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Meißen hat 2025 nur noch einen Pfarrer

Pfarrer Gerold Heinke ist von der sinkenden Zahl Gläubiger nicht überrascht. Darin sieht er auch Chancen für die Gemeinden.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Die bekennenden Christen in Sachsen werden weniger. Das ist auch in Meißen so, sagt der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Trinitatiskirchgemeinde Gerold Heinke. Ja, die Zahl der Taufen sei in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen und ja, es gibt Austritte aus der Kirche.

Zwei oder drei waren es im letzten Jahr in den rechtselbischen Schwesternkirchen aus Trinitatis-, Johannes- und St. Andreaskirchgemeinde. „Schwerer ins Gewicht fallen die Todesfälle, die nicht durch Neueintritte kompensiert werden“, sagt der 58-Jährige. Die Landeskirche reagiert auf die anhaltenden Entwicklungen mit strukturellen Veränderungen. Pfarrstellen werden zusammengelegt oder nicht nachbesetzt, die Verantwortungsbereiche werden größer. Bis 2025 fallen somit viele Pfarrstellen weg. In Meißen soll es bis dahin statt der momentan drei Pfarrer nur noch einer oder eine sein.

Ist das eine dramatische Entwicklung? „Nein“, sagt Gerold Heinke und schickt seiner Aussage ein entspanntes Lächeln hinterher. Könnte sein, dass dieser Mangel an Alarmismus damit zusammenhängt, dass der Geistliche in sieben Jahren 65 ist, die Rente also höchstens zwei Jahre zu früh käme – also kein Problem. Mehr hat es aber mit der Vergangenheit des Pfarrers zu tun, die ihn gelehrt hat, den Blick über den Tellerrand zu wagen. Heinke hat von 2001 bis 2010 in China gelebt, hier unter anderem in einer evangelischen Gemeinde deutscher Sprache gearbeitet. Mitte der siebziger Jahre“, sagt er, „hat es noch wenige Millionen Christen im Reich der Mitte gegeben. Heute sind es rund 130 Millionen.“

Von einem Aussterben der Christen könne daher keine Rede sein. Man müsse nur den Blick über Meißen, Sachsen oder Deutschland hinaus schweifen lassen, um Mut zu schöpfen. „Außerdem ist die Entwicklung nicht überraschend gekommen. Es war klar, dass es nach dem Ende der DDR keine Re-Christianisierung im Osten geben würde“, berichtet Heinke.

Dennoch versuche man als Pfarrer, Ursachen für den sich verstärkenden Atheismus zu finden. „Ich glaube, zum einen ist es dem auf Individualismus ausgerichteten Zeitgeist von heute zuzuschreiben. Zum anderen ist es keine soziale Norm mehr, in der Kirche zu sein, wie es früher der Fall gewesen ist. Das macht sich bemerkbar.“ Steigenden Wohlstand sieht er dagegen nicht als triftigen Grund, das zeigten Beispiele in anderen Teilen der Welt, wo sich bessere Lebensverhältnisse und Kirchenangehörigkeit nicht ausschließen.

Die Kirche in Deutschland müsse aus der Situation nun das Beste machen. „Es wird in Zukunft weniger feste Stellen für Pfarrer, Kantoren und Pädagogen geben. Das bietet die Chance, dass Ehrenamtliche sich viel stärker in einer Gemeinde einbringen. Von 930 Gemeindegliedern in Meißen und Zadel sind derzeit 120 wirklich aktiv beteiligt. In vielen chinesischen christlichen Gemeinden sind es über 60 Prozent. Und es funktioniert sehr gut“, sagt der Pfarrer. Das zeige, wohin der Weg gehen müsse. Ehrenamtliche würden mehr Verantwortung tragen, die wenigen Angestellten entlasten. Denn diese hätten sich weiter mit den Kernaufgaben – Predigten, Seelsorge, Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten zu befassen. Gerold Heinke etwa, kümmert sich seit Sommer 2017 um alle Konfirmanden der siebten und achten Klasse in Meißen – rechts als auch links der Elbe.

„Vorher saßen manchmal vier Konfirmanden vor mir, jetzt sind es 20. Wir haben das zusammengelegt, seit Bernd Oehler nicht mehr Pfarrer in St. Afra ist.“ Diese Vernetzung in der Kinder- und Jugendarbeit werde sich in Meißen weiter verstärken. Bange vor der Zukunft sei ihm jedenfalls nicht. In manchen Bereichen gebe es bereits schöne Entwicklungen. „Kirchliche Eheschließungen mit einem Gottesdienst werden immer beliebter. Das freut mich sehr zu sehen“, sagt Heinke.