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Kreis Meißen: Wer einsam ist, stirbt früher

Fehlende soziale Kontakte im Alter machen krank. Was man dagegen tun kann, war Thema bei der Veranstaltung SZ Lebensbegleiter im Riesaer Nudelzentrum.

Von Ines Mallek-Klein
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Frauen werden in aller Regel älter als Männer, verbringen dann aber einen Teil ihres Lebens allein und das kann krank machen.
Frauen werden in aller Regel älter als Männer, verbringen dann aber einen Teil ihres Lebens allein und das kann krank machen. © Claudia Hübschmann

Riesa. Sich einsam zu fühlen, weil die Kinder weit weg leben und die Enkel allenfalls zum Weihnachtsfest vorbeikommen, ist eine völlig normale Emotion und keineswegs krankhaft. Und Menschen leiden unterschiedlich stark unter Einsamkeit. Es gäbe einige, die kommen damit durchaus gut zurecht, sagt Professor Markus Donix (43), der das Universitätsdemenzzentrum an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden leitet. Warum Menschen durch Einsamkeit trotzdem krank werden können und welche Wege es gibt, den Weg in das soziale Leben zurückzufinden, das war Thema der SZ-Vortragsreihe "Lebensbegleiter", die am Donnerstagnachmittag im Riesaer Nudelzentrum stattfand.

Gut 40 Gäste, zumindest Angehörige, waren gekommen, so wie ein junger Mann aus dem Elbland. Seine Mutter ist noch keine 70 Jahre. Eine lebenslustige Frau, die immer die Gesellschaft anderer Menschen liebte. Kein Wunder, sie kommt aus einer Großfamilie. Sie braucht den Kontakt, betreute deshalb selbst viele Jahre andere Senioren, war mit der Nachbarin nebenan eng befreundet und half ehrenamtlich beim DRK. Doch seit einiger Zeit hat sie sich verändert, hatte immer häufiger Probleme, die richtigen Worte zu finden. "Als in den WhatsApp-Nachrichten keine vollständigen Sätze mehr auftauchten, habe ich mir dann ernsthafte Sorgen gemacht", sagt ihr Sohn.

Hohe Dunkelziffer bei Demenzpatienten

Eine medizinische Demenz-Diagnose gibt es für seine Mutter noch nicht. Und das ist kein Einzelfall, weiß Bianka Hammer von der Landinitiative Sachsen. Sachsenweit gibt es 103.000 Demenzkranke. Soweit die offizielle Zahl, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Denn die Scham, über die nachlassende geistige Leistungsfähigkeit zu sprechen, ist immer noch groß, zumal sie oftmals mit charakterlichen Veränderungen der Patienten einhergeht. Das aber, so der Appell von Bianka Hammer, sei falsch. Denn Demenz ist eine Volkskrankheit und irgendwann werde jeder von uns mit ihr konfrontiert sein, direkt oder indirekt über Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde. "Wir tun gut daran, für die Demenz zu sensibilisieren und Umgangsformen damit zu finden, sodass die Patienten noch möglichst lange am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können", so Bianka Hammer.

Frauen sind häufiger betroffen

Das Krankheitsbild der Demenz kennt dutzende Unterformen. In knapp zwei von drei Fällen handelt es sich um Alzheimer. Eine Form, die in aller Regel ab dem 65. Lebensjahr auftritt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, auch weil sie älter werden und dann oft einen ganzen Lebensabschnitt allein verbringen. Dass diese Einsamkeit krank machen kann, ist wissenschaftlich bewiesen. Es steigt das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen. Wer einsam ist, greift häufiger zu Alkohol und Zigaretten und auch die Neigung, eine Depression zu entwickeln, ist erhöht. "Wir sind eben soziale Wesen, wenn auch der eine mehr und der andere weniger", so Markus Donix. Unsere Lebensform erkennt das aber immer seltener an, denn in Deutschland leben immer mehr Menschen allein. 2018 waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 17 Millionen Menschen, fünf Millionen mehr als 1990. Mehr als jeder Dritte, der allein lebt, ist 65 Jahre und älter. Vor einem halben Jahrhundert galt diese Lebensform noch als absolute Ausnahme.

Die Gesellschaft unterstützt die Einstellung, dass man sein eigenes Leben für sich selbst gestalten kann. Das Alleinleben ist zwischen den Geschlechtern allerdings nicht gleich verteilt. Bei den 30- bis 50-Jährigen leben vor allem Männer allein, bei den über 60-Jährigen dominieren aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartung die Frauen. Die Einsamkeit kann aber dazu führen, dass man eine Demenz entwickelt, weil kognitive Herausforderungen fehlen. Der Beginn eines Teufelskreises. Wer sich seiner Defizite bewusst wird, gerade im Anfangsstadium der Erkrankung, der zieht sich immer weiter zurück. "So war es auch bei meiner Mutter", erklärt der Sohn.

Austausch mit anderen Betroffenen

Er wird sich jetzt um eine ärztliche Diagnose bemühen. Dies ist wichtig. Denn obwohl in Deutschland jeden Tag 900 neue Demenzdiagnosen gestellt werden, gibt es auch Scheindemenzen, die von einer Depression begleitete werden oder auf dem Mangel von Vitamin B12 beruhen, so Bianka Hammer. Liegt die Demenzdiagnose aber erst einmal vor, ist sie die Eintrittskarte in das Unterstützungssystem. Mit ihr kann eine Pflegestufe beantragt werden, aus der wiederum finanzielle Leistungen für die Betreuung und die Entlastung der Angehörigen resultieren. "Die Belastung, vor allem die psychische, ist bei den pflegenden Angehörigen enorm. Sie müssen nicht nur lernen, für den Patienten, sondern auch für sich da zu sein", so Bianka Hammer. Wer gut pflegen will, muss selbst fit sein und sich selbst Auszeiten gönnen. Wichtig sei auch der Austausch mit anderen Betroffenen, beispielsweise in Selbsthilfegruppen. Welche es gibt, findet man auf der Webseite der Landesinitiative Demenz. Einige von ihnen haben während der Coronazeit begonnen, sich in Online-Gesprächskreisen zu treffen.

Wo es für Angehörige Hilfsangebote gibt, steht auf der Webseite der Landesinitiative Demenz.