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Erwacht! Geister der Görnischen Gasse (4)

Die Geschichte der Görnischen Gasse 32 – Das nächste Schmuckstück entsteht.

Von Christiane Weikert
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© Foto: Robin Geyer

In der kommenden Folge unserer Reihe „Erwacht – Die Geister der Görnischen Gasse“ schauen wir uns die Geschichte und die Sanierung des Hauses Nummer 32 etwas näher an.

Das Gammelhaus

Lange wartete das „Gammelhaus“ auf seine Sanierung. Nun wird auch einem der letzten ruinösen Schandflecken der Gasse neues Leben ausgehaucht. Bauherr Dr. Walter Hannot, Ex-Stadtrat für die Initiative "Bürger für Meißen - Meißen kann mehr, wird dabei auch von der Stadt finanziell unterstützt und erhält einen Sanierungszuschuss von 8 % der absehbaren Baukosten. Damit ist ein kleiner Schritt getan, das städtebaulich wertvolle Gebäude wieder herzurichten und bewohnbar zu machen.

Die Ursprünge des Gebäudes liegen vermutlich im 16. oder 17. Jahrhundert. Die ineinander verschachtelten Kellergewölbe sprechen dafür. Im Brandkataster taucht das Gebäude nach 1637 unter den 18 wüstliegenden Häusern des Vierten Viertels auf. In diesem Zusammenhang genannte Geldbeträge weisen auf ein recht ansehnliches Gebäude vor dem 30-jährigen Krieg hin.

Urbar der Stadt Meißen, 1719
Urbar der Stadt Meißen, 1719 © Foto: URBAR der Stadt Meißen, 1719

Ab 1739 gibt es Eintragungen im Urbarium der Stadt Meißen. Aus dem Wertzuwachs zwischen 1805 und 1809 kann auf umfangreiche Baumaßnahmen geschlossen werden. Die für das Gesicht des Hauses bestimmende neugotische Architektur dürfte zwischen 1860 und 1870 entstanden sein.

Das Wohnhaus in der Görnischen Gasse 32 mit seiner strengen neugotischen Formsprache ist in der Art der Gestaltung an kaum einer anderen Stelle der Stadt Meißen wiederzufinden. Anhand der Gestaltung der Türen sind stilistische Parallelen zu den Monumentalgebäuden Kornhaus und Albrechtsburg erkennbar.

Die Ausstattung des Gebäudes in seinem letzten funktionsfähigen Zustand vor etwa 30 Jahren mit Türen, Fenstern und Stuckdecken entsprach baulich an vielen Stellen dem der Jahre 1860 bis 1870.

Wappen an der Außenseite des Hauses über Erker
Wappen an der Außenseite des Hauses über Erker © Foto: Claudia Hübschmann
Notsicherung des Erkers
Notsicherung des Erkers © Foto: Claudia Hübschmann
Ornamente am Haus
Ornamente am Haus © Foto: Brumm-Bau

Die Zeit hinterließ erhebliche Wunden am Haus

Das Gebäude hat in den Jahren des Leerstandes seit den 90er Jahren bis heute eine Entwicklung von einem damals relativ gut erhaltenen Wohngebäude zu einem Haus mit erheblichen Schädigungen erfahren.

Walter Hannot ist trotzdem etwas überrascht. Bei seiner ersten Begehung des Hauses fiel ihm auf, dass trotz des jahrelangen Leerstandes einige alte Details überliefert geblieben sind. So sieht man noch alte Fliesen, Türen oder mit Ochsenblut gestrichenes Parkett. „Wenn es richtig ausgeleuchtet ist, sieht man die Malereinfassungen“ erklärt er. Allerdings fielen auch kleinere Dinge wie Tür- und Fensterklinken „Antikplünderern“ zum Opfer. „Solche Dinge sind einfach auf Flohmärken zu beliebt“ erzählt er uns weiter.

