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Max’ Erbe für die Nachwelt

Bald ist vom berühmten Zoo-Krokodil nur noch das Skelett übrig. Der Prozess dahin ist mühsam.

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© Sven Ellger

Von Juliane Richter

Präparator Jens Ziegler hat das Zoo-Krokodil Max schon zu Lebzeiten gekannt. Allerdings nur aus sicherer Entfernung und mit dem gewöhnlichen Blick eines Zoobesuchers. Seit Anfang der Woche weiß er: „Max war wirklich richtig groß“. Da hing das berühmte Leistenkrokodil plötzlich vor ihm am Kran. Denn der 53-jährige Ziegler arbeitet für die Naturhistorischen Sammlungen von Senckenberg.

Besucherliebling des Zoos: Krokodil Max

Im September 2002 drängeln sich die Zoobesucher vor dem neuen Gehege von Leistenkrokodil Max: 90 Quadratmeter Wohnfläche, davon 66 Quadratmeter beheizter Pool und 24 Quadratmeter Sonnenbank.
Im September 2002 drängeln sich die Zoobesucher vor dem neuen Gehege von Leistenkrokodil Max: 90 Quadratmeter Wohnfläche, davon 66 Quadratmeter beheizter Pool und 24 Quadratmeter Sonnenbank.
Max am 19. April 2002  in seinem alten, kleineren Zuhause.
Max am 19. April 2002 in seinem alten, kleineren Zuhause.
Max kam 1958 in den Zoo Dresden und war damals nur 60 Zentimeter lang. Das Tier wurde fast 60 Jahre alt und hat etwa 4,50 Meter gemessen.
Max kam 1958 in den Zoo Dresden und war damals nur 60 Zentimeter lang. Das Tier wurde fast 60 Jahre alt und hat etwa 4,50 Meter gemessen.
Max auf einer Aufnahme von 1961 - drei Jahre, nachdem er in den Zoo gekommen war.
Max auf einer Aufnahme von 1961 - drei Jahre, nachdem er in den Zoo gekommen war.
Auch als noch kleines Krokodil machte Max 1961 schon einen recht furchterregenden Eindruck.
Auch als noch kleines Krokodil machte Max 1961 schon einen recht furchterregenden Eindruck.
Reproduktion der alten Tierbestandskarteikarte von Max im Zoo Dresden.
Reproduktion der alten Tierbestandskarteikarte von Max im Zoo Dresden.
Seit dem 6. Juli 2015  ist Max weg. Pfleger hatten das Krokodil am Montagmorgen tot in dem Gehege gefunden, das er seit 2010 bewohnte.
Seit dem 6. Juli 2015 ist Max weg. Pfleger hatten das Krokodil am Montagmorgen tot in dem Gehege gefunden, das er seit 2010 bewohnte.
Der Dresdner Zoo trauert um seinen Besucherliebling.
Der Dresdner Zoo trauert um seinen Besucherliebling.
Auch Tierärztin Eva Ziemssen und Pfleger Michael Scheffert müssen den Verlust von Max noch verarbeiten.
Auch Tierärztin Eva Ziemssen und Pfleger Michael Scheffert müssen den Verlust von Max noch verarbeiten.
Zuletzt war Max sehr krank. Am 9. Juni 2015 wird das betäubte Tier von Experten untersucht. Sie stellten unter anderem ein entzündetes Bein fest.
Zuletzt war Max sehr krank. Am 9. Juni 2015 wird das betäubte Tier von Experten untersucht. Sie stellten unter anderem ein entzündetes Bein fest.
Max beim Aufwachen aus der Narkose nach der Untersuchung.
Max beim Aufwachen aus der Narkose nach der Untersuchung.
Auch der kranke Max bekam noch sehr viel Besuch, die Dresdner fieberten mit. In den vergangenen Tagen gab es Anzeichen, dass sich das Tier wieder erholt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Foto: Christian Juppe  /  / Sächsische Zeitung
Auch der kranke Max bekam noch sehr viel Besuch, die Dresdner fieberten mit. In den vergangenen Tagen gab es Anzeichen, dass sich das Tier wieder erholt. Foto: Christian Juppe / / Sächsische Zeitung
Der Kadaver von Max wird jetzt in Berlin untersucht, um die genaue Todesursache herauszufinden.
Der Kadaver von Max wird jetzt in Berlin untersucht, um die genaue Todesursache herauszufinden.

