Von Frank Christiansen, Essen
Als die schwarze Gestalt in ihrer Wohnung auftaucht, erschrickt Neriman Yaman mächtig. Die Gestalt trägt eine Burka mit Gitter über dem Augenschlitz und schwarze Handschuhe. Es ist die neue Freundin ihres Sohnes Yusuf. Die 37-jährige Yaman ist zwar selbst Muslimin, aber diese radikalen Umtriebe sind ihr nicht geheuer.
Beide, die Mutter und ihr damals 15 Jahre alter Sohn, sind in Gelsenkirchen aufgewachsen. Seit April sitzt Yusuf im Gefängnis. Der inzwischen 16-Jährige hat sich der Polizei gestellt und gestanden, eine Bombe vor dem Sikh-Gebetshaus in Essen deponiert zu haben. Menschen habe er aber nicht verletzen wollen.
Die Tat kommt nicht aus heiterem Himmel. Zwei Jahre zuvor war er in salafistische Kreise geraten. Seine Mutter führte einen verzweifelten Kampf gegen sein Abrutschen. Nun hat sie ein Buch darüber geschrieben („Mein Sohn, der Salafist“).
Die Yamans kommen aus Anatolien, die Kinder sollten es einmal besser haben. Neriman Yaman trug in ihrer Jugend im Ruhrgebiet zerrissene Jeans, Lederjacke und hörte Rock n’Roll. Fundamentalismus ist der Familie fremd.
Als Yusuf beginnt, sich zu verändern, ist er 14. Dass er aufhört zu rauchen und sich plötzlich für den Islam interessiert, nimmt die Familie noch wohlwollend zur Kenntnis. Doch dann häufen sich die Warnsignale. Seine neuen Freunde darf die Mutter nicht kennenlernen. Als er einer jüdischen Mitschülerin droht, wird er vom Unterricht suspendiert. Die Schulen weigern sich, den Störenfried zu unterrichten.
Auf einem Zechengelände legt er einen Sprengsatz, mit einem Gewehr schießt er in die Luft, ruft „Allahu akbar“ – und zeigt die Videos stolz herum, bis die Polizei daheim auftaucht und sein Zimmer durchsucht. „Nehmen Sie ihn mit, quetschen Sie ihn aus, mit wem trifft er sich?“, fleht die Mutter. „Das dürfen wir nicht“, hätten die Polizisten entgegnet.
Mutter Yaman, die das Buch unter ihrem Mädchennamen veröffentlicht, schafft es schließlich, ihren Sohn im Aussteigerprogramm „Wegweiser“ unterzubringen. „Da hatte ich wieder Hoffnung. Die haben sich wirklich gekümmert – alle 14 Tage.“ Doch auch diese Gespräche können die weitere Radikalisierung des Jugendlichen nicht stoppen. Ab 7. Dezember soll sich Yusuf vor Gericht verantworten. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen. (dpa)