Das Urteil lautet: Freispruch für Gesellen

Riesa/Großenhain/Stauchitz. Es gibt Menschen, die pfeifen auf Traditionen, halten sie für veraltet, nicht zeitgemäß. Und dann gibt es welche, die halten sie in Ehren. Dazu gehört die Metallinnung Riesa-Großenhain. Jedes Jahr spricht sie ihre frisch gebackenen Gesellen, die Metallberufe erlernt haben, in der Schauschmiede in Seerhausen frei.
Und wer könnte das besser als der Ehreninnungsobermeister Eberhard Gruhle. Der 84-jährige Riesaer ist ein Handwerker von altem Schrot und Korn, hat den Beruf von der Pike auf gelernt. Ihm macht keiner so schnell was vor. Er arbeitete ein Leben lang in dem Familienbetrieb in Riesa an der Goethestraße, den es seit 1906 gibt und der jetzt von seinem Sohn weitergeführt wird. Auch in diesem Jahr leitete er die Zeremonie, die mit drei Hammerschlägen auf den Amboss endet.

Freude an dieser uralten Tradition haben auch die jungen Leute. So wie der 21-jährige Großenhainer Michael Egerland. "Das war für mich etwas Neues, ein schönes Erlebnis", sagt der junge Mann, der eigentlich Tischler werden wollte wie einst sein Vater. Doch es fand sich keine geeignete Lehrstelle. Und so entschloss er sich für den Beruf des Metallbauers für Konstruktionstechnik. Früher nannte man das einfach Schlosser.
Festeinstellung nach der Lehre
"Michael ist ein ruhiger Typ, ihn wirft nichts gleich aus der Bahn", lobt ihn Claus Schumann, sein Ausbilder vom Metallbau Kokisch in Großenhain, der mit insgesamt 25 Mitarbeitern unter anderem Geländer, Podeste und Treppen herstellt. Die Auftragslage sei gut, und so wurde auch Michael Egerland nach erfolgreich abgeschlossener dreieinhalbjähriger Ausbildung fest eingestellt.
Er will nun erstmal Geld verdienen. An eine Qualifizierung zum Meister denkt er vorerst nicht. "Die Arbeit macht mir Spaß, ist sehr abwechslungsreich, wir haben viel zu tun", sagt er. So sehr ihm die Freisprechung auch gefallen hat, eine andere Tradition will er nicht fortsetzen, nämlich die Wanderschaft, auch Walz genannt. Diese ist in der Tat aus der Mode gekommen. Noch vor ein paar Jahren konnte man Handwerkern auf der Walz begegnen, vor allem aus dem Tischlereigewerbe. Heute gibt es wohl auch zu wenige Betriebe, in denen die Wanderer Erfahrungen sammeln könnten.
Privat hat er eher andere Interessen, modelliert gerne, beschäftigt sich mit Computerprogrammen. "Ich habe auch mal anfangen zu zeichnen, aber das ist nicht so mein Ding", sagt er und lacht.
"Bisher hatten Sie als Lehrlinge noch eine Art Welpenschutz, jetzt aber sind Sie für Ihrer Hände Arbeit selbst verantwortlich", sagt Anita Maaß. Die Lommatzscher Bürgermeisterin und sächsische FDP-Vorsitzende wurde von der Metallinnung als Festrednerin auserkoren. "Die gesellschaftliche Bedeutung der Lehrbetriebe wird leider nicht genug gewürdigt. Seien Sie angespornt, mit Ihrer Hände Arbeit zum Erfolg Ihrer Firma beizutragen", sagte sie. Kaum ein Handwerk sei so alt und habe sich so verändert wie die Metallverarbeitung. Dann fällte sie ihr Urteil: "Es lautet Freispruch. Sie sind jetzt frei, Ihren Beruf ausüben zu dürfen".
Diese Freiheit genießen nun auch Lukas Krompaß (Metallbauermeister Andreas Schillheim Käbschütztal), Kevin Scott Uhlemann (Baier GmbH Antriebstechnik und Metallbau Klipphausen), Jordan Dare Hauschke (Clever Foliendruck GmbH Brieske) und Ludwig Just (Stahl- und Maschinenbau Graf GmbH Weinböhla). Zwei weitere künftige Gesellen konnten an der Zeremonie nicht teilnehmen.
Schmiedefeuer lodert weiter
Eberhard Gruhle will noch viele weitere Freisprechungen durchführen. Und nicht nur das. Auch wenn das jährliche Schauschmieden nicht mehr stattfindet, so führt er auf Anmeldung Besucher durch die Seerhausener Schauschmiede. Die ehemalige Schmiede der LPG wurde 1988 von Mitgliedern der 1738 gegründeten Schmiedeinnung Riesa saniert und mit einem dreitägigen Schmiedefest eingeweiht. Bei den Führungen lodert stets auch das Schmiedefeuer. "Natürlich, das gehört doch dazu, das ist Tradition", sagt er. Und hofft, dass auch seine Nachfolger Feuer und Flamme für diesen Beruf sind.