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"Die Erde braucht uns nicht – aber wir sie."

Die Natur ist keine Müllhalde. Für zu viele Menschen leider doch. Katrin Markert berichtet im Interview über verwahrloste und verdreckte Ecken in Meißen.

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Katrin Markert möchte, solange sie in Meißen lebt, aktiv sein, um den Ort schöner zu gestalten.
Katrin Markert möchte, solange sie in Meißen lebt, aktiv sein, um den Ort schöner zu gestalten. © Katrin Markert

Verbrauchte Einwegprodukte, alte Möbelstücke oder abgetragene Kleidungsstücke - die Menschen werfen Vieles weg. Nur leider noch zu oft dorthin, wo es nicht hingehört. Die Meißnerin Katrin Markert kann dabei nicht wegsehen und steht für die ein, die es selbst nicht kann: unsere Umwelt. "Es ist ein kleiner Teil der Einwohner, die ihren Unrat in der Landschaft verteilen, aber unter diesem kleinen Anteil leidet die gesamte Stadt. Das Ordnungsamt hatte mir mal aufgelistet, was es jährlich kostet, diesen Müll beräumen zu lassen. Den meisten Menschen ist wahrscheinlich nicht bewusst, oder auch egal, dass wir alle dafür bezahlen.", so Katrin Markert.

Was sind aktuelle Müllstellen in Meißen?

"Da gibt es einige. Auch solche, die, kaum sind sie beräumt, gleich wieder verdreckt sind. Beispielsweise der Zscheilberg, das Triebisch- und Elbufer, leerstehende Kleingärten und Häuser, die Eisenbahnbrücke, rings um Discounter, wie beispielsweise entlang der Fabrikstraße und dem McDonald's-Parkplatz, der Beyerleinpark, der Winterhafen; oberhalb des Stadtwaldes sind jede Menge Schuttablagerungen. Der neue „Millionensteg“ ist schon komplett übersät mit Hundekot.

Ein aktuelles Beispiel noch: Die Hirschbergstraße. Hausnummer 19 bis 24 stehen schon jahrelang leer, wurden angeblich gekauft, aber es tut sich nichts. Dabei finde ich die Hirschbergstraße zum Wohnen wunderschön und vor allem ruhig. Stattdessen liegt unendlich viel Müll in den Vorgärten herum. Dieser Anblick tut mir besonders weh, weil ich im Haus Nr. 24 als Kind oft bei meinen Großeltern war und ich auch viel in der Gegend bis hinter zur Huttenburg gespielt habe."

Was schmeißen die Menschen denn alles in die Natur?

"Kurz gesagt: Alles, was man wegschmeißen kann. Mich würde es nicht wundern, wenn sogar jemand seine Großmutter im Wald entsorgt. Ich war regelrecht sprachlos, als ich einmal eine Perserkatze und undefinierbare übelriechende Fleischbatzen sowie größere Knochenteile fand! Was ist mit dem Menschen passiert, der so etwas tut?"

© Foto: Katrin Markert
© Foto: Katrin Markert
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© Foto: Katrin Markert

Was würden Sie solche/n Menschen gern mal fragen/sagen?

"Ganz einfach: Warum sie das tun? Es gibt keinen vernünftigen Grund, denn wir haben ein gut funktionierendes, beinahe typisch „deutsches“ Abfallsystem. Deshalb muss niemand Dinge im Wald entsorgen. Dazu kann man seinen Sperrmüll gratis und recht bequem vor der Haustür abholen lassen. Mir muss mal jemand erklären, warum er sich die Mühe macht, zum Beispiel eine Waschmaschine ins Auto zu laden und in den Wald zu fahren, um diese dann dort zu entsorgen?

Außerdem würde ich den Menschen den Vorschlag machen, mal eine Woche bei der Müllabfuhr und -sortierung zu arbeiten.

Ein Vorzeigebeispiel ist für mich Norderney, wo ich drei Jahre gelebt habe. Dort würde sich kein Bewohner auch nur trauen, einen Kaugummi oder eine Zigarette wegzuschmeißen, weil jeder dort Wohnende diesen einzigartigen Lebensraum achtet. Die Menschen identifizieren sich mit ihrem Fleckchen Erde. Gut, nun kann man Meißen nicht direkt mit einem Weltnaturerbe-Inselchen vergleichen. Meine Frage ist: Womit identifizieren sich die Menschen denn hier?"