Dort auf das Gelände in Klotzsche haben die Zoomitarbeiter den Tierkörper noch am Montag, Max‘ Todestag, gebracht. Der Kontakt zwischen beiden Einrichtungen besteht seit Jahren. Immer wieder einmal wird ein Zootier dort präpariert und in die Sammlung, die aus mehr als 50 000 Exponaten besteht, aufgenommen. Doch Max ist ein Sonderfall. Wegen seiner Körperlänge von 4,90 Meter hätte er liegend nicht in den Kühlraum des Museums gepasst. Mit einem Seil, das um den etwa 370 Kilogramm schweren Leib gebunden war, wurde er an einem Kran im Raum aufgehängt. Das ist auch für die weiteren Arbeitsschritte wichtig. „Wir haben auf den ersten Blick gesehen, dass sich wegen der Hitze seine oberste Hautschicht bereits ablöst. Deshalb kam auch kein Ganzkörperpräparat mit Haut infrage“, sagt Ziegler. Max war an besagtem Montag bereits in ein Berliner Institut gebracht worden, deren Experten ihn wegen der Todesursache untersucht haben. Wenige Stunden später ging es bei rund 25 Grad Celsius im Transporter zurück nach Dresden.

Wegen des Körperzustandes hat sich Jens Ziegler gemeinsam mit Sektionsleiter Raffael Ernst für das Anfertigen eines Skelettpräparates entschieden. Ein solches vollständiges Skelett dieser Größe ist laut Ernst überaus selten. „Wir haben immer wieder Anfragen von Paläontologen aus der ganzen Welt, die fossile Fragmente gefunden haben und nun ein Vergleichsskelett suchen“, sagt Ernst. Damit könnten sie die stammesgeschichtliche Entwicklung der Tiere und in dem Fall der Krokodile genau nachvollziehen.

Durchnummerierte Knochen

Bis Max den Wissenschaftlern jedoch auf diese Art zur Verfügung steht, werden noch Wochen vergehen. Zunächst ist Präparator Jens Ziegler mithilfe eines Kollegen damit beschäftigt, die schwere Krokodilhaut vom Körper zu trennen. Denn diese ist teilweise mit den Rückenwirbeln verwachsen. Wenn das geschafft ist, muss der größte Teil des Fleisches vom Knochen gelöst werden. Für Max-Fans ist das sicher keine schöne Vorstellung, eine Alternative hätte es nach Ansicht der Experten aber nicht gegeben. Und auch der Zoo wollte, dass trotz des traurigen Todes zumindest noch die Wissenschaft einen Nutzen von dem knapp 60 Jahre alten Leistenkrokodil hat. Damit am Ende das vollständige Skelett entsteht, müssen die einzelnen Bestandteile des Körpers in eine Mazerieranlage. In dem verschließbaren Behälter liegen sie wochenlang in 38 Grad Celsius warmem Wasser, bis die reinen Skelettteile übrig bleiben. Jens Ziegler schätzt, dass bei der Größe der Teile mindestens vier Wochen nötig sind, bis der Vorgang abgeschlossen ist.

Bei kleineren Tieren nutzen die Wissenschaftler mitunter auch Speckkäfer, welche die Knochen vom Fleisch befreien. Das habe sich in diesem Fall aber genauso wenig angeboten wie der Einsatz von Enzymen. Hier sei die Gefahr zu groß, dass sie die Knochensubstanz angreifen. Deshalb setzt Ziegler lieber auf die langsame Methode im Wasser. „Im Anschluss müssen die Knochen noch entfettet werden, weil sie sonst verwesen könnten“, erklärt Sektionsleiter Ernst. Bei allem ist große Achtsamkeit gefragt, damit das Skelett, das aus Hunderten Einzelteilen besteht, nicht durcheinandergewürfelt wird. Denn die Teile sollen genau zuzuordnen sein und werden entsprechend nummeriert. Allerdings ist vorgesehen, sie nicht als zusammengesetztes Skelett auszustellen, sondern sie gruppenweise in Kartons aufzubewahren. Damit werden sich die Überreste von Max zu einzelnen Skelettteilen in einem Sammlungsraum gesellen.

Darin lagern bereits auch mehrere Schädel von Leistenkrokodilen. „Viele Exponate stammen noch aus der Kolonialzeit, sind aber nicht vollständig“, sagt Raffael Ernst. Vom Schädel von Max wollen die Forscher noch einen dreidimensionalen Scan anfertigen lassen, der als Vorlage für eine Replik aus Kunststoff dienen soll. Diese möchten die Naturhistorischen Sammlungen gern dem Zoo übergeben, damit sie den Kindern der Zooschule gezeigt werden kann. Und das Original – das bleibt erst einmal nur den Forschern zugänglich.