Notsicherung Dach
Notsicherung Dach © Foto: Claudia Hübschmann

Der größte Feind alter Häuser – der Hausschwamm

Aber das eigentliche Problem und der schlimmste Feind alter Häuser: Der Hausschwamm. Unübersehbarer hat er sich durch Dachstuhl und Wände quasi gefressen. So mußten im Dezember 2020 auch Teile des Dachstuhles aus Notsicherung entfernt werden. Auch Zwischengeschossdecken sind von dem cellulosefressenden Pilz befallen.

Hausbesitzer Hannot, der schon Haus Nummer 33 in der Görnischen Gasse sanierte, drängte damals bei der Sanierung darauf, dass die Stadtverwaltung, das Nachbarhaus Nummer 32 auf Schwammbefall untersuchen lassen soll. Die damalige Besitzerin legte zwar das geforderte Konzept vor, schloß aber die damit verbundenen Maßnahmen zur Schwammbeseitigung nicht zur Zufriedenheit ab. Der Pilz fraß weiter. (SZ berichtete 04.04.2018)

Walter Hannot drängte die Stadtverwaltung weiter auf die Beseitigung des Hausschwammes, da die Hausinhaberin nicht kooperativ war und er weiter sein Nachbarhaus gefährdet sah. Kurz um, kaufte Walter Hannot auch dieses Haus und rettete es so vor dem absoluten Verfall.

Auch Teile des Erkers an der Frontseite waren absturzgefährdet und mussten notgesichert werden. So wurde auch versucht, dieses baudetailverliebte Schmuckstück zu erhalten.

Was hat es mit dem Türkenkopf auf sich?

Einen richtigen Namen hat der ominöse Sandsteinkopf nicht, der das Vorderportal des Hauses ziert.

© Foto: Robin Geyer

Im Gurlitt wird er als „überlebensgroßer Kopf eines Türken“ bezeichnet. Aber wo kommt er her? In einigen Aufzeichnungen wird er auch als „wütender Postmeister“ bezeichnet. Denkmalpfleger Andreas Christl vermutete, dass er wahrscheinlich aus der Dresdner Zwingerhütte stammt und von einem Sammler damals mitgenommen wurde und an das Haus montiert wurde.

Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, C. Gurlitt, 1917
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, C. Gurlitt, 1917 © Cornelius Gurlitts

Die Dresdner Zwingerbauhütte wurde 1924 gegründet. Nach Vollendung des Wiederaufbaues des Zwingers 1968 wurde die Zwingerbauhütte aufgelöst. Im Juni 1991 erfolgte die Wiedereinrichtung als Teil der staatlichen sächsischen Hochbauverwaltung. Zu den Aufgaben der Zwingerbauhütte gehört eine kontinuierliche Restaurierung des Zwingers und die Pflege des Wissens rund um alte Handwerkstechniken. Dabei unterscheidet sich die heutige Arbeitsweise kaum von denen des 18. Jahrhunderts. Die meisten Arbeiten werden wie eh und je von Hand erledigt und auch die Werkzeuge sind fast ausschließlich von Hand gefertigt.

Woher nun der „wütende türkische Postmeister“ stammt, wird wohl weiter ein Geheimnis bleiben.

Wir danken Walter Hannot und der Firma Brumm-Bau, dass sie ein weiteres Schmuckstück in der Görnischen Gasse entstehen lassen. Meißen.lokal wird weiter berichten, wenn das Haus saniert ist.

Liebe Meißner, liebe Besucher. Gehen Sie immer mit offenen Augen durch die Stadt und entdecken sie die kleinen und großen Details, die uns die Geschichte überliefert hat und haben Sie Respekt.

Textquellen + Bilder: Pilotprojekt Meißen, Sanierungsvorhaben Historische Altstadt, Erfassung denkmalpflegerischer Belange durch Dipl.-Ing. Restaurator Helge Landmann, Stadt Meißen, Stadt Dresden, SZ Meißen Martin Skurt)

Meißen.Lokal folgt den Geistern der alten Meißner Häuser

Welche Seelen wachen in den alten Häuser auf der Görnischen Gasse? Welche Geschichten erzählen die historischen Gemäuer der wunderschön verträumten, schmalen Straße? Meißen.lokal blickt zurück und lässt die Geister sprechen. Kommen Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit und staunen Sie, was aus den Bauwerken geworden ist.