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Blutiges Meißen - 1806

Die letzte öffentliche Hinrichtung einer Räuberbande in Meißen vor über 200 Jahren

Von Christiane Weikert
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© Symbolbild: Wikipedia

Ende letzten Jahres erreichte uns eine blutige Geschichte aus alten Zeiten. Gunter Spies, auch bekannt als der „Riesaer Riese“ fand diese Erzählung im „Riesaer Jahrbuch“ von Willy Walther. (Originaltext)

Eine ehemalige Hinrichtung in Sachsen

„Zur Zeit, wo jetzt immer der Kampf um das vielumstrittene Gesetz, auf Abschaffung der Todesstrafe in den Vordergrund unserer heutigen deutschen Rechtspflege gestellt ist und mehr als früher die Aufmerksamkeit erregt, dürfte wohl jener Akte gedacht werden, wo die Todesurteile noch mit einer Art Pomp und großen Feierlichkeiten begangen wurden und sich vor über 120 Jahren zutrugen.

Es gelang 1806 in der Garküche zu Strehla an der Elbe die Ergreifung einer berühmten und berüchtigten Diebesbande, welche die Gegend von Meißen bis weit hinter Torgau unsicher machte, von siebenundzwanzig meist sehr verwegenen, dreisten Personen, wobei mit vielem Scharfsinn und großem Mute der damaligen Amtsaktuar Merkel aus Meißen zu Werke ging.

Sechs Männer, die Hauptanführer dieser Bande, wurden zum Tode verurteilt, während die anderen darunter ein paar Frauen, langjährige Zuchthausstrafen erhielten und zum Teil nach Torgau, zum anderen nach Zwickau kamen. Bei den zum Tode verurteilten Verbrechern hat es sich um Johann Gottlob Kade, Anton Müller, Christian Richter, Johann Christian Schuster, Johann Christian Thielemann und Johann Gottlob Müller gehandelt.

Die letzte öffentliche Hinrichtung in Eilenburg. Gemälde von Volker Pohlenz.
Die letzte öffentliche Hinrichtung in Eilenburg. Gemälde von Volker Pohlenz. © Foto Wikipedia

König Friedrich August I. lehnt die Begnadigung ab

Nachdem von Seiten des Kreisamtes zu Meißen die Kriminaluntersuchung durchgeführt worden war, die gefällten Urteile dem Schöppenstuhl zu Leipzig vorlegen und von diesem bestätigt, die sechs Todesurteile von seiner königlichen Huld, dem damaligen König Friedrich August I. einer Begnadigung verworfen, wurde der 21. Oktober 1808 zur Hinrichtung der sechs Verbrecher anberaumt.

Sechs Männer im vollen Bewußtsein, den Weg in eine andere Welt antreten zu sehen, war ein Schauspiel, welches Tausende von Menschen auf die Beine brachte und nach Meißen lockte. Nicht nur aus Dresden zu Wagen, Pferd und elbschiffen, auch Hunderte kamen aus Lommatzsch, Nossen, Oschatz, Riesa, Strehla, Großenhain, ja selbst von Wurzen und Leipzig waren die Leute gekommen. Von den Dörfern ein paar Meilen in der Runde um Meißen, strömten die Neugierigen scharenweise herbei. Der Hafen von Meißen war die ganze Nacht über belebt. Die Transportzüge brachten noch früh am Morgen dieses sensationellen Tages Militär in Menge.

Am Morgen des 21. Oktobers 1806 wurde im Schloßhofe vor dem Amtshause das hochnotpeinliche Halsgericht über die Verbrecher gehalten und nachdem dieses geschehen war, setzte sich der Zug nach dem Hochgericht in Bewegung, das drei Viertelstunden von der Stadt an der Straße, die nach Freiberg führte, lag. Der im Anfang erwähnte Aktuar Merkel und der Kreis-Scabinus Ulbricht eröffneten den Zug in schwarzer Kleidung mit umgehängten Seitengewehr, hoch zu Pferde, nachdem eine Abteilung Dragoner zur Sicherung vorausgeritten waren, die den Vortrab bildeten. Hinter den beiden Beamten folgte die Bürgergrenadiergarde von Meißen, dann kamen die Landschöppen in grüner Uniform. Hierauf folgten die Delinquenten, begleitet von Gerichtsdienern mit blanken gezogenen Seitengewehren. Dann kamen wieder Dragoner, die Meißner Schützenkompagnie, wieder Landschöppen und den Schluss bildeten wieder Dragoner.

