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Abschied vom Tagebuch

Sächsische.de-Reporter Thomas Möckel schildert täglich den Alltag zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung.

Von Thomas Möckel
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Sächsische.de-Reporter Thomas Möckel: Arbeiten im Wohnzimmer.
Sächsische.de-Reporter Thomas Möckel: Arbeiten im Wohnzimmer. © Daniel Schäfer

Donnerstag, 30. April: Ich habe heute festgestellt, wie schnell doch die Zeit verfliegt. Am 17. März habe ich begonnen, dieses Tagebuch zu schreiben, noch ungewiss, welche Herausforderungen wohl vor uns liegen angesichts des behördlich eingeschränkten Lebens.

Seither pendelt mein Leben, wie bei so vielen, zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung, zwischen Mangelware und Maskenpflicht, zwischen Hoffnung und Ungewissheit. Vor uns allen lag eine Zeit, wie wir sie noch nie gekannt geschweige denn erlebt haben. Und sie ist noch längst nicht vorbei.

So entschied ich mich, diesen ungewohnten Alltag aufzuschreiben, all die Dinge, all die Probleme, die mich beschäftigen, so profan sie manchmal auch sein mögen. Aber das Leben besteht nun mal aus den scheinbar unscheinbaren Kleinigkeiten, erst aus dem Kleinen setzt sich das große Ganze zusammen. 

Ich bin in dieser Zeit vielen Menschen begegnet, Menschen, die Hoffnung machen, Menschen, die anderen helfen, Menschen mit Existenzängsten. Ich bin dankbar, dass ich sie begleiten durfte und sie sich mit all ihren Sorgen und Nöten offenbart haben. 

Nun dürfen wir zwar wieder mit einigen Lockerungen leben, aber die Rückkehr zur Normalität wird noch lange dauern. Gleichwohl habe ich mich entschieden, mich vom täglichen Tagebuch zu verabschieden, nicht jeden Tag ist mein Leben so spannend, um davon zu erzählen. 

Ganz los werden Sie mich allerdings nicht, ich werde von nun an in einem kleinen Wochenrückblick die Ereignisse schildern. 

Ich bedanke mich bei allen treuen Lesern, für all die guten und mutmachenden Zuschriften, aber auch für die Kritik. Bleiben Sie, liebe Leser, uns auch weiterhin gewogen, gesund und vor allem gut behütet. 

Harmonie im Kinderzimmer

Mittwoch, 29. April: Kind eins ist zwar nur knapp zwei Jahre älter als Kind zwei, zuweilen liegen aber Welten zwischen den beiden. Die Geschwisterliebe kennt deutliche Grenzen. Oft fühlt sich der eine vom anderen genervt, dann kommen beunruhigende Geräusche aus den Kinderzimmern, man geht sich auf den Geist, brüllt sich an, verweist den anderen des Zimmers. 

Wenn das schon zu Normalzeiten so ist, befürchtete ich Schlimmes für die Zeit, in der sie nicht in die Schule gehen können und nun noch mehr aufeinander hängen als sonst. Ich sah schon Kampfgetümmel im Kinderzimmer vor mir, blutige Nasen, ja, ganze Schlachten ums Spielzeug.

Ich befürchtete, der Lagerkoller könnte ihn derart aufs Stammhirn schlagen, dass sie gar nicht mehr miteinander reden und sich jeder für sich in seinem Zimmer isoliert. Vorsichtshalber bereitete ich schon einige Stichpunkte für mögliche Friedensverhandlungen vor. 

Doch zu meiner Überraschung, welch Wunder, herrscht seit Wochen Harmonie im Kinderzimmer. Die beiden spielen einträchtig miteinander, planen ihren Tagesablauf gemeinsam, streiten kaum. Kind zwei lässt sich von Kind eins sogar bei den Schulaufgaben helfen, das war lange Zeit undenkbar.

Ich freue mich über diese Einmütigkeit und dass sie so gut miteinander harmonieren, es hilft ungemein, nicht ständig den Schlichter geben zu müssen, weil ich an den Arbeitstagen leider ohnehin wenig Zeit für sie habe. 

Von Kind eins kommt stets die beruhigende Ansage: "Papa, mach Du Deine Arbeit, wir kümmern uns schon." Das macht mich stolz, ich bin aber mal gespannt, wie lange der Geschwister-Frieden hält. Der nächste Knatsch kommt bestimmt.

Mit Humor durch die Krise

Dienstag, 28. April: Ich habe in den vergangenen Tagen viele Menschen getroffen, mit denen es das Leben gerade nicht sonderlich gut meint. Künstler ohne Auftritte, Schausteller ohne Rummel, Gastwirte ohne Gäste, Menschen in Kurzarbeit.

Für viele von ihnen ist die derzeitige Situation geradezu unerträglich, weil sie Existenzsorgen plagen und wichtige Einnahmen fehlen. 

