SZ + Meißen
Merken

Angebote, die man nicht ablehnt

Eine Betrügerin lehnt eine Verfahrenseinstellung ab, geht gegen einen Strafbefehl in Einspruch, kommt dann aber nicht zur Verhandlung. Der Grund ist bizarr.

Von Jürgen Müller
 4 Min.
Teilen
Folgen
Reisepässe mit dem Aufdruck "Deutsches Reich" kursieren unter den Reichsbürgern. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland und deren Organe nicht an.
Reisepässe mit dem Aufdruck "Deutsches Reich" kursieren unter den Reichsbürgern. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland und deren Organe nicht an. © Symbolfoto: Patrick Seeger / dpa

Meißen. Die 59-jährige Coswigerin ist eine schamlose Betrügerin. Ihre Masche: Sie hat über sogenannte Partnerprogramme von vier Firmen Fake-Anmeldungen vorgenommen und für Kunden, die von ihrem "Glück" gar nichts wussten, Verträge über Strom- oder Gaslieferungen, Kreditkarten- und Telefonkartenverträge abschloss, wofür sie als Vermittlerin kräftig Provision kassierte. Sie selbst meldete sich unter einem falschen Namen an, die Namen der Kunden waren allerdings echt. Die hat sie wohl aus Telefonverzeichnissen abgeschrieben.

Auffällig ist: 55 der 56 "Kunden" waren unter der gleichen Adresse gemeldet, 32 von ihnen waren über 65 Jahre alt. Sie hatte wohl damit gerechnet, dass diese älteren Menschen nichts unternehmen, wenn ihnen Verträge zugeschickt werden, die sie nie abgeschlossen haben und so die zweiwöchige Widerrufsfrist verstreichen lassen.

Doch sie hatte sich verrechnet. Zahlreiche Betroffene hatten gekündigt. Da war ihre Provision schon längst überwiesen. Insgesamt 11.605 Euro soll sie so über einen "Bonus-Bunny" erschwindelt haben.

Die Taten liegen allerdings schon einige Zeit zurück, geschahen in den Jahren 2013 bis 2016. Doch erst seit vergangenem Jahr liegt die Sache beim Amtsgericht Meißen. Zuvor hatte eine Staatsanwaltschaft in Franken ermittelt.

Weil die Tatzeiten schon so lange her sind, machte das Gericht der Frau das Angebot, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Es gibt Angebote, die lehnt man nicht ab. Doch die Frau lehnt ab. Der Grund: Das Schreiben des Gerichtes, das maschinell erstellt wurde, ist nicht unterschrieben.

Jetzt erlässt das Gericht einen Strafbefehl. Sie soll wegen Betrugs eine Geldstrafe von 1.500 Euro zahlen. Dagegen legt sie Einspruch ein. Nun also soll verhandelt werden. Doch sie erscheint nicht. Das geschah mit Ansage. Sie hatte dem Gericht mitgeteilt, dass sie die "Einladung" zur Verhandlung nicht annimmt. Weil sie nicht unterschrieben ist.

Amerikanisches Besatzungsrecht in Meißen?

Doch es gibt noch einen anderen Grund: Sie erkennt die Bundesrepublik und das Gericht nicht an. "Die Bundesrepublik ist aufgelöst", schreibt sie unter anderem. Das Gericht sei gar nicht zuständig, denn es gelte das amerikanische Besatzungsrecht. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Zu keiner Zeit standen Meißen oder Coswig, die in der damaligen sowjetischen Besatzungszone lagen, unter amerikanischem Recht. Da hat sie wohl von einem Gesinnungsgenossen aus den alten Bundesländern einfach was abgeschrieben.

Aus ihren Schreiben wird klar: Sie gehört der Reichsbürgerszene an, die weder die Bundesrepublik noch deren Organe anerkennt. Aus deren Sicht ist das Deutsche Reich nie aufgelöst worden.

Auch hier helfen Geschichtskenntnisse. Im 2 plus 4-Vertrag heißt es, dass mit der Vereinigung Deutschlands als einem demokratischen und friedlichen Staat die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes ihre Bedeutung verlieren. Und: "Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten."

Probleme mit Reichsbürgern gibt es immer wieder, jedoch hätte sich deren Anzahl verringert, sagt Amtsgerichtsdirektor Michael Falk. Möglicherweise haben dazu auch die Meißner Reichsbürgerprozesse beigetragen, bei denen harte Urteile gegen Mitglieder eines "Polizeihilfswerkes", die auch der Reichsbürgerszene angehörten, gefällt wurden. Diese hatten einen Gerichtsvollzieher festgehalten und diesen daran gehindert, eine Zwangsvollstreckung durchzuführen.

50 Tage Haft drohen

Der Coswigerin nützt ihre Verweigerung nichts. Das Gericht verwirft den Einspruch gegen den Strafbefehl. Sie kann nun sieben Tage nach Zustellung des Strafbefehls dagegen Einspruch einlegen, wenn sie triftige Gründe nachweisen kann, warum sie nicht zur Verhandlung erscheinen konnte und die "Wiedereinsetzung in den bisherigen Stand" fordern. Dann wird ein neuer Termin angesetzt. Sie kann gegen das Urteil aber auch in Berufung gehen, dann würde die Sache vor dem Landgericht verhandelt.

Tut sie nichts, wird das Urteil rechtskräftig. Zahlt sie dann nicht, muss sie für 50 Tage ins Gefängnis und eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Da tut es auch nichts zur Sache, ob sie die deutsche Justiz nun anerkennt oder nicht.