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Moritzburger Dauercamper in die Illegalität getrieben?

Für den Bürgermeister steht fest, der Platz muss beräumt werden. Die Camper halten dagegen, um zu retten, was in über 40 Jahren aufgebaut wurde.

Von Marvin Graewert
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44 Jahre lang haben sich Horst und Petra Heymann einen Traum aufgebaut. Mit über 70 Jahren sind sie nicht bereit, ihr Podest abzubauen.
44 Jahre lang haben sich Horst und Petra Heymann einen Traum aufgebaut. Mit über 70 Jahren sind sie nicht bereit, ihr Podest abzubauen. © Marion Doering

Boxdorf. Um das Ausmaß der Verwahrlosung zu zeigen, reißt der Campingplatz-Bewohner das Lenkrad herum und mäht die kniehohe Wiese nieder. Links und rechts knacken Zweige durchs Autofenster. Früher gab es Mitarbeiter, die Wege freigeschnitten und gemäht haben. Damals, als der Rasen noch saftig grün war. Damals, als Strom und Wasser noch nicht abgestellt waren. Damals, als die Bewohner noch Miete bezahlt haben und den Campern am Oberen Waldteich in Boxdorf noch nicht vorgeworfen wurde, den Platz illegal zu besetzen.

Platzt hier gerade für rund 135 Camper ein Traum von Freiheit? Der Dauercamper steigt aus seinem Auto und schüttelt energisch mit dem Kopf: "Ich bleibe hier. Die Adresse steht sogar in meinem Personalausweis." Vor 27 Jahren hat er hier sein Stück Ruhe gefunden, das er sich immer gewünscht hat. Es gab alles, was er brauchte, und gibt es selbst jetzt noch, obwohl im September Strom und Wasser abgestellt wurde: "Klar hatten wir davor ein entspannteres Leben. Aber wir haben immer noch unseren Brunnen." Und der sei tief genug. Für den Winter ist genügend Holz aufgestapelt. Für alles andere gibt es ein Notstromaggregat vor dem Haus.

Das wirkliche Ärgernis wurde ihm in Form von (Bau-)Zäunen vor die Nase gesetzt. Erst wurde der Campingplatz in zwei Teile aufgeteilt: Mit massiven Stelzen wurde ein Zaun in den Boden eingelassen, dann wurde seine Lieblingsbadestelle abgesperrt. Zwar wäre Baden sowieso nicht ratsam, weil der See ein bisschen umgekippt sei. Was im Klartext heißt, dass sich im Wasser Blaualgen tummeln.

"Größtenteils Schwarzbauten"

Geld zahlt auf dem Campingplatz schon lange keiner mehr. "Wofür auch?", fragt sich der Dauercamper, der seinen Namen nicht in die Öffentlichkeit tragen möchte. "So lange ich Sprit für mein Notstromaggregat kaufen muss, verrechne ich das mit der Miete", so der Camper. Letztlich bezahle er deshalb mehr sogar mehr als davor. Dabei läuft der Stromerzeuger kaum eine Stunde am Tag, um das Smartphone zu laden und den Kühlschrank herunterzukühlen und Eis einzufrieren. Mit dem gefrorenen Eis werden die Lebensmittel dann den restlichen Tag gekühlt.

Der Dauerstellplatz am Oberen Waldteich ist inzwischen so verwildert, dass die Camper vor lauter Unkraut kaum noch zu sehen sind.
Der Dauerstellplatz am Oberen Waldteich ist inzwischen so verwildert, dass die Camper vor lauter Unkraut kaum noch zu sehen sind. © SZ

Der Moritzburger Bürgermeister Jörg Hänisch kann dieser Argumentation nicht folgen. Der Platz sei gesperrt: "Der alte Pachtvertrag gilt seit dem 1. Januar nicht mehr: Seitdem steht dort jeder illegal."

