Meißen. Als das Fest gegen 16 Uhr beginnt, herrscht schon allerhand Gewusel auf den Grünflächen auf dem Walkhoff-Platz. Kinder toben umher. Ihre Eltern stehen in Grüppchen und unterhalten sich. Am Rand sitzen auch ein paar Meißner und beobachten das Treiben aus der Ferne.
Mehrere Stände sind aufgebaut. Die Kinder können sich schminken lassen. Das kommt an. Das Büfett gleich daneben ist reichhaltig bestückt. Die Roma-Küche hält u.a. slowakische Brote bereit. "Man nennt sie auch armes Brot. Es kann sowohl mit Herzhaftem als auch süßem Aufstrich gegessen werden", sagt Samira. Eine Schüssel weiter gibt es Hulki. "Kraut gefüllt mit Hackfleisch", erklärt sie. An Bocki und Wiener wurde auch gedacht. "Für unsere deutschen Freunde", so Samira. Slowakischen Kartoffelsalat gibt es auch. Später, so erfährt man, kommt noch jemand, und bringt afghanische Gerichte. Alles kostenfrei.
Samira ist seit dem Video von René Jurisch zu einer Art inoffiziellen Sprecherin der Roma im Triebischtal geworden. Sie ist in Meißen aufgewachsen, arbeitet heute in Berlin als Krankenschwester und ehrenamtlich als Sozialarbeiterin. Die Kinder aus besagter Nacht sind auch alle da, und Samiras Mutter. Sie ist vor 30 Jahren nach Deutschland gekommen, nachdem sie einen deutschen Mann kennengelernt hatte.
Flucht aus der Armut
Zuvor hatte sie in einem abgeschotteten Dorf gewohnt in der Slowakei. "Die Verhältnisse waren sehr, sehr ärmlich. Es gab dort kein Wasser, keine Sanitäranlagen, nichts", erzählt die Familienmutter. Die übrigen Roma im Viertel seien seit etwa zwei Jahren da. "Ich weiß, dass es Probleme mit Sauberkeit und dem Lärm gibt", sagt Samira. "Dort, wo sie herkommen, hat das niemanden interessiert", schiebt sie hinterher. Dass es manchmal befremdlich oder bedrohlich wirke, wenn so viele Roma auf einem Haufen zu sehen sind, sei ihr klar.
Das Fest, so sagt sie, sei als Einladung gedacht, miteinander ins Gespräch zu kommen. "Ich finde, persönlich lassen sich Vorurteile am besten aus der Welt schaffen. Wir sind schließlich alle Menschen, und müssen irgendwie miteinander klarkommen", sagt sie. Bisher lief die Debatte größtenteils über soziale Netzwerke. "Wir drehen uns dort aber im Kreis", sagt sie. Wäre René Jurisch zum Fest gekommen, so versichert sie, dann hätte sie das Gespräch mit ihm gesucht. Der Bauunternehmer hatte zuvor schon abgesagt. "Mit Musik und Tanz ist es nicht getan", erklärte er in dem Video auf seinem Facebook-Profi.
"Wäre besser, wenn sie wegziehen"
Dafür sind zwei Omis da, und eine Frau mittleren Alters. Alle drei wohnen in der Nähe, und haben etwas abseits Platz genommen. Sie wollen reden mit den Roma. Gibt's Probleme? "Ich hatte neulich Besuch von außerhalb, und der meinte: Bei euch sieht's aus wie im Ghetto von Chicago", sagt die jüngere Frau. Die beiden Seniorinnen verstehen nicht, warum der Müll immer rumliegt. Papierkörbe gibt es ja genug im Park. Unsicher fühlen sie sich aber nicht. "Einer der Jungs hat mir mal eine Zunge rausgesteckt", sagt die ältere Dame.
Weiter hinten sitzen zwei Männer. Sie haben offensichtlich schon ordentlich getrunken. Was treibt sie um? "Wissen Sie, wir wollen einfach unsere Ruhe haben. Wenn Weihnachten hier unten stundenlang der Fußball an die Kirchentür gebolzt wird, dann ist das Mist", sagt einer. Warum die Jugend nicht in den Bürgerpark geht, verstehen die beiden Herren nicht. Dort würden sie niemanden stören. Was wäre die Lösung? "Wenn diese Leute einfach wegziehen, dann wäre das am besten", sagt einer.
Katrin Nestler, Chefin des Meißner Familienamtes, ist auch da. Sie freut sich, dass so viele gekommen sind, auch Meißner. Ebenfalls am Start: Sören Skalicks vom "Bunten Meißen". "Wir wollen keine Probleme wegtanzen", sagt er und verweist auf den Kummerkasten. Besucher können ihre Wünsche für den Walkhoff-Platz und fürs Triebischtal einwerfen.
Hans-Jürgen Freitag von der Verkehrswacht plagen derweil ganz andere Sorgen. "Ich fahre hier tagtäglich mehrmals vorbei. Es gab schon viele brenzlige Situationen, weil Kinder unvermittelt hinter den Fahrzeugen vorspringen, oder den Ball auf die Straße spielen", erzählt er. Freitag berichtet auch von einem Unfall vor einiger Zeit mit einem Roma-Kind, der glimpflich ausging. "Sofort baute sich die halbe Familie um den Verursacher auf", erinnert er sich. Inzwischen gibt's Musik, mehr als die Boxen vertragen. Sie erinnert ein bisschen an Polka-Musik. Die Ersten schwingen schon ausgelassen das Tanzbein. Eine 67-jährige Frau kommentiert: "Das ist doch ein Friedensangebot, oder etwa nicht?"