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Wirtschaft

2 000 Lehrstellen bleiben unbesetzt 

Liegt es an fehlenden Informationen? Der Chef der sächsischen Arbeitsagenturen möchte mehr Berufsberater in die Gymnasien schicken. 

Von Georg Moeritz
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Die Qual der Berufswahl: Emma Rehbock kann sich zwischen drei Berufsfeldern nicht recht entscheiden, Max Thomas will in den Einzelhandel. Die beiden Dresdner Schüler bekommen viel Berufsberatung am Gymnasium, doch das ist nicht überall so.
Die Qual der Berufswahl: Emma Rehbock kann sich zwischen drei Berufsfeldern nicht recht entscheiden, Max Thomas will in den Einzelhandel. Die beiden Dresdner Schüler bekommen viel Berufsberatung am Gymnasium, doch das ist nicht überall so. © Foto: dpa/Robert Michael

Emma Rehbock wollte nie Prinzessin werden. Laut Arbeitsagentur ist das ein häufiger Berufswunsch von Grundschülerinnen. Doch die 14-Jährige erinnert sich, dass sie immer Ärztin werden wollte. Nun steht allerdings ein Praktikum voraussichtlich beim Software-Unternehmen SAP an, und vielleicht entscheidet die Achtklässlerin sich schließlich für Ingenieurwissenschaften. Verwandte rieten dazu.

Die Qual der Wahl zwischen mehr als 300 Berufen ist nicht leichter geworden, seit Arbeitsagentur und Kammern im Internet informieren. Auch das Angebot auf Messen erschlägt manche Schüler geradezu, sagt Daisy Gärtner, Berufsberaterin der Bundesagentur an sieben Dresdner Schulen – darunter dem Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasium in der Südvorstadt, an dem auch Emma Rehbock lernt. Sie hat allerdings den Vorteil, dass dort Schulleiterin Sandra Gockel großen Wert auf Berufs- und Sozialpraktika legt.

Die Schüler werden von der siebten Klasse an bei Berufs- oder Studienorientierung begleitet, auch Eltern erzählen in der Schule von ihrer Arbeit. Der 16-jährige Max Thomas hat auch schon einen festen Berufswunsch: Er will Kaufmann im Einzelhandel lernen, hat ein Praktikum bei Lidl gemacht und will sich nun zwischen Edeka und Konsum entscheiden. Da könne er im Team arbeiten und habe eine feste Struktur, sagt Max Thomas.

Der Chef der sächsischen Arbeitsagenturen, Klaus-Peter Hansen, möchte die Berufsberatung an den Schulen weiter ausbauen. Von Herbst an kämen Berufsberater in alle 9. Klassen der Gymnasien, bisher gibt es sie nicht überall. Damit will Hansen auch einen Wunsch von Industrie und Handwerk erfüllen: Sie klagen darüber, dass zu viele Gymnasiasten in Richtung Studium orientiert würden, die Ausbildung müsse gleichberechtigt sein. Laut Hansen sind derzeit 13 Prozent Gymnasiasten unter den Interessenten für Lehrstellen. Auf eine Ausbildung könne später ein Studium folgen oder ein Meisterkurs. Entscheidend sei, dass die Schüler sich selbst fragten: „Was machst du gerne, was kannst du gut.“

In diesem Jahr werden voraussichtlich rund 2 000 Lehrstellen in Sachsen unbesetzt bleiben. Das ist Hansens Schätzung aufgrund erster Zahlen vom Ausbildungsmarkt. Die Unternehmen bieten gut 17 000 Ausbildungsplätze an, etwa 1,5 Prozent mehr als voriges Jahr. Bei den Arbeitsagenturen haben sich jedoch nur rund 16 000 Bewerber gemeldet, gut fünf Prozent weniger als voriges Jahr. Etwa 6 000 von ihnen haben bereits einen Betrieb gefunden, „manche auch zwei oder drei, das erzählen sie einem erst später“. Laut Hansen müssen die Betriebe bei der Suche nach Lehrlingen kreativer werden und kommen auch nicht „an der Frage der guten Ausbildungsvergütung vorbei“. Sie sollten Bewerber mit einer schlechten Schulnote nicht von vornherein ausschließen, sondern auf Stärken und Talente achten. Ohnehin erwartet der Arbeitsagentur-Chef, dass fachliche Kenntnisse künftig nicht mehr so wichtig sind wie soziale und die Kompetenz zum Problemlösen – denn Fachliches lasse sich ja zunehmend online nachschlagen. Das hören die Lehrer allerdings nicht gerne.

Sachsens Arbeitsmarkt bietet derzeit laut Hansen mehr als 37 000 freie Stellen. Der Zuwachs hat im März allerdings nachgelassen. Offiziell arbeitslos gemeldet sind 123 531 Sachsen, vor einem Jahr waren es noch über 13 000 mehr. Weitere rund 47 000 Menschen suchen Arbeit, sind aber in Weiterbildung oder Ein-Euro-Jobs.

© Grafik: SZ