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Mathe im Schnee mit dem Tour-de-Ski-Sieger

Die Woche nach dem Skiweltcup in Dresden gehört wieder dem Nachwuchs. Ex-Langläufer Tobias Angerer ist als Sportlehrer im Einsatz.

Von Michaela Widder
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Die Open-Air-Schulsportstunde mit Tobias Angerer kommt gut an.
Die Open-Air-Schulsportstunde mit Tobias Angerer kommt gut an. © Robert Michael

Spätestens als die Schulkinder am Mittag im Schnee die Holzmedaillen von Tobias Angerer umgehängt bekommen, fühlen sie wie kleine Sieger. „ Das macht so viel Spaß, wenn ich hier die glänzenden Kinderaugen sehe“, sagt der frühere Weltklasselangläufer. Die Skiarena, wo am Wochenende beim Weltcup die Top-Langläufer aus 20 Nationen am Königsufer mit Spitzengeschwindigkeiten über 40 km/h vorbeigerauscht sind, hat sich in ein Open-Air-Schulsportstadion verwandelt.

Die Drittklässler der 63. Grundschule in Dresden tragen stolz ein Leibchen über ihren dicken Skianzügen, manche noch einen Fahrrad- oder Snowboardhelm. Die meisten waren noch nie auf Langlaufbrettern unterwegs. „Es ist toll für die Kinder. In unserer Klasse standen erst zwei oder drei überhaupt auf Langlaufski“, erzählt Lehrerin Katrin Kaltofen. „Nach der Absage im vorigen Jahr waren unsere Schüler natürlich etwas enttäuscht, aber haben sich jetzt umso mehr auf den Tag gefreut.“

Die damals zweite Klasse hatte sich für die besondere Schulstunde beworben. Dann kam Sturmtief Friederike dazwischen. Die Strecke an der Elbe musste gesperrt werden. Ein Jahr später holen sie das Skierlebnis nach. „Wir machen jetzt Mathe“, erklärt Angerer. Die Kinder schauen schon erwartungsvoll. „Wir schreiben mit den Skiern ein Acht – mir alle hinterher.“

Ein kleiner Parcours ist aufgebaut. Skitty, das plüschige Maskottchen des Deutschen Skiverbandes, ist dabei und fast so gefragt wie der frühere Top-Läufer. „Es ist beeindruckend, wie schnell die Kinder lernen“, findet Angerer, der als zweijähriger Bub in Bayern das erste Mal auf Ski stand. „Wir hatten eine Loipe hinterm Haus, und meine Eltern waren sehr sportbegeistert.“

Keines der Schulkinder aus Dresden und Umgebung dürfte aber eine Loipe hinterm Haus haben, und genau deshalb hatten die Organisatoren vom Weltcup die Idee einer Schulsportwoche. Sie ist ein wichtiger Teil ihres nachhaltigen Konzepts, das sie immer wieder anpreisen und mit dem Dresden den Zuschlag beim Weltverband Fis bis 2022 bekam. In der CitySki GmbH wurden dafür 70 Paar Kinderski in drei verschiedenen Größen angeschafft.

Wie viele Kinder sich tatsächlich nach der Schulsportstunde im Schnee weiterhin für Skilanglauf begeistern, wissen die Organisatoren nicht. Allerdings sei René Kindermann, so erzählt er, bei der Verleihung des Dresdner Marketingpreises von einer Oma angesprochen worden, deren Enkel jetzt immer nach Altenberg zum Skifahren will.

Der Weltcupchef, der auch als Fernsehgesicht aus dem MDR bekannt ist, ist am Dienstag auch an der Strecke. Allerdings werkelt er mit dem Akkuschrauber an den Werbebanden, die der Wind teilweise zerstört hatte. Dabei könnte Kindermann selbst noch eine Nachhilfestunde auf Ski von Angerer gut gebrauchen.

Zusammen mit dem zweimaligen Gesamtweltcupsieger und zwei Mitarbeiterinnen stellt er am Donnerstag beim Brettl-Cup für Firmen eine Staffel – unfreiwillig, wie er betont. „Ich hatte mal vor ein paar Jahren im Urlaub in Seefeld einen Skikurs, aber meine motorischen Fähigkeiten sind nicht ganz so“, meint Kindermann.

Dass die Dresdner einen erfahrenen Mann wie Olympiamedaillengewinner Angerer für ihre Schulsportwoche gewinnen konnten, ist ein großes Plus. Das Projekt, zu dem schon der Inklusionstag mit behinderten Kindern und Jugendlichen am Montag gehörte, freut den 41-Jährigen auch als Vizepräsident des Deutschen Skiverbandes für Nachwuchsleistungssport und duale Karriere. „Wir wissen, dass wir an der Basis und im Nachwuchs viel investieren müssen“, meint Angerer. Die Schnupperstunde könnte ein kleiner Anfang sein. „Ich denke, dass 80 Prozent vorher noch nie auf Ski standen“, sagt er.

Die Nachfrage war auch in diesem Jahr groß, sodass einigen Schulen abgesagt werden musste. Rund 100 Schulkindern pro Tag lehrt der Bayer noch bis Freitag das ABC des Skilaufens. Als Trainer arbeitet der Tour-de-Ski-Premierensieger von 2007 im Gegensatz zu früheren Teamkollegen wie Axel Teichmann, Andreas Schlütter oder Jens Filbrich sonst nicht. Nach dem Karriereende 2014 hatte er Sportmarketing und -management studiert und berät Top-Athleten wie Biathletin Denise Herrmann.

Mit seiner Frau Romy, einer Ex-Biathletin aus dem Erzgebirge, hat er die Töchter Ioanna (14) und Karlotta (10) sowie den Sohn Jonathan (7). Die Familie lebt in Traunstein. „Die Älteste will jetzt Biathletin oder Langläuferin werden. Sportlich sind alle. Wir als Eltern haben es ja vorgelebt.“

Auch im nächsten Jahr will Angerer wieder beim Weltcup in Dresden dabei sein. Und seinen großen Einsatz wird er erneut in der Woche danach haben.