Der Zug setzt sich in Bewegung

Fünf der Delinquenten gingen zu Fuß, jeder von zwei Geistlichen im Ornat begleitet. Nur einer, im Alter von 57 Jahren, namens Müller, wurde auf einem Wagen gefahren. Er saß rückwärts, die beiden Geistlichen gegenüber, hinter ihm zwei Gerichtsdiener mit blanken Seitengewehren. Sämtliche Delinquenten trugen sogenannte Armesünderkleidung, weißleinenen Anzug mit schwarzem Besatz.

Alle, außer einem, Namens Schuster, zeigten Reue. Dieser benahm sich sehr keck, hatte er doch kurz vor dem Ausrücken noch mit lautem Lachen geäußert: „Na, heute soll mich nichts traurig machen!“ Als er das Schafott betrat, rief er noch mit lauten Worten: „Nun leben Sie wohl meine Herren!“

Am wenigsten gefasst zeigte sich Müller, der sich unterwegs noch durch einen kräftigen Biß in die Zitrone, die ein jeder in der Hand trug, zu stärken versuchte.

Das in Holz gebaute Gerüst in der Nähe des alten Galgens, umgeben von sechs Rädern, gewährte einen schrecklichen Anblick. Einzeln wurden die Verbrecher auf das Gerüst geführt, wo die Scharfrichter von Meißen, Wurzen und Dresden Ihrer schon warteten. Jeder der Scharfrichter sollte zwei Verbrecher enthaupten. Ein Zufall wollte es jedoch anders.

Die Hinrichtungen beginnen

Hinrichtung des Bürgermeisters Konrad Vorlauf
Hinrichtung des Bürgermeisters Konrad Vorlauf © Foto: Stadtarchiv Wien

Der junge Mann, welcher den ersten Delinquenten enthaupten sollte, schlug seinem Opfer durch den Unterkiefer, weil der Delinquent den Kopf gesenkt hatte. Der Unglückliche, mit Namen Koda, blutete schrecklich, im vollen Bewußtsein wischte er sich das Blut von den Backen. Mit einer Binde wurde der abgeschlagene Teil wieder hochgebunden und der Delinquent wurde wieder zurechtgesetzt. Jetzt trat der Scharfrichter Schmidt aus Dresden zu ihm und sprach: „Sei ruhig mein Sohn, gleich werde ich Dich erlösen!“ Er griff nach dem Schwert und trennte ihm mit einem wuchtig geführten Streich den Kopf vom Rumpfe.

Den nächstfolgenden, namens Thielemann, sollte der Sohn des Schmidt enthaupten. Der kräftig geführte Schwertstreich machte wohl dem Leben ein Ende, der Kopf blieb aber noch an ein paar Halsmuskeln hängen. Da wurde der Stuhl umgekippt und der Kopf vollends abgetrennt.

Der alte erprobte Scharfrichter Schmidt geriet darauf so in Zorn, was sich auch in seinem ganzen Wesen offenbarte. Er ließ darauf einen nach dem anderen Verbrecher kommen und enthauptete sie mit wuchtig geführten Schwertstreichen.

Kurz vor 12 Uhr war die Exekution zu Ende und die Körper wurden auf die Räder geflochten, wo Sie drei Tage lang zur Abschreckung liegen blieben.

Die Gastwirte von Meißen machten natürlich an diesem Tage die glänzenden Geschäfte, denn die gesamten Vorräte der Stadt waren von den Menschenmassen rein aufgezehrt.