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Mehr Raser auf Nebenstraßen

An vielen kleinen Strecken beschweren sich Anwohner über Temposünder. Doch die Polizei wird woanders gebraucht.

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© dpa

Von Christoph Scharf

Die Autos sind schon von Weitem zu hören: Wer am Haus von Ute Thiel vorbeifährt, hat selten Tempo 50 drauf. Denn bis zum Meißner Ortsausgangsschild Richtung Diera sind es nur noch wenige Meter. „Die fahren einem hier die Hacken ab“, sagt die Rentnerin. „Muss erst was passieren, bevor jemand was tut?“

Das Problem beschäftigt längst nicht nur die Meißner. In Nossen reagierte man jetzt auf Anwohner-Beschwerden, indem man an vier verschiedenen Orten ein Messgerät installierte. Der schwarze Kasten ist kaum zu erkennen, zeichnet aber tagelang die Geschwindigkeit jedes einzelnen Autos auf – ohne zu blitzen. So erhält man unverfälschte Werte. „Wir wollten objektive Daten“, sagt Nossens Bürgermeister Uwe Anke (parteilos). „Steht ein Blitzer am Rand, treten viele Fahrer doch auf die Bremse.“

Und was sagen die Daten? Teils ist es so, dass die Wahrnehmung der Anwohner täuscht. An der Gutsstraße etwa, einer Nebenstraße am Gewerbegebiet Augustusberg, sind die meisten Fahrer nicht mit erlaubten 50 unterwegs, sondern langsamer – zwischen 35 und 45. Auch in der 30-Zone nebenan fährt kaum einer schneller als 40.

Als richtiger Treffer allerdings erwies sich die Kontrolle in Schrebitz bei Krögis, einem Dorf fernab aller Hauptstraßen. Dort gilt ebenfalls 30. Tatsächlich rast mancher mit mehr als 90 durch den Ort, in dem ein knappes Dutzend Kinder leben. Üblich sind dort Geschwindigkeiten zwischen 40 und 80. Nur 30 fährt kaum jemand.

„Da sind dringend Maßnahmen nötig“, sagt Reiner Werner vom Polizeirevier Meißen. Der Verkehrsspezialist stellte die Ergebnisse der Messungen in Nossen vor – und gleichzeitig Maßnahmen, um das Raserproblem in den Griff zu bekommen. In Schrebitz ist die Sache klar: Hier prüft die Polizei, ob der Standort für eine Kontrolle mit der Laserpistole geeignet ist. Gleichzeitig geht ein Brief ans Kreis-Ordnungsamt, damit dessen Blitzerauto sich mal ins Dorf stellt. Allerdings bleibt ein Problem: Durch Schrebitz fahren Tag für Tag nur 80 Autos. Da kann schon mal eine halbe Stunde vergehen, ohne dass jemand kommt. Zudem gab es dort seit Jahren keine Unfälle.

„Unter den Bedingungen wären regelmäßige Kontrollen in Schrebitz nicht zu rechtfertigen“, sagt Reiner Werner. Denn die Meißner Polizisten müssen vorrangig die Strecken überwachen, die als unfallträchtig gelten – davon gibt es im Reviergebiet zwischen Nossen und Radeburg nicht wenige. „Bei der Auftragslage muss man abwägen, wo man die Leute hinschicken kann.“ Ein Ort wäre etwa die B 101 in Wendischbora, wo ebenfalls per schwarzem Kasten gemessen wurde. Dort fahren 6.500 Fahrzeuge pro Tag, von denen die meisten deutlich zu schnell sind. In Höhe der Bushaltestelle sind Werte bis Tempo 80 oder 85 üblich. „Das ist nicht mehr zu tolerieren“, sagt der Hauptkommissar.

Auf der Bundesstraße wird man den Blitzer wohl bald häufiger antreffen – aber was ist mit all den kleinen Nebenstraßen, wo ebenfalls gerast wird? Der Verkehrsexperte schlägt den Städten und Gemeinden eine ganze Reihe anderer Lösungen vor. Etwa das Anordnen von Parkflächen abwechselnd rechts und links der Straße, sodass die Fahrbahn schmaler wird. Aufwendiger wäre der Einbau einer Verkehrsinsel samt eines Schwenks in der Fahrbahn. Von häufig geforderten Schwellen oder gepflasterten Huckeln hält er dagegen nichts. „Die bringen oft mehr negative Folgen als positive.“ So seien die Erschütterungen von darüberrollenden Lkws bis 100 Meter weiter in den Wohnungen zu spüren. Der Winterdienst bekomme mit den Schwellen Probleme. Radelnde Schulkinder könnten bei Nässe stürzen. In Nossen will man die Varianten nun prüfen. In Meißen bittet man zunächst um Hinweise ans städtische Ordnungsamt – ein Raserproblem am Dieraer Weg war dort bislang noch nicht bekannt.