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Die Stunde Null. Meißen 1945.

Aus unserer Serie: „1.000 Jahre Meißener Stadtgeschichte“ Teil 6

Von Christiane Weikert
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© Foto: Deutsche Fotothek

Am 7. Mai 1945 erreichen die sowjetischen Truppen die Stadt. 2 Tage später wird sie geplündert. Unsere großen Befreier, nun sind Sie da. Was hatten wir erwartet?

Seit Januar 1945 trafen immer mehr Flüchtlingstrecks in der Stadt ein. Meißen verwandelt sich in ein großes Flüchtlingslager. Schulen werden zu Lazaretten umfunktioniert. Die Not ist groß. Die Berichte von Greueltaten der Befreier machen die Runde und beunruhigen die Bevölkerung.

Die nächste schreckliche Ahnung kommt in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945. Die englisch-amerikanischen Flugzeugverbände fliegen entlang der Elbe über Meißen in Richtung Dresden. Ein roter Feuerschein erhellte den Himmel, als Dresden nach dem ersten Luftangriff in Flammen aufging. Auch die Meißner Feuerwehr rückte aus, um sich gegen das Feuermeer zu stellen. Ein aussichtsloser Kampf, wie sich herausstellte und so konnte die Feuerwehr nur den Flächenbrand und seine Ausbreitung bekämpfen.

Immer mehr Menschen flüchten nach Meißen

Nun rollte auch die Welle der geflüchteten Dresdner aus ihrer brennenden Stadt nach Meißen. Auf der Elbe versammelten sich die Lazarettschiffe. Überall war der Tod. Man sah es in den Gesichtern der Menschen. Alles Leben war erloschen. Die letzten Reserven zur Verteidigung gegen die anrückenden Truppen der Alliierten wurden mobilisiert. Alte und junge Meißner wurden verpflichtet, sich den Angreifern mit kaum nutzbaren Waffen oder Ausrüstung entgegen zu stellen. Ein sinnloses letztes Aufbegehren. In vielen Meißner Straßen wurden Panzer- bzw. Mienensperren angelegt, welche aber keine militärische Bedeutung mehr hatten. Im April setzte man Meißen unter Verteidigungsbereitschaft und bereitete sich auf die Ankunft der anrückenden Truppen vor. Am 26. April, 17 Uhr wurde die Elbbrücke gesprengt um das Vorrücken damit zu Verhindern. Meißen lag unter Beschuss.

© Foto: Deutsche Fotothek

Über Bohnitzsch rückt die Rote Armee Ende April voran. Straße um Straße. Die ersten zivilen Opfer sind zu beklagen. Teils werden bereits besetzte Stadtteile kurzzeitig zurückerobert, aber die Gegenwehr zerschlägt sich immer mehr.

Superintendent Herbert Böhme, Pfarrer Schröder und Studienrat Lorenz bitten den damaligen Bürgermeister von Meißen, die Stadt und seine Bewohner vor der herannahenden Armee zu schützen und zu schonen. Daraufhin wird Böhme sofort verhaftet und inhaftiert. Er entgeht allerdings dem Todesurteil und kommt nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt wieder frei.

In der Nacht vom 4ten auf den 5ten Mai wird durch die Ratsherren die kampflose Übergabe der Stadt an die Rote Armee beschlossen. Kampfhandlungen werden eingestellt und die Straßenbarrikaden entfernt. Der Weg für die einrückende Armee ist frei.

Der Krieg findet sein Ende. Meißen hat außer einer gesprengten Brücke, 21 zerstörte Häuser und über 1.700 Verstorbene Meißner, welche in Kämpfen den Tod gefunden hatten, zu beklagen.

Die Stunde Null

Nun lag alles in den Händen der Sieger, welche von Ihrem Recht der Befreier gebraucht machten. Nun begann eine neues Leid, die Tage der Vergeltung. Jeder war dem schutzlos ausgeliefert, besonders die Frauen. Es kam zu zahlreichen Übergriffen und wieder mussten Opfer durch die Willkür der Eroberer beklagt werden. Es kam auch zu zahlreichen Selbstmorden, bei manchen aus Angst, bei einigen aus moralischen Gründen meist weniger wegen Gefolgschaftstreue oder Verantwortungsangst. Es war eher die Unberechenbarkeit der Zukunft.

Textquellen + Bilder: Stadtlexikon von Günter Naumann, Stadt Meißen, Wikipedia