Ermittlung zur Beinahekollision zweier Züge in Riesa dauert an: Es ist kein Einzelfall
Riesa/Leipzig. Die Ermittlungen zur Ursache der Beinahekollision von zwei Personenzügen im Bahnhof Riesa laufen. Die Bahnsprecherin bittet um Geduld und verweist auf das umfangreiche Sicherungssystem an Schienen und Loks. Das sollte eigentlich verhindern, dass zwei Züge aus unterschiedlichen Richtungen auf dasselbe Gleis einfahren. Warum das am Nachmittag des 24. Mai auf Gleis 2 des Riesaer Hauptbahnhofes trotzdem passiert ist, klären gerade Experten der Deutschen Bahn und eigens hinzugezogene externe Ermittler.
Es war gegen 16 Uhr, als eine aus Leipzig kommende Regionalbahn den Bahnsteig in Richtung Dresden verlassen wollte. Ihr kam auf dem gleichen Gleis ein Zug aus der Landeshauptstadt entgegen. Sie wurde rechtzeitig abgebremst, sodass die beiden Loks mehrere Dutzend Meter voneinander entfernt zum Stehen kamen. Die gut 300 betroffenen Fahrgäste setzen ihre Fahrt fort bzw. nutzen alternative Anschlüsse.
Technik gewährleistet Zugsicherheit
Mehrere Schrecksekunden erlebten Reisende nur einen Tag später in Frankfurt/Main. Auf Gleis 13 des Hauptbahnhofes rollten kurz vor 17.30 Uhr zwei Züge direkt aufeinander zu. Sie kamen nur Zentimeter voneinander entfernt zum Stehen, berichtet die Frankfurter Rundschau und verweist auf ihr vorliegendes Videomaterial. Betroffen war demnach der ICE 1671 auf seiner Fahrt vom Ostseebad Binz über Gießen und Darmstadt nach Karlsruhe, der Frankfurt planmäßig um 17.20 Uhr verlassen sollte. Er wollte gerade losfahren, als ihm ein Fahrzeug der Hessischen Landesbahn entgegenkam. Das war von Abstellgleisen auf dem Weg zu den Bahngleisen und hätte dort nicht fahren dürfen, soweit die ersten Erkenntnisse aus Hessen.
Statistisch gesehen gehören Züge zu den sichersten Verkehrsmitteln überhaupt. Die Deutsche Bahn befördere jeden Tag rund fünfeinhalb Millionen Fahrgäste mit mehr als 40.000 Zugfahrten. Für die Sicherheit sorgten nicht nur die qualifizierten Mitarbeiter, sondern auch Zugbeeinflussungssysteme, mit denen alle Strecken der Deutschen Bahn ausgerüstet seien, so die Sprecherin. Die Technik bringe Züge automatisch zum Stehen, wenn Signale nicht beachtet oder die zulässigen Geschwindigkeiten nicht eingehalten werden. Dabei gäbe es vier verschiedene Systeme, die parallel arbeiten bzw. nacheinander greifen.
Keine Abstriche bei der Sicherheit
Da gäbe es zum einen die Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB). Sensoren am Gleis und am Fahrzeug überwachen die Fahrt. Überfährt ein Zug ein Haltesignal, werde er automatisch gebremst. Ob dieses System auch am Riesaer Bahnhof gegriffen habe, müsse noch geprüft werden. Außerdem kontrolliere das System, ob an einem bestimmten Punkt die zulässige Geschwindigkeit des Zuges überschritten wird. Ist der Zug an den Messpunkten beispielsweise vor der Kurve zu schnell, werde er automatisch gebremst, heißt es aus der Pressestelle der Bahn.
Auf den schnell befahrenen Strecken, auf denen die Züge mit mehr als 160 Kilometern pro Stunde unterwegs sind, komme zusätzlich die Linienzugbeeinflussung (LZB) zum Einsatz. Der Triebfahrzeugführer erfährt über die Anzeige sehr früh von dem jeweiligen Signal und wird aufgefordert zu bremsen. Gleichzeitig wird die Geschwindigkeit des Zuges überwacht. Ist sie auf dem jeweiligen Streckenabschnitt höher als erlaubt, bremst das System automatisch.
Seit Ende 2015 gibt es mit dem European Train Control System (ETCS) ein weiteres Sicherungssystem. Das ist auf der Hochgeschwindigkeitsverkehrsstrecke Erfurt-Halle-Leipzig bereits im Einsatz und soll auf weitere europäische Strecken ausgeweitet werden, vor allem, um bei dem grenzüberschreitenden Einsatz von Loks und Wagen die Sicherheit zu erhöhen. Das vierte Sicherheitssystem ist die Sifa. Die Abkürzung steht für Sicherheitsfahrschaltung. Sie sorgt dafür, dass ein Zug gebremst wird, wenn der Triebfahrzeugführer während der Fahrt handlungsunfähig wird. Dazu bedient der Lokführer während der Fahrt mindestens alle 30 Sekunden ein Pedal oder einen Taster. Bleibt die Bedienung aus, warnt das System den Lokführer zunächst optisch und akustisch bevor der Zug automatisch heruntergebremst wird.
Die Deutsche Bahn hat zahlreiche neue Lokführer eingestellt, teilweise auch mit verkürzten Ausbildungszeiten. Diese kürzere Qualifizierungsdauer liege aber in der Spezialisierung begründet. Lokführer seien, so die Sprecherin, vereinfacht ausgedrückt nur für eine bestimmte Zugart und ausgewählte Strecken ausgebildet. Das Gleiche gilt für die Fahrdienstleiter, die sich auf eine Stellwerkstechnik und ein bestimmtes Stellwerk spezialisierten. Abstriche bei der Sicherheit gäbe es selbstverständlich keine.