SZ + Meißen
Merken

Keine einfache Rechnung

Auch im Meißner Modegeschäft Indigo kehrt seit Montag wieder Leben ein. Die Inhaberin und ihre Kundinnen freuen sich über den Öffnungsschritt. Aber er ist zu kompliziert und keine echte Perspektive.

Von Beate Erler
 5 Min.
Teilen
Folgen
Endlich wieder eine Kundin im Laden. Diana Thieme berät eine Stammkundin, die sich gleich für den ersten Öffnungstag angemeldet hat.
Endlich wieder eine Kundin im Laden. Diana Thieme berät eine Stammkundin, die sich gleich für den ersten Öffnungstag angemeldet hat. © Claudia Hübschmann

Am Freitag und Samstag haben Diana Thieme und ihre Mädels 70 Pakete mit Klamotten ausgepackt und eingeräumt. Die neue Frühjahrskollektion ist angekommen und das Team aus dem Indigo auf der Elbstraße in Meißen war bis abends halb neun beschäftigt. Für den ersten halbwegs normalen Öffnungstag seit Mitte Dezember sollte alles perfekt vorbereitet sein: Die Farben der Shirts und Blusen sind fröhlich und stimmen auf den Frühling ein, die Modepuppe trägt ein blaues Shirt und eine leichte gelbe Daunenjacke: „Es ist so toll wieder im Laden zu stehen“, sagt die Inhaberin Diana Thieme, „wir lieben die Beratung und es ist schön den Kundinnen wieder etwas zeigen zu können.“

Der neue Öffnungsschritt „Click & Meet“ soll vor allem für die kleinen Händler Vorteile bringen, die in den letzten Monaten auch online wenig oder gar nichts verkauft haben. Die Kunden müssen vorab einen Termin zum Shoppen vereinbaren und dürfen dann innerhalb einer festgelegten Zeit zum Einkaufen in die Läden kommen. Dem Franchisenehmer Ronny Rühle gehören neben dem Indigo in Meißen noch drei weitere Läden im Landkreis und er hat rechtzeitig vorgesorgt: Seit Mitte Februar kann man in seinen Geschäften schon über Click & Collect Waren online bestellen und im Geschäft abholen: „Wir machen bei allem mit, auch wenn sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt“, sagt er.

Derzeit ist nur eine Kundin aus Gröditz im Meißner Geschäft, ihre zwei Freundinnen kommen gleich: „Ich bin hier Stammkundin und habe mir gleich für den ersten Tag einen Termin geben lassen“, sagt die junge Frau. Ihr letzter Shoppingtag war irgendwann im August letztes Jahr. Zweieinhalb Stunden will sie heute mit ihren zwei Freundinnen durch die Auslagen stöbern, anprobieren und auf jeden Fall auch etwas kaufen: „Ich suche nichts Bestimmtes, aber ich finde hier immer etwas“, sagt sie.

Auf den 120 Quadratmetern des Ladens darf Inhaberin Diana Thieme maximal drei Kunden gleichzeitig empfangen. Sie will ihnen Zeit geben, denn die persönliche Beratung gehört zum Konzept: „Wir versuchen immer ein stimmiges Outfit zusammenzustellen und legen Wert auf Beratung und da kann ich die Kunden nicht unter Zeitdruck setzen“, sagt sie. Etwa eine Stunde plant sie pro Kundin mindestens ein. Das wären von zehn bis 18 Uhr bei voller Auslastung insgesamt 24 Kunden am Tag. Aber in der Praxis sieht es anders aus: „Heute hatten wir bisher nur drei Kundinnen und es fehlt natürlich die Laufkundschaft, die einfach spontan in den Laden kommt“, sagt sie. Alle hätten aber bisher etwas gekauft, eine Dame für etwas mehr als 100 Euro. „Ich freue mich über alles, denn alles ist besser als nichts“, sagt sie.

Viele der potenziellen Kunden, die so wieder in die Läden kommen sollen, finden das neue Konzept wenig alltagstauglich: „Ich gehe von sechs bis 15 Uhr arbeiten und soll dann um einen Termin betteln“, sagt eine Passantin. Eine andere will auf das Einkaufen mit Termin ganz verzichten. Und auch die Ladeninhaber selbst beklagen sich bei Facebook: „Das nützt meinem kleinen Laden nichts“ oder „es ist nicht realisierbar, denn die Kosten sind zu hoch und die Einnahmen zu gering“, schreiben sie.

Auch für den Modeeinzelhändler Ronny Rühle ist Click & Meet nur bedingt sinnvoll: „Für Branchen, in denen die Beratung und der Zielkauf im Vordergrund stehen macht es Sinn“, sagt er, „aber Modeeinkauf ist weniger Bedarfs- sondern Lustkauf.“ Etwa 70 Prozent der Kunden wollen durch die Stadt bummeln und wenn ihnen etwas gefällt, spontan anprobieren und kaufen: „Dafür ist dieses System zu kompliziert und zu bürokratisch“, sagt Ronny Rühle. Geöffnet hat er trotzdem, auch wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoller wäre, die Läden zuzulassen, sagt er: „Ich sehe es als Dienst am Kunden und hoffe, dass sie uns später wieder als Einkaufsziel auswählen.“

Im Geschäft von Diana Thieme hat gleich am Montagmorgen das Telefon in Endlosschleife geklingelt: „Ich kam mir vor wie in der Telefonzelle“, sagt sie und lacht. Für sie ist der nächste Öffnungsschritt ein guter Fortschritt. Aber das Planen ist nach wie vor nur schwer möglich: Für den Anfang soll das Geschäft am Montag, Mittwoch und Freitag öffnen. Für den Rest der Woche sind sie schon fast ausgebucht und auch für die nächste Woche kamen schon viele Anrufe rein. Wann sie ihre drei Mitarbeiterinnen endlich alle wieder komplett aus der Kurzarbeit holen kann, weiß sie aber noch nicht. Sie muss immer wieder aufs Neue planen, je nachdem wie viele Kunden sich anmelden: „Wenn nur drei Leute über den ganzen Tag kommen, dann kann ich nicht drei Mitarbeiterinnen ins Geschäft stellen“, sagt sie. Diana Thieme liebt ihr Meißen und daran besonders die vielen kleinen Läden und Cafés. Sie wünscht sich, dass sie alle hoffentlich bald wieder ganz normal öffnen dürfen.