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Mehr Anfragen nach Kirchenasyl

Kirchen sind für Flüchtlinge meist die letzte Hoffnung. Sie gewähren Unterschlupf, bis die Frist zur Abschiebung verstrichen oder Probleme im Asylverfahren geklärt sind. Die Nachfrage in Sachsen ist gestiegen.

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Dresden. Bei der evangelischen Landeskirche Sachsens sind im vergangenen Jahr etwa ein Drittel mehr Anfragen nach Kirchenasyl gestellt worden wie 2015. Die Zahl derer, die in der Regel Probleme im Asylverfahren haben und Hilfe suchen, hat sich laut Statistik von 32 auf 50 erhöht. In diesem Jahr stehen bereits 100 zu Buche, wie der Ausländerbeauftragte Albrecht Engelmann der Deutschen Presse-Agentur in Dresden sagte. Das spreche für eine nachgelassene Qualität der Asylverfahren. Mann, Frau, Ehepaar, Familie - die Mischung der Bittsteller ist bunt.

Die Pfarrer in den Bistümern Görlitz und Dresden-Meißen sind gehalten, Betroffene an die Sächsische Härtefallkommission zu verweisen, die Entscheidungen im Asylverfahren prüft, erklärte der Leiter des Katholischen Büro Sachsen, Christoph Pötzsch. Aktuell gebe es nur Kirchenasyl für einen Mann in Stollberg. Bei der Landeskirche sind nach Angaben von Engelmann derzeit drei Fälle anhängig. 2016 wurden acht von elf Kirchenasylen beendet - im Vergleich zu 2015 gut doppelt so viele.

„Es gibt manchmal große Illusionen nach dem Motto: wenn es beim Staat nicht klappt, machen wir es bei der Kirche“, erzählte Engelmann. In der Tat seien etwa psychische Folgen bei Flüchtlingen als Aspekt für Schutzwürdigkeit gar nicht beachtet worden. „Wenn das System Mängel hat, muss man sie auch deutlich machen.“ Die Landeskirche komme da gut durch mit ihren Argumenten.

Die Entscheidung über die Gewährung von Kirchenasyl obliegt den Kirchengemeinden. „Bei uns läuft das als stilles Kirchenasyl, sagte Engelmann. Der Verzicht auf Öffentlichkeit helfe auch in politischen Fragen. Wenn es aber Skandalisierung brauche, „werden wir das auch tun“, betonte er.

Pötzsch sieht den Begriff Kirchenasyl eher problematisch, weil er ein falsches Versprechen gebe und bei Asylantragstellern falsche Hoffnungen wecke. „Er besagt: Jetzt bin ich sicher.“ Aber es gebe keinen Raum, in dem Menschen vor dem Zugriff des Staates sicher sind, auch die Kirche sei kein rechtsfreier Raum. „Kirchenasyl gibt es strenggenommen weder im staatlichen noch kirchlichen Recht, sondern erklärt sich allein aus der historischen Tradition der Kirche.“

Mit der Vereinbarung zwischen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen habe es eine Quasi-Rechtfertigung erhalten. Danach gilt laut Pötzsch: „Die Kirche ist keine Instanz im Asylverfahren“. Wenn es im Einzelfall Entscheidungen gibt, die augenscheinlich grob rechtsstaatswidrig sind oder wenn dahinter eine unzumutbare und nicht berücksichtigte Härte liegt, können Kirchen den Petenten aufnehmen „und mit ihrer Kraft eine Entscheidung herbeiführen“.

„Wir haben in Sachsen eine Härtefallkommission, die nicht nur sehr stark, sondern auch sehr gründlich ist und sehr fair arbeitet“, sagte Pötzsch. Alle Fälle, die im Dunstkreis der katholischen Kirche auftauchten, gingen zunächst dorthin. „Und wir haben nie wieder etwas gehört.“ (dpa)