán-Ponce, haben Sie schon von dieser Idee gehört?

Die Region am Tharandter Wald ist schön. Ich kenne sie von eigenen Ausflügen mit meiner Familie. Auch von dem Projekt selbst habe ich schon gehört. Ich finde es interessant und könnte mir vorstellen, dass es wachsen kann. Dafür ist es unablässig, eine Marketingstrategie zu haben. Eine Marke ist wichtig. Das ist auch der Ansatzpunkt, der hier verfolgt wird.

Nun ist die Natur des Tharandter Waldes zwar hübsch, aber zwischen dem Elbtal und dem Osterzgebirge gelegen, gilt die Region eher als touristisch schwierig. Teilen Sie diese Ansicht und warum ist das eigentlich so?

Das Geheimnis von Tourismus liegt zunächst in der Konnektivität. Es gibt kein Urlaubsziel, keine ‚Destination‘, wie wir sagen, ohne Anbindung, ohne ein gutes Netzwerk. Es gibt viele fantastische Orte auf der Welt. Aber vielen fehlt es auch an der Infrastruktur. Sie sind schlecht zugänglich. Wenn ich auf die Region um den Tharandter Wald schaue, sehe ich, dass es genau daran mangelt. Beispiel: Es gibt vor Ort zwei große Autobahnen. Der Tharandter Wald liegt in der Mitte. Wenn ich angenommen mit dem Auto von Dresden in das Besucherzentrum nach Dorfhain fahre, brauche ich etwa 30 Minuten, mit Bahn und Bus mehr als eine Stunde. Wenn ich zwischendurch auf Anschluss warte, noch länger. Das müsste verbessert werden und sollte Teil des strategischen Planes sein. Ein solcher Plan ist natürlich nie kurzfristig. Er hat eine Vision und Ziele, nicht nur für ein bis zwei Jahre, sondern für vielleicht die nächsten zehn bis 15 Jahre. Und es gilt zu schauen, was sind die Angebote in dieser Destination. Ich denke da an Hotellerie und Gastronomie. Noch sind solche Angebote in dieser Region nicht so gut entwickelt. Das macht es bisher schwer für den Tourismus.

Kann die Region zwischen Freital, Wilsdruff, Dippoldiswalde und Halsbrücke überhaupt mithilfe der Geopark-Marke touristisch attraktiver werden?

Die Region hat das Potenzial dazu. Ich denke schon. Wichtig ist, Tourismus arbeitet auch mit Emotionen. Die Destination muss etwas Besonderes sein. Diese Besonderheit gilt es zu kreieren. Was sind die Beziehungen, welche die Besucher zu der Region haben? Damit identifizieren sich Kunden.

Das wäre in diesem Fall die topografische Mitte Sachsens und dessen geologische Besonderheit. Was braucht es denn auf dem Weg zum Touristenmagnet Tharandter Wald?

Wie schon erwähnt, es braucht einen strategischen Plan. Zu wissen, was sind die Ressourcen, was ist das Potenzial, ist wichtig. Es ist auch unablässig zu wissen, wer die potenziellen Kunden sind oder sein sollen. Wer ist die Zielgruppe? Das müssen keine Fotoapparat-Touristen sein, die von weit her anreisen. Das können auch Familien aus der näheren Umgebung sein. Auch mein Kind ist Tourist, wenn wir reisen. Dann ist es wichtig zu wissen: Eine Destination ist ein Produkt, das verkauft wird. Dieses Produkt braucht Vertrieb, zum Beispiel über eine gute Internetseite. Darüber sollten auch Tickets verkauft werden. Besucher denken stets an die Reise und den Ausflug, bevor sie dort sind. Und es braucht eine Institution, die für einen Besuch dahin Pakete anbietet, beispielsweise den Besuch im Geopark mit seinen Attraktionen, mit Übernachtung, Essen und so weiter.

Und dann ist es möglich, jedes Jahr 60 000 Besucher anzulocken, wie das Projekt es beabsichtigt?

Ja, das ist möglich. Um das zu schaffen, braucht es aber eine besondere Attraktivität und erweiterten Servicecharakter. Eine touristische Destination muss mit Qualität überzeugen. Qualität bedeutet auch, dass sich Besucher in dieser Destination wohlfühlen. Die Erfahrung, die man macht, muss echt sein. Es geht um Identifizierung mit der Region, mit welcher der Geopark korrekt ansetzt. Massentourismus ist ein Auslaufmodell. Das ist nicht das Geheimnis des Erfolgs. Es braucht loyale Touristen, die in die Region zurückkommen, die bei ihrem Besuch eine Identifizierung damit erfahren. Kinderfreundlichkeit und Fremdsprachen sollten ganz oben auf der Agenda stehen. Tourismus ist emotional positiv besetzt, zum Beispiel auch wenn ein Urlaubsziel mit einer Besonderheit überrascht.

Die Vision des Geoparks für die Region zwischen Dresden und Freiberg gibt es schon seit 2001, hervorgerufen vom Förderverein Geologie im Tharandter Wald.

Seit Juli 2015, mit der Gründung des Vereins Geopark Erlebnis Tharandter Wald, wird die Idee weiterentwickelt.

Ziel ist es, die Region in Sachsens Mitte touristisch aufzuwerten und das Bewusstsein für regionale Identität zu stärken.

2021 soll die Zertifizierung zum Geopark erfolgen. Bundesweit gibt es 16 nationale Geoparks. (SZ/ves) 

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So besonders wie die bunte Fassade am Besucherzentrum in Dorfhain, die der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art entworfen hat?

Ja, klar. Besucher dürfen schließlich nicht den Eindruck haben, es ist ein langweiliger Ort. Ein Überraschungseffekt kann die Identifizierung mit dem Ort verstärken.

Sollte es die Geopark-Initiative tatsächlich schaffen, die Region unter einem Dach besser zu vermarkten: Welche Synergien könnte das für andere Wirtschaftszweige bedeuten?

Viel zu viele Menschen glauben immer noch, Tourismus ist nebensächlich und schenken dem wenig Beachtung. Dabei macht Tourismus laut der UN World Tourist Organization derzeit zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf der gesamten Welt aus. Tourismus ist eine Einnahmequelle für Hotellerie, Gastronomie, Autovermietung und mehr. Natürlich hat Tourismus auch Auswirkungen. Ein Hotel braucht Personal und es braucht Logistik. Wo kommt das Mittagessen für die Besucher her? Synergien werden mithilfe von Tourismus kreiert. Das ist absolut notwendig und vielleicht auch das Geheimnis von Tourismus. Es nützt nichts, einen Sektor zu fördern, wenn andere nicht davon profitieren. Synergien sind daher sehr wichtig.

Das klingt vielversprechend …

Tourismus bewirkt viel. Aber man muss es richtig angehen. Es ist ein professioneller Sektor und ein Hauptelement für die gesunde Entwicklung einer Region. Es kann daher auch ein Zugpferd für die Städte und Gemeinden am Tharandter Wald sein.

Das Gespräch führte Verena Schulenburg.