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Mehr als Kneipe oder Jugendzentrum

Seit 28 Jahren gibt es den Hafenstraße e. V. in Meißen. Für die Verantwortlichen ist der Betrieb ein Marathonlauf.

Von Daniel Krüger
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Kerstin Urban (rechts) und ihre Kollegen im Saal des Hauptgebäudes der Hafenstraße 28. Hier wurde im vergangenen Jahr ein neuer Fußboden verlegt, um Senioren und Körperbehinderten den barrierefreien Zutritt zu ermöglichen.
Kerstin Urban (rechts) und ihre Kollegen im Saal des Hauptgebäudes der Hafenstraße 28. Hier wurde im vergangenen Jahr ein neuer Fußboden verlegt, um Senioren und Körperbehinderten den barrierefreien Zutritt zu ermöglichen. © Foto: Claudia Hübschmann

Meißen. Zunächst geht es die Steintreppe herauf, dann holt Kerstin Urban den Schlüssel aus ihrem Fließpullover und öffnet die Tür. Drinnen öffnet sich ein großer Foyerraum, die Wände teils ockerfarben, Bildercollagen aus vergangenen Jahren reihen sich aneinander. Auf einem Sofa am Fenster sitzt ein junger Mann, bärtig, sportliche Klamotten, Rucksack. „Entschuldigen Sie, ich wollte die Schlüssel meiner Freundin abholen“, sagt er.

„Nun wartest du mal, ich hab hier gerade Besuch“, sagt Kerstin Urban mit eindringlicher Stimme und geht in den Mitarbeiterraum des Hafenstraße e. V., einem Verein, den es seit 28 Jahren gibt und der in Meißen zu einer festen Größe gehört. „Der kommt her, weil er von seiner Freundin geschickt wird. Bundesfreiwillige, lässt sich hier aber einfach nicht mehr blicken, keine Lust auf Arbeit. Da hab ich kein Mitleid mit“, erklärt Urban entschlossen.

Wer nicht mitarbeitet, hat hier nichts zu suchen, so wohl der Tenor. Und Arbeit gibt es in der Hafenstraße eine Menge, sie wird auch nicht weniger, seit Kerstin Urban im Jahr 2000 angefangen hat,für den Verein zu arbeiten.

Kneipe, Kantine, Kulturzentrum

Um die Jahrhundertwende herum war das Gebäude in der Hafenstraße 28 mal eine Schankwirtschaft mit Festsaal, später beherbergte es eine Schulkantine, dann stand es lange Zeit leer, verfiel immer mehr.

Bis sich die Initiative „Kinderfreundliches Meißen“ mit Puppenspiel- und Theaterfreunden zusammentat, um das Haus wiederzubeleben. „Die Idee war es, die Ressourcen, die da waren, einfach zu bündeln und zu sagen: Wir tun etwas für Kultur und Sozialarbeit in der Stadt“, erklärt Urban. Längst ist die Hafenstraße in der Stadt eine fest etablierte Größe, wird von Meißnern aller Schichten und Altersklassen gleichermaßen geschätzt.

Daran nicht ganz unschuldig ist auch der Pächter der Hafenstraßenkneipe, Heiko Nemitz, den alle nur „Heinz“ nennen. Anfang der 90er-Jahre, als nach der Wende die lebendige Wirtshauskultur kaputtging, auch weil die Preise stiegen und viele in den Westen abwanderten, übernahm Nemitz die Räumlichkeiten, die viel mehr sind als eine einfache Kneipe.

Neben warmen Gerichten bietet der Pächter in Kooperation mit dem Verein auch regionalen Künstlern eine Plattform, die hier in wechselnden Ausstellungen ihre Werke präsentieren – und zum Verkauf anbieten. Der musikalische Stammtisch, der ursprünglich eher intern für die Gründungsmitglieder gedacht war, zog schnell Jugendliche an, auch weil ihnen der Nebenraum der Kneipe als kostenloser Proberaum zur Verfügung gestellt wurde. Über zu wenig Gäste kann sich Nemitz nicht beklagen, das Problem der fehlenden Kneipen in Meißen bleibt hingegen.

Seit das einzige Irish Pub der Stadt im Oktober schließen musste, ist die Hafenstraße noch stärker zum abendlichen Treffpunkt geworden. Um Ärger zu vermeiden, entschied sich Urban, die direkten Nachbarn einzubeziehen. Deshalb finden seit 2004 regelmäßig 80er-Jahre-Feiern im großen Saal des Hauptgebäudes statt. „Viele dachten zuerst, wir wären ein Jugendzentrum. Jetzt tanzen hier auch Großeltern mit ihren Enkeln“, sagt Urban lachend.

Fördergelder sind knapp

Das generationsübergreifende Element ist hier allen wichtig, auch weil die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass Solidarität und kollektive Verantwortung nach der Wende immer mehr verloren gegangen sind. „Früher gab es zum Beispiel für die Kids sehr viele kulturelle und soziale Angebote“, sagt Urban. Diese Kultur möchte der Verein durch gezielte Sozialarbeit wiederbeleben. Das ist nicht immer leicht, die Fördergelder sind zu knapp, mehr Mitarbeiter kaum zu bezahlen.

Weil das Budget gering, das Engagement aber umso größer ist, ist in der Hafenstraße fast alles selbst gemacht. „Immer wenn etwas Geld da ist, sanieren wir ein Stück“, sagt Urban und verweist auf die in der eigenen Holzwerkstatt gebauten Treppen und Schränke.

Auch in der Elektro- und Metallwerkstatt wird kräftig gelötet, geschweißt und zusammengeschraubt. „Teure Ausschreibungen können wir uns nicht leisten“, meint Urban. Hier arbeiten Bundesfreiwillige, aber auch Langzeitarbeitslose, die ins Berufsleben zurückfinden möchten. Dass es trotz aller Widerstände immer einen gemeinsamen Weg gibt, lebt ihnen das Team von Kerstin Urban auf eindrucksvolle Art und Weise Tag für Tag vor.