Was wird von der Stadt getan, um solche Vorfälle zu vermeiden/zu vermindern?

"Es ist Einiges passiert in letzter Zeit. Positiv finde ich zum Beispiel den Mängelmelder auf der Website der Stadt und die jährliche Putzaktion im April. Meines Erachtens reicht das aber noch lange nicht aus. Oft habe ich Fotos mit Dreckecken ans Ordnungsamt geschickt. Diese wurden dann auch beräumt, aber das kommt leider nicht in den Köpfen der Verursacher an.

Die Stadt könnte zudem mehr mit dem Personal des Ordnungsamtes präsent sein, um Müllverursacher auch zu erwischen. Beim Knöllchenverteilen ist man da ja auch fix. Eine Möglichkeit wäre auch freiwilligen Helfern einen Ansporn zu schaffen. Zum Beispiel mit Restaurant-, Kino- oder Theatergutscheinen. In anderen Städten gibt es außerdem Müllfahnder, das wäre auch eine Option für Meißen."

Achten Sie selbst vermehrt darauf, Müll im Alltag zu verringern?

"Mein Mann und ich kaufen seit Jahren, wenn möglich, gute, regionale Lebensmittel – dafür sind Grünmarkt, Bioläden oder diverse Bauernmärkte in der Umgebung bestens geeignet. Kleidung wird modeunabhängig ge- oder manchmal sogar verbraucht, also so lange wie möglich genutzt.

Ich habe einen klaren Vorteil: Weil ich kreativ bin, mache ich Vieles selbst. Auch bauen wir im Garten einiges an. Das macht Spaß, ist eine sinnvolle Aufgabe und erdet."

Leben Sie gern in Meißen? Was gefällt Ihnen und was nicht?

Im Jahr 2000 kam ich zurück nach Meißen. Seitdem hat sich bis heute Einiges verändert, nicht alles davon zum Besseren. In Werbeprospekten und Internetseiten werden von Meißen meist nur die historische Altstadt, Albrechtsburg, Frauenkirche und Porzellanmanufaktur erwähnt. Doch Meißen hat noch mehr schöne Stadtteile, die ein bisschen vergessen werden. Glücklicherweise gibt es, auch aufgrund der Anregungen und Kritik von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und einigen wenigen Parteien oder Bürgerinitiativen, zaghafte Bemühungen seitens der Stadtverwaltung, dieses Bild ein wenig zu „richten“. Demgegenüber stehen – auch glücklicherweise – etliche Aktivitäten durch Vereine, Gesellschaften, Organisationen, die weniger bekannten Ortsteile attraktiver zu gestalten. Genannt seien hier nur beispielhaft das KAFF, Hafenstaße e.V., DAS TOR von Frau Suárez, die Kirchgemeinden der Ortsteile, die Stiftung SOPRO der Stadt Meißen, AtelierFieber und die Pfadfinder. Eine Stadt lebt nicht nur vom Tourismus, sondern auch von ihren Einwohnern.

Ein Wunsch, den viele Meißner hegen, ist, dass der Straßenverkehr reduziert werden muss. Dabei helfen könnte beispielsweise eine sinnvollere Verteilung der rings um den Beyerleinplatz ansässigen Discounter auf Teile der Stadt, in denen es kaum oder gar keine Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Bedarfs gibt: Korbitz oder Bohnitzsch fallen mir spontan dazu ein. Dafür wäre hier plötzlich Platz für ein Mehr-Generationen-Kulturzentrum, welches den derzeitigen und auch eventuell neuen Anbietern von Kultur- und Freizeitangeboten flexiblere Räume geben könnte.

Meißen sollte für jeden lebenswert sein. Wenn ich an meine Kindheit denke, finde ich es traurig, dass der Berg und die Felder, auf denen wir damals gespielt haben und im Winter rodeln waren, komplett mit Eigenheimen zugebaut sind. Ein Ende des Flächenversiegelns ist leider in Meißen noch nicht in Sicht. Demgegenüber sehe ich etliche leerstehende Häuser oder Brandruinen, wie das alte Landkrankenhaus. Es gibt keinen Wohnraummangel, sondern ein zu hohes Anspruchsdenken."