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Getöteter NVA-Soldat aus Meißen: Schwester erhält Nachricht von Weggefährten

Der Todestag von Klaus-Dieter Müller jährt sich bald zum 37. Mal. Seine Schwester suchte Weggefährten des Stabsmatrosen und fand sie mithilfe der SZ.

Von Ines Mallek-Klein
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Das Schiff, auf dem Klaus-Dieter Müller zu Tode kam, ist schon lange verschrottet. Seine Schwester Birgit hat in Peenemünde auf Usedom das Schwesternschiff besucht.
Das Schiff, auf dem Klaus-Dieter Müller zu Tode kam, ist schon lange verschrottet. Seine Schwester Birgit hat in Peenemünde auf Usedom das Schwesternschiff besucht. © Privat Kai Przybilla

Meißen. Der 24. September 1987 wurde zum Schicksalstag von Familie Müller aus Meißen. Ihr Sohn, Stabsmatrose Klaus-Dieter Müller, kam auf einem kleinen Raketenschiff der Volksmarine ums Leben. Bei einem Bordunfall. Seine Schwester Birgit war damals Teenager, sie erinnert sich noch, wie zwei Majore und der ABV klingelten und die Todesnachricht überbrachten.

Der Vater von Klaus-Dieter forderte Akteneinsicht, doch die wurde mit Verweis auf den militärischen Hintergrund verwehrt. Danach Schweigen, über viele Jahrzehnte. "Bei uns zu Hause wurde kein Wort mehr über den Unfall geredet", so Birgit. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein Vermächtnis zu bewahren und so wandte sich Kay Przybilla, der Lebensgefährte von Birgit Müller, an die Sächsische Zeitung. Man suche nach Weggefährten und auch Fotos.

Das Grab des Matrosen auf dem Trinitatisfriedhof in Meißen, hier wurde Klaus-Dieter Müller mit militärischem Ehren beigesetzt.
Das Grab des Matrosen auf dem Trinitatisfriedhof in Meißen, hier wurde Klaus-Dieter Müller mit militärischem Ehren beigesetzt. © Privat Kai Przybilla

Keine Meldung von der Crew

Die Resonanz war überwältigend, sagt Birgit Müller, als sie Anfang August in die Meißner Redaktion kommt. Auch wenn ehemalige Freunde und Schulkameraden mittlerweile verteilt über das ganze Bundesgebiet leben, haben sich sehr viele gemeldet. So erfuhr Birgit auch, dass ihr Bruder nicht von Beginn an die Pestalozzi-Schule besucht hatte, sondern erst nach dem Umzug der Familie. Im Kabelwerk lernte er Schlosser und sein Vorarbeiter erinnert sich an einen fleißigen und verlässlichen Mann.

Umso tragischer der Tod von Klaus-Dieter Müller. Die Crew kam von einem Manöver zurück und sollte im Hafen eine Rakete zurück an Land bringen. Inklusive aller Sprengsätze bringe die gut 1,4 Tonnen auf die Waage. Sie liegt auf einem Schlitten und wird von dort mit einem Kran angehoben. Sicherungssperren sollen verhindern, dass die Rakete in die Waffenleitanlage zurückrutscht.

Doch genau das ist passiert, weil die Sicherung vorzeitig gelöst wurde. Von wem, konnte nie zweifelsfrei geklärt werden. Die beiden Matrosen, die mit Klaus-Dieter entladen sollten, wurden angeklagt und verurteilt. Ihrer Haftstrafe entgingen sie nur knapp durch eine Amnestie. Der Kommandeur des Schiffes wurde strafversetzt.

Von der Crew hat sich bislang niemand gemeldet. Birgit Müller hat dafür Verständnis, auch wenn sie keinen Groll hegt. Ungeschehen könne man den Unfall ohnehin nicht machen. Dass aber möglicherweise auf dem kleinen Raketenschiff 574 nicht alles ordnungsgemäß zuging, darauf deutet auch der Ablauf der Beerdigung hin. Als Klaus-Dieter Müller mit militärischen Ehren auf dem Trinitatisfriedhof in Meißen beigesetzt wurde, "hat man alles unternommen, uns als Familie von den anderen Matrosen fernzuhalten", erinnert sich Schwester Birgit.

Gedenkstein auf Rügen wurde entfernt

Das Schiff, das bis 1989 für die Volksmarine fuhr, 1990 von der Bundeswehr übernommen wurde, ist mittlerweile verschrottet. Es gibt aber in Peenemünde ein Schwesternschiff. Das haben Birgit Müller und ihr Lebensgefährte besucht, erhielten eine Sonderführung mit Einblicken in Bereiche, die sonst niemand zu sehen bekommt, und sie durften am Ende sogar die Schiffsglocke läuten.

Der Unfall hatte damals in der Marine die Runde gemacht, auch Jörg erfuhr davon. Er lebt heute in Bayern, besuchte damals mit Klaus-Dieter die Schule in Meißen und wurde zeitgleich eingezogen, er war auf Usedom stationiert, Klaus-Dieter auf Rügen. Er war mittlerweile in Meißen, hat Blumen am Grab seines Freundes niedergelegt.

"Und auch die Steinbruchclique hat sich gemeldet, jene Jungs, mit denen Klaus-Dieter immer im Meißner Steinbruch baden gegangen ist", so Birgit. Sie wollen sich demnächst treffen, um über alte Zeiten zu reden. "Ich bin sehr dankbar für die Rückmeldungen und die vielen Gespräche, die ich geführt habe", sagt die Schwester. Mittlerweile hat sie auch einige neue Fotos von ihrem Bruder. Ein Wermutstropfen aber bleibt. Der Gedenkstein in Dranske auf Rügen, der an den Tod von Klaus-Dieter Müller erinnerte, ist in der Nachwendezeit entfernt worden. Dabei hatte er mit seinem Körper mutmaßlich verhindert, dass die Rakete an Bord explodiert und Dutzende Matrosen mit in den Tod riss.