Faszination Modelleisenbahn

Käbschütztal/Meißen. Der Anfang war ein Zufall. Vor etwa 15 Jahren fuhr Dirk Weithase mit der Familie zum Bahnhof Radeburg. Dort sei eine Modellbahnausstellung, hatten Freunde seiner Frau gesagt. "Wir öffneten die Tür zum Güterboden und erblickten im Halbdunkel die in U-Form aufgebaute und in ihrer Ausdehnung imponierende Modellbahnanlage in der Spurweite H0 – und ich war gefangen. Gefangen schaute ich den langen Zügen hinterher, die sich über die zweigleisige Hauptstrecke wanden, gebannt bestaunte ich den Fahr- und Rangierbetrieb auf der Nebenbahn mit den Industriegleisen, fasziniert schaute ich auf die vielen kleinen Szenen und Details wie das Carsystem mit Drehscheibe in einer Fabrikhalle, die Straßenbahn durch die Stadt oder das sich wie von Geisterhand öffnende Tor für den Gleisanschluss zur Glasfabrik. Schwer beeindruckt verließ ich den Güterboden und wurde wenige Wochen später Vereinsmitglied eines der ältesten und traditionsreichsten Modellbahnvereine Sachsens", erinnert sich der heute 51 Jahre alte Dresdner.
Inzwischen ist er seit vier Jahren Vereinsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Modellbahn Meißen. Sie feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Sie besteht seit 70 Jahren. Der Verein, der sein Domizil seit Jahren in einem ehemaligen Gasthof in Großkagen (Gemeinde Käbschütztal) hat, lädt dort anlässlich des 70-jährigen Jubiläums vom 16. bis 18. Juli zur Modellbahnausstellung ein.
Auf der großen H0-Anlage verkehren viele vorbildgerecht zusammengestellte Züge, und zahlreiche liebevoll und detailliert gestaltete Szenen erzählen die kleinen Geschichten des Alltags: Feuerwehrübung in der Chemiefabrik, geschäftiges Treiben auf dem Bauhof oder die funktionierende Müllabfuhr. Außerdem warten viele Knopfdruckaktionen wie der große Feuerwehreinsatz auf die Besucher.
Eine der größten Anlagen in Sachsen
Wie viele Vereine haben die Modellbahner wegen Corona ein schweres Jahr hinter sich. Mitte März 2020 traf man sich vorerst das letzte Mal zum Vereinsabend. Dann war Schluss wegen Corona. Die traditionelle Sommerausstellung fiel aus, ebenso wie die Modell-Hobby-Spiel in Leipzig.
Erst ab Mitte Juni kann man sich wieder regelmäßig freitags im Vereinsheim in Großkagen treffen, wie an jenem Freitag. Nach und nach treffen an jenem frühen Abend die Vereinsmitglieder ein, viele Autos haben Dresdner Kennzeichen. Sie nehmen nun die Überarbeitung und den teilweisen Neubau eines der Stadtmodule in Angriff: Die alten und zu kleinen Fachwerkhäuser im Schwarzwaldstil wurden durch einen angedeuteten mittelalterlichen Stadtkern mit Resten einer Stadtmauer ersetzt. Auch erhalten die Schmalspurmodule viele neue Details, wie neue Telegrafen- und Strommasten mit dem dazugehörigen Kabeltrupp der Energieversorgung. Das Projekt „Großbaustelle“ kam langsam wieder in Fahrt, die Fahrzeuge sind schon gealtert und teilweise mit Zubehör und Ladung versehen. Daneben widmeten sich drei Vereinsmitglieder der notwendigen Inventur und Revision unseres rollenden Materials.
Die Vereinsanlage ist eine der größten transportablen H0-Modellbahnanlagen Sachsens mit insgesamt 28 Anlagenmodulen. In der größten Aufbauvariante rollen 20 Züge gleichzeitig über die fast 50 Meter lange Anlage.
Sesshaft in Großkagen
Mehrfach musste der Verein in den vergangenen Jahren umziehen, sein Domizil wechseln. Seit vielen Jahren hat man aber nun ein Vereinsheim in Großkagen. Da es 1998 wieder Raumprobleme gab, erwarb die Arbeitsgemeinschaft den Saal des Gasthofes Großkagen. Am 5. Februar 1999 erfolgte der symbolische erste Spatenstich zur Sanierung des Gebäudes, die Ende Oktober 2000 größtenteils abgeschlossen wurde – die Modellbahnanlage konnte aufgebaut werden.
33 Mitglieder, darunter drei Jugendliche, zählt der Verein heute. Der "harte Kern" bereitet derzeit die Modellbahnausstellung vor. Die Module werden gereinigt, entstaubt, die große Modellbahnanlage wird verschönert. So erhält die Stadt über dem Schattenbahnhof ein neues Aussehen und es entstehen zwei neue Anlagenteile. Auch die Jugendanlage wird weiter ausgebaut. "Die Anlage besteht aus lauter Fantasielandschaften, allerdings mit original nachgebauten Häusern wie dem Bahnhof von Lommatzsch oder einer Häuserzeile gegenüber dem Meißner Bahnhof", sagt Vereinsmitglied Volkmar Prietzel, während er mit Druckluft die Module reinigt.
Problem: Vereinsheim sehr abgelegen
Im Verein gibt es übrigens nur Männer. Dirk Weithase bedauert das: "Wir würden uns sehr freuen, wenn auch Frauen mitmachen würden. Leider findet sich aber niemand", so der Lehrer und Dozent. Auch Jugendliche zu gewinnen ist schwer, und das hat vor allem einen logistischen Grund: "Wir sind zwar sehr froh, hier in Großkagen ein eigenes Vereinsheim gefunden zu haben, aber der Ort ist doch sehr abgelegen. Der letzte Bus fährt 18.30 Uhr. Ohne Auto kann man dann nicht mehr nach Hause kommen", sagt der Dresdner.
Die Ausstellung findet in diesem Jahr unter Corona-Bedingungen statt. Stand jetzt sind aber weder Maskenpflicht noch Tests vorgeschrieben, wohl aber soll es eine Kontaktverfolgung geben. Maximal 50 Besucher sollen zeitgleich eingelassen werden, so viele sind es aber auch in normalen Jahren nicht. Dirk Weithase hofft, dass dennoch viele Besucher kommen und dass es denen wie ihm geht: "Ich bin immer noch wie beim ersten Mal beeindruckt von unserer wunderschönen, sich immer wieder verändernden Modellbahnanlage", sagt er. Und freut sich darauf, auch im 71. Jahr mit allen Vereinsmitgliedern die erfolgreiche Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Modellbahn Meißen fortzuschreiben.
Die Ausstellung auf dem Vereinsgelände findet vom 16. bis 18. Juli statt. Sie ist am Freitag von 12 bis 18 Uhr, am Sonnabend von 10 bis 18 Uhr sowie am Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Die Eintrittspreise betragen für Erwachsene 3,00 Euro, für Kinder 1,50 Euro und für Familien (zwei Erwachsene und zwei Kinder) 7,00 Euro. Die benachbarte Freiwillige Feuerwehr Großkagen öffnet wieder ihr Gerätehaus für Besichtigungen.