Für Horst Heymann ist das nicht so einfach: Der Camper wohnt auf der anderen Seite des zweigeteilten Platzes. Beide Seiten hatten bislang einen Vertrag mit dem bisherigen Betreiber Steffen Martin, bis der sich klammheimlich davongemacht, seinen Pachtvertrag gekündigt und den Schlüssel in den Rathaus-Briefkasten geworfen hätte. Die Camper seien dadurch in die Illegalität getrieben worden: "Wie können wir uns überhaupt illegal auf dem Gelände befinden? Unser ganzes Eigentum - in Form von Hängern, Zelten und Überdächern - steht noch dort", sagt Heymann, der mittlerweile als Sprecher für die in der Luft hängenden Camper fungiert.

Erst hat er eine Petition ins Leben gerufen und am 27. Juni hatte er vor dem Gemeinderat gesprochen. Dabei ist Heymann niemand, der sich in den Vordergrund drängt. Doch nach 44 Jahren auf dem Campingplatz gehe es einfach um zu viel: "Ich kann das nicht einfach aufgeben – aus psychischen, physischen und finanziellen Gründen. Mit über 70 Jahren werde ich mein Podest nicht abbauen; genauso wenig mein Edelstahl-Überdach mit 100 Nieten", sagt Heymann. "Das ist eine Unverschämtheit von der Gemeinde, uns so was vorzuschlagen. Wir sind doch hier verwurzelt und willens, weiterzuzahlen." Sonst wären die Frühstücke nah am Wasser, wo sich auch mal Schwäne oder Milane dazugesellen, vorbei.

Bürgermeister Jörg Hänisch geht allerdings allmählich die Geduld mit den Campern verloren – vor allem nach dem Rundgang mit dem Landratsamt am Donnerstag, der das wirkliche Ausmaß des Problems offenbart hätte: "Es handelt sich größtenteils um ungenehmigte Schwarzbauten. Die Anbauten an die Campingwagen sind weit größer, als es das sächsische Baurecht zulässt", sagt Hänisch, der gerade versucht, die Adressen der Camper herauszufinden. Nur ein Bruchteil hätte dort eine Meldeadresse, auf einen entsprechenden Aushang hätten sich erst eine Handvoll Camper gemeldet. Eins sei aber klar, es handele sich dabei um keine Moritzburger: "Wenn wir die Namen nicht rausbekommen, müssen wir überlegen, wie wir das illegale Besetzen eines öffentlichen Platzes beenden", stellt Hänisch klar.

Zukunft ungewiss

Ein ganz anderes Problem ist die Gefahr, die von herabstürzendem Totholz ausgehen könnte. Deshalb hat die Gemeinde Bauzäune aufgestellt. Die Gefahr zu bannen, würde laut dem Kostenvoranschlag eines Baumschützers 20.000 Euro kosten. "Ich zahl keine 20.000 Euro für eine Fläche, die ich nicht gepachtet habe", sagt Hänisch. Allerdings hatten die Camper bereits signalisiert, sich jeweils mit 300 bis 500 Euro an den Kosten zu beteiligen. "Allerdings nur, wenn uns gewährleistet werden kann, dass die Camper an ihrem Platz bleiben und nicht umgesiedelt werden", stellt Horst Heymann als Bedingung.

Was mit dem Grundstück passieren soll, darüber kursieren auf den Campingplatz viele Gerüchte. Nach der Entscheidung auf dem Brettmühlenteich in Thiendorf, wo jetzt Ferienhütten statt Camper stehen, scheint alles möglich. Doch Hänisch stellt klar, bei dem Campingplatz in Boxdorf handelt es sich um kein Bauland: "Es gibt überhaupt noch keine Idee oder Gespräche, was mit dem Grundstück passieren soll."

Fest steht nur, dass der Gemeinderat beschlossen hat, den gesamten Campingplatz in Erbpacht für 66 Jahre auszuschreiben – dafür müsse ein Konzept vorgelegt werden. Derzeit gebe es allerdings noch keine Ausschreibung, weil noch ein Wertgutachten läuft.