Doch eines habe ich bei vielen gespürt: Trotz der misslichen Lage ist ihnen ihr Humor nicht abhanden gekommen. Für die meisten, so erfuhr ich, lasse sich die Krise am besten mit Humor bewältigen. Freilich ist es oft schwarzer Humor, aber immerhin. 

Das merke ich auch an mir selbst. Ich kann in schwierigen Situationen zuweilen sehr herzlich über mich selbst lachen, wenn ich mich bei Schusseligkeiten ertappe, beispielsweise, wenn ich jetzt morgens durch die Wohnung hetze in der irrigen Annahme, ich müsse dringend ins Büro. Oder als ich neulich früh erschrocken auf den Wecker schaute, mir ein "Mist, wir haben verschlafen" herausrutschte, weil doch die Kinder in die Schule müssen. 

Der Weg zur Fähigkeit, über mich selbst lachen zu können, war lang, aber dank dieses Humors habe ich inzwischen einige schwierige Zeiten irgendwie besser durchlebt. Krisen brechen über einen herein, ob man will oder nicht. Das Einzige, was dann bleibt, ist, sie irgendwie erträglich zu machen. Das funktioniert bierernst meist nicht so gut.

Ich weiß auch, dass vielen Menschen gerade nicht zum Lachen zumute ist, ihnen will ich auch nicht zu nahe treten. 

Ich für mich halte es aber mit meinem Lieblingsschriftsteller Hermann Hesse, von dem dieses Zitat stammt: "Nun, aller höhere Humor fängt damit an, dass man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt."

Hilfe, die Pollen sind da!

Montag, 27. April: Ich gebe zu, trotz verlockendem Sonnenschein und milder Temperaturen gehört der Frühling nicht zu meinen Lieblingsjahreszeiten. Das liegt weniger daran, dass ich eine lichtscheue Gestalt bin, sondern vielmehr daran, dass mit jedem Knospenausbruch eine andere Seuche übers Land kommt, egal, ob Corona oder nicht: die Pollenallergie.

Sie ist nicht nur fühl- sondern auch sichtbar, derzeit sogar sehr offensichtlich, mein dunkles Balkongeländer sowie mein Auto sind bedeckt mit einer Schicht gelben Blütenstaubs, dem man gar nicht so entrinnen kann, so sehr man auch möchte. 

So muss ich zusätzlich zu den ohnehin schon verschärften Corona-Regeln einige Sicherheitsvorschriften beachten: öfter Haare waschen, die Wäsche nicht draußen trocknen, nachts die Fenster geschlossen halten, möglichst wenig rausgehen.

Da erweist es sich zurzeit als großer Vorteil, dass ich wegen Corona sowieso im Homeoffice kaserniert bin. Da kann es draußen herumpollen, wie es will, hier drin erwischen mich die Niesattacken-Auslöser eher selten. 

Es ist auch so schon schlimm genug, weil man den Pollen nicht generell ein Betretungsverbot von Räumen erteilen kann. Und so gehören Nasenspray und Augentropfen derzeit zu meinen besten Freunden. 

Ich scheue mich auch ein wenig, nach draußen zu gehen. Was, wenn ich im Geschäft einen Niesanfall bekommen? Werde ich dann vom Sicherheitsdienst abgeführt und einem Corona-Zwangstest unterworfen?

Also, Obacht da draußen: Nicht jeder, der vor sich hin niest, ist vom neuartigen Virus befallen. Es könnte durchaus auch jemand sein, dessen durcheinander geratenes Immunsystem gerade mit gelbem Blütenstaub ringt.

Verwirrende Mathematik

Sonntag, 26. April: Kind zwei war am Wochenende sehr erleichtert. Seine Lehrerin hatte die Aufgaben für die nächste Woche geschickt, es sind diesmal nicht ganz so viele wie sonst.

Das hat aber weniger mit dem Feiertag am 1. Mai zu tun. Es lag vielmehr daran, dass die Aufgaben der Vorwoche etwas schwierig waren. Es galt, zweistellige Zahlen zu dividieren. Die Kinder mussten die Zahl so zerlegen, dass sie sich jeweils leicht durch den Divisor teilen lassen, um dann daraus das Ergebnis zu errechnen. Sie können noch folgen? Kind zwei jedenfalls hatte anfangs viele Fragezeichen in den Augen. 

Ich gebe zu, mein mathematisches Verständnis ist eher schlichterer Natur, doch irgendwie gelang es mir, mich in diesen Zahlensalat hineinzuversetzen. Aber selbst die Lehrerin gab zu, dass diese Aufgaben für viele Kinder zu verwirrend waren und sie jetzt Zeit haben sollen, um das alles nochmal nachzuarbeiten.

Trotzdem denke ich mir: So kann es auf Dauer nicht weitergehen. Zwar sollen die Eltern von Grundschülern derzeit nicht Lehrer spielen und neuen Stoff vermitteln, allerdings sah ich mich mit dieser Rolle schon einige Male konfrontiert. 

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