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Das Leben und der Tod

Ein Besuch bei Jörg Schaldach vom Krematorium Meißen. Der Tod ist sein Geschäft, denn auch das Ende ist nicht umsonst.

Von Christiane Weikert
 5 Min.
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Jörg Schaldach
Jörg Schaldach © Foto: Robin Geyer

Es ist irgendwie bedrückend, wenn man in die Räumlichkeiten des Krematorium Meißen eintritt. Der „Hauch des Todes“ hängt in der Luft und die Stimmung drückt einem das Herz nach unten. Und dann steht Jörg Schaldach, Geschäftsführer der Städtisches Bestattungswesen Meißen GmbH, lächelnd in der Tür. Sein Händedruck ist warm wie sein Lächeln. Die Stimmung wird besser.

Seit 1992 ist Jörg Schaldach, wie er selber sagt: "Der Herr der Toten". An ihm kommt keiner vorbei.

Das Krematorium Meißen

1911 wird in Meißen ein „Verein zur Feuerbestattung zu Meißen V.V.a.G.“ gegründet und der Bau eines Krematoriums ins Auge gefasst. Als 1914 zwei Bauentwürfe an der Finanzierung scheitern und auch der erste Weltkrieg seine dunklen Schatten voraus wirft, kommt das Vereinsleben fast zum Erliegen.

1920 tritt das Sächsische Feuerbestattungsgesetz in Kraft. Und um den geplanten Krematoriumsbau zu finanzieren wird 1921 eine Spendenaktion ins Leben gerufen. 20-Mark-Porzellanmedailien von Manufakturist Emil Paul Börner entworfen, sollen den gewünschten Erfolg herbeiführen. Aber, die Aktion bringt kein Geld, selbst der magere eingenommene Betrag verschwindet in dunklen Kanälen. Um die Mitglieder bei Laune zu halten, garantiert man den Mitgliedern eine kostenlose Bestattung. Die Inflation in Deutschland zwingt den Verein, einen Kremierungsofen für 16 Milliarden Mark zu kaufen und benennt sich in „Feuerbestattungsverein Meißen und Umgebung e.V.“.

Eine Lotterie für das Krematorium

Als eine weitere „Lotterie“ für die Finanzierung der Bestattungsstätte und des dementsprechenden Grundstückes scheitern, beschließt 1924 nun endlich der Stadtrat, den Bau und das Grundstück selbst zu finanzieren. 1930 wird unter der Leitung des Baumeisters Vogel der Grundstein gelegt. Die Architektur entspricht einer schlichten Sachlichkeit. Die Ausgestaltung der Parentationshalle (Leichenhalle) übernimmt Emil Paul Börner. Ebenfalls gestaltet er die bildhafte Außenfassade mit einem Relief des Vogels „Phönix“ als Symbol für die Auferstehung und Unsterblichkeit.

Während des Luftangriffes auf Dresden im Zweiten Weltkrieg, werden auch in Meißen viele der Opfer eingeäschert, und es kommt zu Exekutionen durch SS-Truppen an Kriegsgefangenen.

1945 übernimmt die Stadtverwaltung Meißen das Krematorium, und der Feuerbestattungsverein wird liquidiert.

Durch den Übergang zum VEB Dienstleistungsbetrieb der Stadt Meißen, Abteilung Krematorium, verlor das Krematorium 1979 seine Selbständigkeit als eigenständiger Betrieb. Sechs Jahre später beginnt eine umfangreiche Sanierung. 1991 wird der VEB Stadtwirtschaft aufgelöst und nun dem Amt für Stadtwirtschaft Meißen zugeordnet. Ein Jahr später wird ein neuer Geschäftsführer ausgeschrieben.

Und dann kommt er. Der Herr der Toten

Jörg Schaldach ist gelernter Verfahrenstechniker und hat zu DDR-Zeiten in Moskau studiert. Sein Russisch ist immer noch perfekt. „Das verlernt man nicht“, sagt er lachend. An den Umgang mit dem Tod musste er sich nicht gewöhnen. „Entweder man kann es oder man kann es eben nicht. Und man gewöhnt sich daran, mit dem Sterben und dem Tod umzugehen. Darum haben wir hier unsere Familie. Wir sind alle eng miteinander verbunden und wir können in der Runde über viele Dinge sprechen. Aber alles bleibt hier in diesen Mauern. Wir tragen die Geschichten, welche hier passieren und mit denen wir tagtäglich umgehen müssen, nicht nach draußen.“

Aber auch der Tod ist nicht umsonst. „Die Trauerkultur hat sich in den letzten Jahren in eine nicht unbedingt positive Richtung entwickelt. Man spürt doch des Öfteren eine Geiz-ist-geil-Mentalität. Auch beim Sterben wird gespart. Wir erleben immer häufiger, dass beim Abschiednehmen an Blumenschmuck, Redner oder Anzeigen eingespart wird. Manchen ist es dann auch egal, wie der Verstorbenen unter die Erde kommt. Hauptsache billig“, erzählt uns Herr Schaldach etwas traurig.

Auch die Zahl der Sozialbestattungen nimmt zu.

„Einige Hinterbliebene können sich eine Bestattung ihrer Angehörigen nicht leisten. Dann springt das Sozialamt ein. Leider passiert es auch, dass Urnen nach der Einäscherung der Verstorbenen nicht abgeholt werden. Nach einem halben Jahr der Aufbewahrung werden diese dann würdig beigesetzt.“

Fast eine Viertel Million Tote hat Jörg Schaldach in den 30 Jahren seiner Tätigkeit schon begraben.

„Wir werden gerufen, wenn es einen Verstorbenen gibt. Egal ob zu einem Unfall, einem Suizid oder einem natürlich Verstorbenen in einer Wohnung. Wir treffen auch oft auf Verwahrlosung und die Menschen sterben einsam. Das tiefste Elend ist nicht immer weit entfernt, manchmal nur ein paar Türen weiter. Aber manche stillen Hilferufe werden immer weniger gehört“ erzählt Schalldach nachdenklich weiter. Er sieht es Tag für Tag.

Parentationshalle mit Wandrelief des Krematorium Meißen
Parentationshalle mit Wandrelief des Krematorium Meißen © Foto: Wikipedia Krematorium Meißen
Parentationshalle von innen
Parentationshalle von innen © Foto: Wikipedia Krematorium Meißen
© Foto: Wikipedia Krematorium Meißen
Gedenktafel
Gedenktafel © Foto: Wikipedia Krematorium Meißen

Berufswahl: Bestatter

Bestattungsunternehmen sind meist Familienunternehmen, weil die nachfolgende Generation schon mit dem Tod aufwächst. Es ist etwas ganz Natürliches für sie. „Erst wer mit dem Leben klarkommt, der kommt auch mit dem Tod klar. Dann kann er als Bestatter arbeiten. Ansonsten sehe ich da eher schwarz.“

Jörg Schaldachs Humor ist eher von der schwärzeren Art. „Das ist manchmal meine Art, mit den Dingen klar zu kommen“, lacht er. „Ich habe es mir so ausgesucht, und ich mache meinen Beruf gern. Wir begleiten die Menschen ans andere Ufer, wie der Fährmann. Wir verabschieden jeden mit größter Würde. Das sind wir jedem Verstorbenen schuldig.“