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Meissen Keramik schließt Werk

Rund 100 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Trotz Einstellung der Produktion soll die Marke weiter verwendet werden.

Von Peter Anderson & Udo Lemke
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Die Tage des traditionsreichen Standorts von Meissen Keramik an der Fabrikstraße sind offenbar gezählt.
Die Tage des traditionsreichen Standorts von Meissen Keramik an der Fabrikstraße sind offenbar gezählt. © Archifoto: Claudia Hübschmann

Meißen. Der polnische Fliesen- und Sanitärkeramik-Hersteller Cersanit hat am Mittwoch, 14 Uhr, überraschend zu einer Pressekonferenz in sein Meißner Werk eingeladen. „Wir haben heute den Betriebsrat darüber informiert, dass wir die Produktion einstellen werden“, das sagte Frank Schäfer, der Geschäftsführer der Meissen Keramik GmbH. Er erklärte, dass das Unternehmen schnellstmöglich mit dem Betriebsrat in Gespräche einsteigen wolle.

Rund 100 Arbeitsplätze sind davon betroffen, dass Cersanit die Produktion an seinem Standort im rechtselbischen Stadtteil Cölln beendet. Erhalten bleiben soll hingegen eine Abteilung mit zwanzig Mitarbeitern, die sich um Logistik, Vertrieb und Kundenservice sämtlicher Cersanit-Produkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den Beneluxländern unter der Marke Meissen Keramik kümmert.

Das Unternehmen begründete den Schritt mit „zunehmend hohem internationalen Wettbewerbsdruck“. Deshalb sind in den letzten Jahren bereits die Produktionskapazitäten für Wandfliesen in Polen, dem Heimatland von Cersanit, abgebaut worden. Allerdings hat dieser Schritt nicht zu einer Entspannung der Situation in Meißen geführt, erklärte Geschäftsführer Schäfer. Er führte an, dass die Nachfrage nach Keramik-Fliesen in Deutschland zwischen 2015 und 2018 um zwölf Prozent gesunken ist. Die Firma beruft sich dabei auf Schätzungen der European Ceramic Industry Association. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser negative Trend fortsetzt. Prognostiziert wird ein Minus von weiteren zehn Prozent bis 2020.

Gleichzeitig drängen zunehmend internationale Wettbewerber aus Niedriglohnländern in Asien und Osteuropa auf den deutschen Markt. So hat sich der Import von Fliesen aus Indien nach Europa seit 2015 mehr als vervierfacht. Zudem sind in Fabriken in Asien und Osteuropa mittlerweile riesige Überkapazitäten aufgebaut worden. Niedrige Lohnkosten und leicht verfügbare Rohstoffe verschärfen die Situation für Hersteller in Europa weiter.

Hinzu kommen negative Währungseinflüsse, erklärte Schäfer. So werden rund zehn Prozent der in Deutschland verkauften Fliesen aus der Türkei importiert. Der Kurs der türkischen Lira gegenüber dem Euro hat sich allerdings zwischen 2014 und 2018 mehr als halbiert.

Mit Investitionen in moderne Technik hat das Unternehmen versucht, die Situation am Standort Meißen zu verbessern. So ist ein Laserdrucker für die Oberflächenbearbeitung der Fliesen angeschafft worden, sind neue, größere Formate in Produktion gegangen. „Wir haben investiert, aber das hat nicht dazu geführt, dass das Werk in Meißen profitabel arbeitet.“ Schäfer gab an, dass seit der Übernahme mehrere Millionen Euro zusammengekommen sind. Allein für dieses Jahr rechnet die Firmengruppe am Standort Meißen mit Verlusten im mittleren einstelligen Millionenbereich .

„Wir bedauern diesen Schritt, halten ihn aber nach den Entwicklungen der letzten Jahre für unvermeidbar. Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung sehr bewusst und werden mit dem Betriebsrat nach Lösungen suchen, die möglichst sozialverträglich sind“, sagte Produktionsleiter Artur Plewniak.

Cersanit hatte den früher der Deutschen Steinzeug gehörenden Standort an der Meißner Fabrikstraße indirekt 2010 übernommen, direkt dann 2013. Anfang vergangenen Jahres war noch angekündigt worden, dass die Belegschaft des Werkes im Stadtteil Cölln weiter schrittweise wachsen soll.

Die polnische Gruppe verwendet die Marke Meissen Keramik auch für Produkte, die aus anderen der insgesamt elf Cersanit-Werke stammen. Sie wird mittlerweile in fast ganz Europa für Fliesen, Sanitärkeramik und Badmöbel genutzt. Das hatte auch zu der Vermutung geführt, dass die Übernahme des Werks an der Fabrikstraße vor allem zum Ziel hatte, die prestigeträchtige Marke Meissen Keramik für Cersanit zu sichern.

Noch flattern die Fahnen bei Meissen Keramik an der Fabrikstraße im Wind. Aber vermutlich nicht mehr lange.
Noch flattern die Fahnen bei Meissen Keramik an der Fabrikstraße im Wind. Aber vermutlich nicht mehr lange. © Archivfoto: Claudia Hübschmann