Von Beate Erler
Als die Bundesregierung Mitte November bekannt gibt, dass die Bürger zur Eindämmung der Corona-Pandemie ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum reduzieren und auf private Feiern verzichten sollen, denkt sich Marco H.: „Da wird das Denunziantentum ja wieder ordentlich aufblühen.“
Kurze Zeit später will der Radebeuler, der anonym bleiben möchte, in einem Gasthof in Ockerwitz einen Filmbeitrag drehen. Für vier Stunden wurde dort ein 300 Quadratmeter großer Saal für die Aufzeichnung gemietet. Plötzlich hält ein Einsatzwagen der Polizei vor dem Gasthof und acht Polizisten betreten den Raum: Sie sind vom Nachbarn gegenüber gerufen wurden, der von seinem Fenster aus ein blinkendes Licht und Leute gesehen haben will.
Danach war der Dreh erst einmal für eine Stunde unterbrochen: „Wir mussten das Hygienekonzept, die Freigabe vom Landratsamt und unsere Masken vorzeigen“, sagt Marco H. Der Gasthof war aufgrund des Lockdowns geschlossen, aber der Dreh ordnungsgemäß angemeldet und erlaubt.
Für Marco H. und das Team aus Künstlern, Veranstaltern und Tontechnikern eine unnötige Zeitverschwendung. Auch im Zug hat er schon oft Auseinandersetzungen wegen der Maskenpflicht beobachtet: „Die Gesellschaft ist gespalten und die Stimmung gereizt bis verbal ausfallend“, sagt er.
Anstiftung zu Denunziation?
In einigen Städten wurden jetzt Stellen eingerichtet, bei denen Bürger um Mithilfe gebeten werden und Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen melden können. Vor allem größere potenzielle Infektionsherde sollten so durch das Ordnungsamt schneller überprüft und aufgelöst werden. Zum Beispiel Treffen größerer Gruppen auf Spiel- oder Parkplätzen. Daraufhin meldeten sich viele kritische Stimmen, die darin eine Anstiftung zur Denunziation und Überwachung sehen.
Besonders schwierig wird es dann, wenn es nicht mehr nur um öffentliche Plätze, sondern um den privaten Bereich geht. Im Artikel 13 des Grundgesetzes steht: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Dieses Grundrecht dient dem Schutz der räumlichen Privatsphäre vor Eingriffen von staatlicher Seite. Gleichzeitig nennt die Verfassung aber auch Fälle, in denen dieses Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt werden kann: Zum Beispiel bei Seuchengefahr. Bisher haben Bund und Länder aber noch keine Verordnung oder einen Bußgeldkatalog für Privaträume vorgelegt.
Landratsamt lehnt Meldeportal ab
Aus dem Kreisordnungsamt heißt es: „Ein entsprechendes Meldeportal für anonyme Meldungen von Corona-Verstößen besteht nicht und ist nicht beabsichtigt“, sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes Meißen, Anja Schmiedgen-Pietsch.
Auch hinsichtlich der Zusammenkünfte in Privatwohnungen liegen dem Ordnungsamt bisher keine Erkenntnisse vor: „Es erfolgen aber bereits jetzt Mitteilungen aus der Bevölkerung, welche mögliche Verstöße beschreiben oder sehr konkret als Ordnungswidrigkeit anzeigen“, sagt Anja Schmiedgen-Pietsch. Diese betreffen nach wie vor zum Großteil die Verpflichtung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes.
Polizei ist auf Mithilfe angewiesen
Auch der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Sachsen, Hagen Husgen, lehnt ein Meldeportal für Corona-Verstöße ab. Dennoch ist die Polizei auf die Mithilfe der Bürger angewiesen: „Wir sind schon froh, wenn die Bürger ein bisschen mit aufpassen, was in ihrem Umfeld passiert“, sagt er. Die Polizei Sachsen sieht darin eine nachvollziehbare hohe Sensibilität in Bezug auf die Pandemie in der Bevölkerung: „Als Denunziantentum möchten wir das ausdrücklich nicht bezeichnen.“ Die Bürger können ihre Hinweise an das Ordnungsamt oder beim zuständigen Polizeirevier melden.
Laut dem Landratsamt gibt es dann zwei Vorgehensweisen, erklärt die Pressesprecherin: „Anzeigen, die bereits konkrete und verfolgbare Verstöße zum Inhalt haben, werden unmittelbar als mögliche Ordnungswidrigkeit bearbeitet und verfolgt.“ Andere Hinweise werden an die örtlichen Ordnungsämter weitergegeben und entsprechend überprüft. Marco H. hält persönlich nicht viel davon andere anzuzinken, sagt er: „Ich würde die betreffende Person auf ihr Fehlverhalten ansprechen und das habe ich auch schon mehrfach gemacht.“