Stadtmuseum Meißen: So waren die 50er-Jahre

Meißen. Es war die Zeit der 48-Stunden-Arbeitswoche, der Lebensmittelmarken und dem Comeback der keramischen Industrie. Es gab erstmals bis zu drei Wochen Jahresurlaub, eine systematische Kindergartenbetreuung und sogar ein Weinfest mit Umzug. In der neuen Sonderausstellung entführt das Stadtmuseum seine Besucher in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, genauer noch in das Meißen der 50er-Jahre.
Wie haben die Menschen damals gelebt? Wie haben sie ihre Freizeit verbracht? Wohin gingen sie auf Arbeit? Und wie sah das kulturelle Leben in Meißen aus? Die Antworten darauf geben ab 1. April mehr als 300 Exponate aus dem eigenen Bestand, von anderen Museen und privaten Leihgebern. Darunter findet sich sogar eine kleine Weltpremiere.
Schön und effizient
"Die Idee zu der Schau entstand aus der Tatsache heraus, dass die 50er-Jahre in dieser Form im Stadtmuseum bislang noch kein Thema waren", erzählt die Museums-Chefin Linda Karohl-Kistmacher. Dabei war die Epoche durchaus prägend für die weitere Entwicklung der Stadt. Nach den Reparationszahlungen an die Sowjets musste man sich hier neu sortieren.
"Für die hiesige Verwaltung bestand die Herausforderung darin, die Produktionskapazitäten wieder herzustellen – so gut es eben ging", sagt der Kurator der Ausstellung Steffen Förster. So zum Beispiel im Plattenwerk Meißen. Hier wurden viele Maschinen demontiert, gleichzeitig galt es Großaufträge abzuarbeiten, beispielsweise Tausende Wandplatten für die damalige Stalinallee (heute: Karl-Marx-Allee) in Berlin. "Schönes Bauen traf effektive Herstellung", sagt Förster. Der ursprüngliche Plan – mit Sandstein zu bauen – ging nicht auf. "Man merkte schnell, dass das viel zu aufwendig war", so der Kurator weiter. Also kam Keramik zum Zug. Und das nicht nur in der Hauptstadt, auch in Schwimmbädern und anderswo.
Daneben zeigen Exponate aus der Manufaktur, wie zaghaft man damals neue Designs oder Plastiken anging. Die "Porzelline" war zunächst sowjetische Aktiengesellschaft, bevor sie 1950 in einen Volkseigenen Betrieb überging.

Neben der wirtschaftlichen Entwicklung beleuchtet die Schau auch den Alltag der 50er- Jahre – ob in der Küche bei allerlei neuen elektrischen Helfern oder der Stube am Musikschrank mit Tonband und Rundfunkempfänger. Auch das vermutlich erste TV-Gerät namens Rembrandt (VEB Sachsenwerk Radeberg), das in einem Meißner Haushalt stand, hat es in die Ausstellung geschafft. "Damals trafen sich noch viele Menschen vor dem Fernseher, beispielsweise um ein Fußballspiel zu schauen", erzählt Förster.
Dass die Flimmerkisten in den 50ern rar gesät waren, hatte auch einen Grund – den Kaufpreis von bis zu 1.400 Mark. Zu sehen gibt es außerdem die Küchenmaschine "Komet 4". "Bei uns zu Hause war sie über 30 Jahre im Einsatz", erinnert sich der Kurator. Ein gutes Beispiel für frühe Nachhaltigkeit. Multifunktionalität war aber ebenfalls angesagt, wie ein Kinderwagen, der gleichzeitig als Babyschaukel und später noch als Wäschekorb verwendet werden konnte, eindrucksvoll belegt.
Mit Handpuppen gegen DEFA-Film
Auch kulturell ging es in der Stadt bergauf. In den 50er-Jahren schlug beispielsweise die Geburtsstunde des Meißner Weinfestes. Nach einem Aufruf im Amtsblatt im Vorfeld der Sonderausstellung tauchte dazu eher zufällig ein bislang unveröffentlichtes Zeitdokument auf. "Der Leihgeber stellte uns einen 8-Millimeter-Film zur Verfügung, wusste aber nicht was drauf war", erinnert sich Förster. Siehe da, der Weinfestumzug von 1957. Menschenmassen ohne Ende. Man muss in diesem Zusammenhang erwähnen, dass das Meißen der 50er-Jahre aber auch etwa 20.000 Einwohner mehr als heute zählte.
Erzählt wird noch viel mehr. Zum Beispiel die Geschichte der Puppenbühne der Manufaktur. Es war die Antwort der Manufakturisten auf den aus ihrer Sicht missratenen DEFA-Film "Die blauen Schwerter" (1949) über Johann Friedrich Böttger.
Die Sonderausstellung "Alltag. Aufschwung. Neuanfang. Meißen in den 1950er-Jahren" ist vom 1. April bis 31. Oktober 2022 zu sehen. Eine Führung mit Steffen Förster findet am 6. April, 18 Uhr, statt. Eintritt: 3 Euro (ermäßigt 2 Euro).